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2010-09-03 Ausstellungsbesprechung:

Spannende Sonderausstellung im Historischen Museum der Pfalz Speyer
 

Amazonen -
Geheimnisvolle Kriegerinnen

 
 
ape. Speyer.

Red Sonja, Xena, Lara Croft. Das sind gefährlich selbstbewusste Frauen – bewaffnet mit Schwert, Maschinengewehr, Sexappeal. So trivial die neuzeitlichen Medienheldinnen sein mögen, gehen sie doch auf einen Mythos zurück, der die Kulturgeschichte begleitet seit Homer. Das Historische Museum der Pfalz Speyer begibt sich jetzt mit einer spektakulären Sonderausstellung auf die Suche nach der Wahrheit über „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“.


Mit Kampfszenen bemalte Teller, Vasen, Amphoren; 2500 Jahre alt und älter. Inmitten des Schlachtengetümmels sind Frauen auszumachen. Sie und die Männer gleichermaßen gerüstet mit Helm, Schild, Schwert, Lanze; gegeneinander kämpfend. Leichtfüßig, anmutig, schön, aber zugleich wütend, entschlossen, kraftvoll bieten die Frauen ihren Gegnern die Stirn. Dazwischen eine riesige Skulptur: Antiker Krieger ringt eine erschöpfte Frau nieder. Er ist Achill, Griechenheld im Kampf gegen Troja. Sie heißt Penthesilea, Königin der Amazonen, die den Trojanern zu Hilfe geeilt waren. Die „männergleichen“ Frauen, wie Homer sie in der „Ilias“ nannte, setzten dem Griechenheer arg zu, bevor sie besiegt wurden.


Die Ausstellung „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ im Historischen Museum der Pfalz Speyer beginnt mit einem Rückblick auf frühe Formen des Mythos vom kriegerischen Frauenvolk. Die Geschichte von Achill und Penthesilea ist nur eine der großen Amazonen-Sagen der alten Griechen. Hinzu kommt die über Herakles, der den Gürtel der Amazonen-Königin Hippolyte entwenden soll, worüber ein heftiger Kampf entbrennt. Oder die Sage von der Entführung Antiopes durch Theseus, die den Angriff eines Frauen-Heeres auf Athen zur Folge hatte.


Speyer fächert anhand archäologischer Fundstücke und deren teils multimedialer Ausdeutung den griechischen Amazonen-Mythos auf, der bis in unsere Tage in mannigfachen Metamorphosen nachwirkt. Es steht bald die Frage im Raum, die schon die Antike bewegte: Ist's Mythos oder Wirklichkeit? Hat es je ein Amazonen-Volk gegeben? Auf die Griechen wirkte die Vorstellung von autonom lebenden Frauen, die nicht den Männern dienen und sogar die Kriegskunst ausführen, höchst beunruhigend. Kein Wunder, dass Kriegerinnen immer als Feinde und letztlich Unterliegende dargestellt sind: Ihr Lebensmodell durfte gegenüber der griechischen Gesellschaftsordnung einfach nicht obsiegen.


Die Fachwelt ist heute überwiegend der Auffassung, ein eigentliches Amazonen-Volk gab es real nie. War/ist also der Mythos doch bloß eine Männerfantasie? Dafür spricht, dass solche Kriegerinnenvölker stets in unbekannten Fernen am Rande der Welt vermutet wurden. Kartografische Inszenierungen machen das in der Ausstellung sehr schön deutlich. Gegen reine Fantasterei sprechen indes jüngere Forschungen und deren interdisziplinäre Aufbereitung in Speyer.


Zwar wurde kein Amazonen-Volk entdeckt. Aber teils erstmals weltweit ausgestellte Grabfunde belegen: Bewaffnete, kriegskundige Frauen waren dereinst in vielen Gesellschaften präsenter als bislang angenommen. In museal inszenierten Gräbern zeugen Funde vor allem aus dem eurasischen Raum von skytischen Reiterkriegerinnen schon vor 3000 Jahren. Das älteste, im Kaukasus gefundene, Frauengrab enthielt neben Schmuck auch Bronzeschwert, Speerspitze und einen Pferdeschädel. Damit wird die frühere archäologische Methode fragwürdig, von Waffen als Grabbeigabe automatisch auf Männerleichen zu schließen.


Selbst wenn von Amazonen-Volk keine Rede sein kann, hat der Mythos von den Kriegerinnen offenbar doch eine reale Grundlage. Nur: Mit dieser hat die männliche Ausschmückung in der Antike wie in späteren Jahrhunderten eher wenig zu tun hat. Ob in griechischen Skulpturen oder in Gemälden des 19. und 20. Jahrhunderts: Die Amazone lockt ewig als entblößtes Weib, erschreckend und erregend schön in seiner Entfesselung – sei es als „männertötende“ Furie (Herodot) oder als in der Schlacht hingestreckter Leib.


Die spannende wie interessante Speyrer Ausstellung schließt mit einem Blick auf „Amazonen“ der Neuzeit: Auf Herrscherinnen sowie auf die „Flintenweiber“ etwa der französchen Revolution. Und unwillkürlich schweifen die Gedanken weiter, zu Politikerinnen, Managerinnen oder Soldatinnen der Gegenwart. Frauen, die ihren Mann stehen (wollen, müssen)? Moderne Amazonen?                                                                    Andreas Pecht

                                                         ***

Infos:

Das opulente Begleitbuch „Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen“ unterstreicht mit 40 Aufsätzen von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen den ganzheitlichen Ansatz der Ausstellung in Speyer. Reich bebildert, schreitet es ein Themenspektrum ab vom Antiken Amazonen-Mythos und der Welt der eurasischen Steppenvölker über die Entwicklung des Mythos in nachantiker Zeit bis hin zu den Kriegerinnengestalten oder Hochtechnologie-Agentinnen heutiger Populärkultur. Das Buch ist erschienen bei Edition Minerva, 308 Seiten, Museumspreis 24,95 Euro, Buchhandelspreis 29,80 Euro.


Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz Speyer

Dauer: 5.9.2010 bis 13.2.2011

Öffnungszeit: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.

Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro; Familienkarte 26 Euro.

Infos (auch über das umfangreiche Begleitprogramm: www.museum.speyer.de


 
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