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2010-07-28 Feature:

„b-05“: Bemerkenswertes Konversionsprojekt
in den Tiefen des Westerwaldes


Kunst im Atombunker


ape. Montabaur/Westerwald. Ein seltsamer Ort. Der Nachklang militärischer Drohung und friedliche, abgeschiedene Naturidylle treffen aufeinander. Eingebettet in beide und die Atmosphäre ihrer Widersprüchlichkeit für sich nutzend: zeitgenössische Kunst. „b-05“ nennt sich das Projekt. Nahe der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Montabaur funktioniert es im Westerwald die Bunker eines vormaligen Raketendepots der Nato zum Kunst- und Kulturzentrum um.

Via Autobahn (A3) nach Montabaur, über Land zum Dörfchen Horressen. Das findet man. Dann kommt der Abzweig ins dichte Grün und mit ihm die Ungewissheit: Die Asphaltpiste ist zwar breit, aber tief im Westerwald scheint sie über zwei Kilometer ins Nichts zu führen. Jedenfalls zu keinem Ausstellungszentrum, das Werke von Moderne-Künstlern wie Matthew Barney, Jonathan Meese, Jannis Kounellis oder Thomas Demand zeigt. Irgendwann öffnet sich der Wald auf eine eigentümliche Lichtung.

Rostiges Gittertor, das unlängst noch so beschildert war: „Militärisches Sperrgebiet. Vorsicht Schusswaffengebrauch. Lebensgefahr.“ Am Tor gabelt sich die Piste. „Nach links geht’s in den ehemals amerikanischen Bereich, hier rechts hatte die Bundeswehr das Sagen“, erklärt Jan Nebgen. Der 34-Jährige ist neuer Hausherr des 11,5 Hektar großen, von der Stadt Montabaur gepachteten Areals. Dank seiner Initiative ist es nun ein Ort der Kunst und darf als Konversionsprojekt gelten.  

Erst war die US-Army mit ihren Atomsprengköpfen verschwunden, nachher die benachbarte Bundeswehr mit den dazugehörigen Raketentriebwerken. Von der im Wald versteckten Arbeitsteilung und Armierung wussten seinerzeit die wenigsten Einheimischen, offizielle Bestätigungen gibt es bis heute nicht. b-05 firmierte schlicht unter „Munitionslager“. Ende der 1980er war das Militär vollends ab- und Verfall eingezogen. Als Nebgen bei einem Spaziergang zur Weihnachtszeit 2005 erstmals auf das Gelände stieß,  fand er Bunker und Gelände in erbärmlichem Zustand.

Was treibt einen im Westerwald aufgewachsenen, dann zum Architektur- und Designstudium nach Kalifornien ausgewanderten jungen Mann, sich in ein Abenteuer mit einem maroden Bunkergelände jwd in der alten Heimat zu stürzen? Ohne eigenes Kapital, gestützt nur auf seine Arbeitskraft und das Mittun von Gattin, Verwandten, Freunden, ein paar Kunstliebhabern?  

Nebgen nennt zwei Aspekte. Erstens: Generell fasziniere ihn die Ästhetik von Bunkerbauten und deren erstaunliche Perspektiven. Weshalb er während seiner elf Amerika-Jahre immer wieder mit Bunker-Kunstprojekten befasst war, etwa in Beverly Hills an der Seite von James Turrell. Zweitens sah er in b-05 das Potenzial für eine künstlerische Begegnungsstätte zwischen Köln/Bonn und Rhein-Main –  für einen Ort des Dialogs zwischen Metropolen und Land.

Der aus Kalifornien heimkehrende Westerwälder erarbeitet ein Entwicklungskonzept für b-05, gründet den dazugehörigen Kunst- und Kulturverein, macht sich auf die Suche nach Geldgebern und Unterstützern. Und er ist überzeugend: Skoda Deutschland steigt mit stattlichen Beträgen als Sponsor ein; das Land Rheinland-Pfalz fördert in kleinerem Maß; neben Verbandsgemeinde und Stadt Montabaur gehören bald regionale Unternehmen ebenso zu den Unterstützern wie Kunstfreunde aus der Umgebung und von weit her.

Zwei Jahre wird gerodet und renoviert bevor 2008 in vier kleinen und zwei großen Bunkern die erste Ausstellung unter kunst-tauglichen Bedingungen stattfinden kann. Seither gilt diese seltsame Location tief im Westerwald nicht nur in der regionalen Kunstszene als Geheimadresse für   ungewöhnliche Präsentation hochkarätiger Gegenwartskunst. Obwohl: So geheim ist b-05 spätestens seit der zweiten der von Oliver Zybok kuratierten Ausstellungen nicht mehr. Die als Gesamtkunstwerk aus Arbeiten von Jannis Kounellis, Markus Selg und Werner Herzogs Irak-Film  „Lektionen der Finsternis“ inszenierte Schau zog im Sommer 2009 etwa 4000 Besucher an. „In diesem Jahr könnten es noch ein paar mehr werden“, meint Nebgen. Die noch bis Oktober laufende dritte Ausstellung vereint unter dem Titel „Optical Shift – Illusion und Täuschung“ aktuelle Werke von zweit Dutzend bildenden Künstlern der jüngeren internationalen Szene.

Auch wenn die Kunstpräsentationen in den erdbedeckten, überwachsenen (aber ausstellungstechnisch hochgerüsteten) Wald-Bunkern per se ein Faszinosum sind: Bei Kunstausstellungen allein soll es nicht bleiben. Das Konzept sieht die Einrichtung von Ateliers und Studios vor, die Erweiterung des Spektrums auf Architektur, Design, Musik, Technologie, Ökologie. „Uns schwebt ein Kreativzentrum für das gesamte zeitgenössische Leben vor“, so Nebgen. Wunschträume bloß? Träume, gewiss. Aber dass aus einem heruntergekommenen Raketendepot mal ein  Ausstellungsareal wird, wie es b-05 schon ist, hätte vor fünf Jahren auch niemand geglaubt.                               Andreas Pecht


Geöffnet Donnerstags, Samstags und Sonntags bis 17. Oktober. Danach Winterpause. Parallel zur Hauptausstellung "Optical Shift" zeigen bis 15. August Studierende des Instituts für künstlerische Keramik Höhr-Grenzhausen ihre Abschlussarbeiten.

Infos: www.b-05.org

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Moderne Kunst, Westerwald, Nato-Lager, Konversionsprojekt, Kunstausstellung im Atombunker              

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