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2010-05-31 Kommentar:

Zum Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler

 

Es knackt gehörig im
deutschen Polit-Gebälk

 
ape. Eine Überraschung. Für jene, die es dramatisch mögen, vielleicht ein Schock.  So oder so schießen  jetzt Vorwürfe ins Kraut: Deren Kandidat Köhler war, die hätten ihn stets im Regen stehen lassen. Und es kullern die Krokodilstränen: Dem aufrechten Mann und Bürgerpräsidenten hätten die Kritiker übel mitgespielt, ihn lächerlich gemacht, ihn systematisch demontiert. Dazu kommen  Kommentare, die vom falschen Mann am falschen Ort sprechen, der nie richtig in seinem Amt angekommen sei. An all dem ist was dran, aber alles zusammen ergibt höchstens die halbe Wahrheit.

Auch wenn es übertrieben wäre, (schon) von einer Staatskrise zu sprechen: Zur ganzen Wahrheit gehört, dass die heftig in Bewegung geratenen Widersprüche der Gegenwart das politische Personal überfordern und in schneller werdender Folge verschleißen. Glos, Jung, Deubel , jüngst Rüttgers, dann Koch, jetzt Köhler. Die nächsten könnten Brüderle oder Westerwelle heißen. Jeder Fall liegt anders und doch ist ihnen allen gemein: Das Jetzt überfordert oder verschreckt die Akteure, weil die vergleichsweise gemütlichen  Politikmechanismen von gestern nicht mehr funktionieren - die labile Lage verlangt von Politikern Klarsicht, Selbstlosigkeit, gestalterischen Willen und Mut, den scheinbar "alternativlosen" Gang der Dinge in die Schranken zu verweisen. Das politische Feld hat als Spielplatz für Eitelkeiten, Karrieregelüste, Hausbackenheit, Naivität, wohlfeile Kumpanei  oder auch Großmannssucht ausgedient.

Es ist kein Zufall, dass erst Jung und jetzt Köhler über die Kriegsfrage gefallen sind. Wenn vermeintliche Staatsräson und Volkswille derart weit auseinanderliegen wie beim Thema  auswärtiger Kampfeinsätze der Bundeswehr, stecken Politiker zwangsweise richtig im Schlamassel. Köhlers Fall darf als Spätfolge des militärpolitischen Paradigmenwechsels unter Fischer/Schröder gesehen werden. Rot-Grün hatte den großen deutschen, Politik und Volk vereinenden Konsens der Nachkriegszeit aufgekündigt, der geradezu ein konstituierendes Selbstverständnis der Bundesrepublik war: Das demokratische Deutschland verteidigt sich, wenn sein Territorium angegriffen wird, lässt aber ansonsten die Finger von den Kanonen.

Das Prinzip der Landesverteidigung wurde damals ausgetauscht gegen den Willen zur weltweiten Interessensverteidigung. Diese  Marschrichtung wird heute von einer schwarz-gelb-rot-grünen Superkoalition der Parteiführungen getragen. Aber das Volk wurde zu diesem Wechsel nie befragt und hat ihn bis heute mehrheitlich nicht akzeptiert. Seither bewegt sich die armierte deutsche Außenpolitik politisch in diffusem Zwielicht. Man macht einfach; macht es parlamentarisch legal oder bisweilen auch mal ein bisschen geheim. Aber von politischer Legitimation im Sinne breiten Getragenseins durch die Bevölkerung kann bei den Kriegseinsätzen unsrer Armee im Ausland keine Rede sein. Vielleicht war Köhler einfach zu naiv, um zu erkennen, dass er zwischen alle Fronten gerät, sobald er offen ausspricht, was Faktum ist: Deutsches Militär kämpft im Ausland auch für deutsche Wirtschaftsinteressen.  Das Volk will eine solche Politik  nicht; und die staatstragenden Parteioberen wollen nicht, dass sie beim Namen genannt wird.  

Neben der Kriegspolitik (Verteidigungspolitik wäre inzwischen das falsche Wort) ist es vor allem die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die für politische Akteure bedrohlich wird. Schon bei der vorletzten Bundestagswahl wurden alle abgestraft, die zuvor das Pferd der neoliberalen Durchreformierung der Republik geritten hatten. Eine ganz und gar der ökonomischen Profitabilität unterworfene Heimat - das wollen die Deutschen nicht. Folglich werden auch Kumpanei zwischen Politik und Wirtschaft oder  naive Vertrauensseligkeit  der Politik gegenüber der Wirtschaft   von der Öffentlichkeit nicht mehr goutiert. Das hat Glos und Deubel den Kopf gekostet, hat Rüttgers in die Defensive gebracht, treibt die FDP in den Keller.

Wie beim Militär, so erschüttern auch in Sachen Wirtschaft und Finanzen grundlegende Widersprüche über die Richtung für die weitere Entwicklung des Gemeinwesens  das politische Gefüge im Land.  Herrscht  Profitinteresse oder herrscht Gemeinwohlinteresse?  Herrschen Börsen, Banken, Spekulanten dank unentschlossener oder geistig, gar materiell, mit ihnen verbandelter Politiker? Oder kämpft die Politik darum, die Herrschaft gewählter, der sozialen Verantwortung und Gerechtigkeit verpflichteter Volksvertreter über die Geschicke des Gemeinwesens (wieder) herzustellen?  In Zeiten, da so wichtige Richtungsfragen für die ganze Gesellschaft so wuchtig gestellt werden, findet sich mancher Politiker plötzlich von gefälligen Perspektiven und/oder vertrauten Geistern verlassen. Koch und Köhler waren die letzten nicht.                               Andreas Pecht
 



 
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