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2010-06-16b Porträt/Interview:

Sparkassen Denkmalpreis Rheinland-Pfalz 2010


Ein Streiter für unser Kulturerbe

Dr. Norbert Heinen, ausgezeichnet für langjährige besondere Verdienste um die Denkmalpflege

ape. Vieles in Staat und Gesellschaft hängt davon ab, dass Einzelpersönlichkeiten Initiative ergreifen, Netzwerke spinnen, sich engagieren. Norbert Heinen ist solch eine Persönlichkeit. Der 1936 in Betzdorf geborene, 1968 zum Doktor der Rechte promovierte Heinen war über Jahrzehnte eine treibende Kraft für die Denkmalpflege nicht nur in Rheinland-Pfalz. Schon während seiner Zeit als Landrat des Westerwaldkreises 1970 bis 1984 sowie nachher als Vorstandsmitglied der Provinzial Rheinland Versicherung entfaltete er ein starkes denkpflegerisches Engagement.

1990 wurde Norbert Heinen Vorsitzender des in Rheinland-Pfalz und in NRW aktiven Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Bis 2009 nahm er in dieser Funktion beharrlich, enthusiastisch und oft auch streitbar Einfluss auf die Geschicke der Denkmalpflege. Die Spuren von Heinens Wirken sind zahlreich. Er initiierte etwa in Trier Symposien und Gesprächrunden, um den angemessenen Umgang mit römischen und mittelalterlichen Relikten in der Stadt zu stützen.

Heinen ergriff Initiativen zum Erhalt historischer Weinbergslagen an der Ahr oder zur naturschonenden Änderung der Trassenführung für die neue ICE-Strecke Köln-Frankfurt. Er kümmerte sich um Unterhalt der Burgruine Virneburg sowie um Erforschung und Sanierung der Burgruine Stahlberg. Letztere darf nach dabei gewonnenen Erkenntnissen als einer der bedeutendsten Burgbauten des Mittelalters gelten. Und Norbert Heinen erhob mit Nachdruck Einwände, wenn er Gefahren für Denkmäler und Kulturlandschaft sah: etwa beim Kunstobjekt „Das Fenster“ in der Wernerkapelle Bacharach oder beim Plan für einen Freizeitpark in Oberwesel.

1998, im Jahr seiner beruflichen Pensionierung, gründete der ehrenamtliche Denkmalschützer das Forum Abtei Marienstatt, übernahm auch dessen Vorsitz. Ziel war das Vorantreiben und die Unterstützung der Sanierung/Restaurierung von Basilika und Abtei. In Ergänzung der Baumaßnahmen durch das Land hat das Forum in den letzten Jahren erheblichen Anteil an der Verwirklichung des großen Denkmalpflegeprojektes Marienstatt: durch Voll- und Teilfinanzierungen von Chorfenstern, der Restaurierung von Mittelrisalit und Tafelsaal des Abteigebäudes sowie der Wiederherstellung des barocken Klostergartens.

Dem Gedanken folgend, dass die Pflege des kulturellen Erbes der Jugend bedarf, rief Heinen ebenfalls 1998 unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz einen Verein für Jugendbauhütten ins Leben. Bis 2009 entstanden unter seinem Vorsitz in neun Bundesländern 12 solcher Bauhütten. Dort werden junge Leute im Rahmen eines Freiwilligen Jahres praktisch und theoretisch an des Thema Denkmalpflege herangeführt. Dieses Thema hat Norbert Heinen mehr als ein halbes Leben bewegt und es bewegt ihn weiter.

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Interview mit Dr. Norbert Heinen

Ohne Zeugen der Vergangenheit keine Zukunft



Frage: Herr Heinen, wann und wie hat das angefangen mit ihrem Engagement für die Denkmalpflege?

Heinen: Der Hintergrund ist vom Elternhaus gegeben. Das Hinführen zu Kulturdenkmälern –  den Domen, Burgen etc. – hat in meiner Kindheit eine große Rolle gespielt. Dann bin ich natürlich in meiner Landratszeit ständig mit dem Thema Denkmalschutz in Berührung gekommen. Anfangs durchaus nicht gleich als Befürworter. Ich war einer, der Fortschritt wollte, und dem standen manchmal Denkmäler, scheinbar, im Wege.

1973 wollte ich ein altes Ensemble in Montabaur abreißen. Das weckte Unmut in der Bevölkerung, der mich verunsicherte. Bei einem Ausflug der Jury für den Westerwald Keramikpreis damals ließ ich wie zufällig dort halten. Der Kleinbus stand noch nicht richtig, schon rief ein Kunsthistoriker spontan aus: „Was haben sie denn da für ein kostbares Ensemble!“ Das war mein Damaskus-Erlebnis (Saulus wird Paulus) in Sachen Denkmalpflege. Von Abriss war danach keine Rede mehr.

Frage: Landrat und Denkmalschützer in einer Person: Gibt das nicht Interessenskonflikte. Dieser muss sparen, jener will Geld haben.

Heinen: Das ist ein klassisches Konfliktthema. Aber ein Landrat ist ja quasi von Amts wegen ständig auf der Suche nach vernünftigen Kompromissen. Ich hatte auch ein bisschen Glück, dass auf Kreisebene kein Fall eintrat, wo ich beispielsweise zwischen Bau einer Straße und Erhalt eines Denkmals hätte wählen müssen.

Frage: Warum Denkmalschutz? Was fasziniert sie persönlich an diesem Metier?

Heinen: Zwei Dinge. Das erste ist der historische Wert, den Denkmäler als Lernort repräsentieren. Sie sind Zeugnisse der Geschichte. Und die brauchen wir als Gesellschaft, denn wir müssen aus der Vergangenheit leben, um Zukunft zu gestalten. Das zweite ist die Ästhetik: Die Schönheit von Denkmälern –  seien es Ruinen, Schlösser, Kirchen – fasziniert mich immer wieder. Das gilt auch für jüngere Denkmäler, etwa gute Bauten aus den 1950ern.

Frage:  Sie waren von 1990 bis 2009 Vorsitzender des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Wenn sie zurückdenken: Welche Projekte haben sie am meisten bewegt?

Heinen: Vielleicht das Wichtigste war die Rheintal-Konferenz 1997 in Mainz. Daraus sind Gutachten hervorgegangen, die Grundlage waren für das Antragsverfahren, dem Mittelrheintal den UNESCO-Welterbestatus zu verleihen. Dann die Vertiefung und Verbreitung des Gedankens der Kulturlandschaft. Also, dass ein Denkmal nicht isoliert zu sehen ist, sondern stets im Kontext seiner Umgebung. Das gilt natürlich auch für Dorf- und Stadtbilder.

Deshalb ist zum Beispiel der Kölner Dom nicht nur als Kölner Dom zu betrachten, sondern als Bestandteil seines Umfeldes. Und bei allen Baumaßnahmen dort muss die Gesamtheit der Dom-Umgebung berücksichtigt werden. Aus diesem Blickwinkel erwächst auch die Problematik der geplanten Rhein-Brücke bei St. Goar. Ich persönlich habe gegenüber diesem Projekt nach wie vor große Bedenken.

Aber um nicht missverstanden zu werden: Der Rheinische Verein ist kein bloßer Kontra-Geber. Es kam uns, kommt mir stets vor allem darauf an, Interessen auszugleichen. Wie etwa beim Terrassenweinbau an der Ahr. Dort haben wir mit guten Ergebnissen für die Region über ein Symposium Menschen zusammengebracht, die vorher nie miteinander gesprochen hatten.

Frage:  Aus ihrer persönlichen Sicht nach vielen Jahren Erfahrung: Wie steht es heute mit der Denkmalpflege im öffentlichen Bewusstsein?

Heinen:  Ich glaube, das ist noch verbesserungsfähig. Aber insgesamt haben wir doch erhebliche Fortschritte gemacht. Es findet sich heute allgemein eine viel größere Wertschätzung für Denkmäler als vor zwei oder drei Jahrzehnten. Natürlich wird es immer wieder Konflikte zwischen Ökonomie und Kulturerbeschutz geben. Hier vertretbare Kompromisse zu entwickeln, bleibt ebenso eine Daueraufgabe wie das Bemühen, den Menschen die Denkmäler nahezubringen. Was ich allerdings nicht gut fände: Wenn die Kulturlandschaft vollends zur Event-Landschaft umfunktioniert würde. Unsere Burgen und Altertümer sind historische Denkmäler, sie sollen auch als solche wirken.

Frage: Sie sind jetzt 73 Jahre alt. Gibt es da noch ein denkmalpflegerisches Projekt, das sie unbedingt realisiert sehen möchten?

Heinen: Was ich gerne noch erleben würde, ist, dass auch Rheinland-Pfalz eine Jugendbauhütte bekommt. Wir haben mit dem Verein „Jugendbauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ seit 1999 in neun Bundesländern zwölf solche Einrichtungen auf den Weg gebracht. Ausgerechnet hier daheim blieben meine Bemühungen bislang ohne Erfolg. Das ist schade, denn was die jungen Leute da bei ihrem freiwilligen Jahr in der Denkmalpflege lernen, auf die Beine stellen und einbringen, ist fantastisch. Wenn gefragt wird, wie man Jugendliche von heute für alte Denkmäler interessieren kann: Jugendbauhütte ist nicht die einzige, aber doch eine besonders wertvolle Antwort.             

(Erstabdruck Juni 2010)

Denkmalpreis Rheinland-Pfalz, Denkmalschutz, Norbert Heinen

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