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2010-09-17 Geschichte:

"Die Staufer und Italien" im Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim (19.9.2010 - 20.2.2011): Höhepunkt einer drei Bundesländer umfassenden Kampagne
 


Erhellende Blicke auf das mittelalterliche Reich

 
 
ape. Mannheim. 2009 wurde es in Mainz mit einem Symposium vorbereitet, im Frühjahr 2010 mit einem Vortrag in Koblenz eingeläutet, dann auf Burg Trifels in der Pfalz gestartet: Das von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsam getragene Staufer-Jahr. Mehr als 100 Veranstaltungen widmeten sich seither der Staufer-Dynastie und ihrer Zeit. Mit der Eröffnung der Großausstellung „Die Staufer und Italien“ in Mannheim erreicht die Kampagne jetzt ihren Höhepunkt.


Mehr als 1000 Besuchergruppen haben sich angemeldet. Die Mannheimer Reiss Engelhorn Museen erwarten viele zehntausend Interessierte. Denn eine Schau wie „Die Staufer und Italien“ hat es in Deutschland lange nicht gegeben: Zuletzt erfuhr das neun Könige und Kaiser stellende Herrschergeschlecht des 12. und 13. Jahrhunderts vor 33 Jahren in Stuttgart eine umfassende museale Würdigung. Eine gar drei Bundesländer über Monate vereinende Kampagne als Vor- und Umfeld einer kulturhistorischen Ausstellung stellt zudem etwas ganz Neuartiges dar.

Es sind die Staufer selbst, die den jetzigen Schulterschluss zwischen Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz motiviert haben. Das wird beim Rundgang durch die mehr als 500 Exponate von 130 Leihgerbern präsentierende Ausstellung deutlich. „Drei Innovationsregionen im Mittelalterlichen Europa“ lautet deren Untertitel. Er spielt an auf die drei Kernbereiche der Staufer-Herrschaft im Heiligen Römischen Reich: den Rhein-Neckar-Raum mitsamt Pfalz und Rheinhessen, die oberitalienischen Städte, schließlich das Königreich Sizilien.

Diese klimatisch, historisch, kulturell, politisch und wirtschaftlich sehr verschiedenen Zonen wurden unter den Staufern in einem Reichsgebiet vereint. Der in Mannheim vielfach zitierte Mittelalterchronist Otto von Freising charakterisiert die drei Regionen so: Der deutsche Teil am Rhein sei „die größte Kraft“; Oberitalien wegen seines milden Klimas „der Garten der Wonnen“; Sizilien als Schmelztiegel okzidentaler und orientaler Einflüsse die „Wiege der Kultur“.

Die Ausstellung folgt in ihrem Zentrum dieser Dreiteilung, erhellt mittels wertvoller historischer Artefakte sowie mit aufwändigen Film-Animationen die abweichenden Lebensumstände in den  Regionen. Mal vermittelt ein Flug vom Mittelmeer bis an die Nordsee einen Gesamteindruck des Staufer-Reiches. Dann wieder führt ein Film den Mainzer Hoftag Barbarossas anno 1148 vor Augen oder begleitet der Besucher einen Hofzug Friedrichs II. über die Alpen.

Wie sah Worms damals aus? Über welche Kunstfertigkeit verfügten die oberitalienischen Handwerker? Wie konnten die Staufer den Normannen Sizilien nehmen, und wie Friedrich II. von der fernen Insel aus sein Vielvölkerreich regieren und reformieren? Zahllose Fragen, auf die die Ausstellung teils unter Blickwinkeln antwortet, die sich beträchtlich von früheren unterscheiden. Etwa: Es waren nicht die Staufer selbst, die ihre Zeit zu einem Jahrhundert des Umbruchs in Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur machten. Oft waren die Könige und Kaiser vom Gang der Dinge Getriebene, die den neuen Entwicklungen allerdings einen staatlichen und rechtlichen Rahmen geben mussten.

Und es haben die Staufer auch nicht das „deutsche Wesen“ über das mittelalterliche Großreich gebracht. Im Gegenteil wurde das aus dem Schwäbischen stammende Geschlecht von einer Generation zur nächsten immer italienischer. Ein Grundprinzip staufischer Herrschaft vor allem zur Glanzzeit unter Friedrich II. wird durch das tiefe Eintauchen der Mannheimer Schau in die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse deutlich: Ziel des Kaisers war nicht die Einebnung der Unterschiede im Reich, sondern die Organisation des Neben- und Miteinander. Während für Sizilien eine zentralistische Alleinherrschaft möglich war, musste sich Friedrich in deutschen Landen mit dem  Netzwerk hiesiger Fürsten arrangieren. Das Reich als Ganzes war ein multikulturelles Konglomerat – weshalb bei Hofe gleichberecht mittelhochdeutsch, griechisch, arabisch und hebräisch gesprochen wurde. Amts-, Wissenschafts- und Kirchensprache war Latein, hinzu kamen in vielen Teilen des Reiches volkstümliche Sondersprachen.

Ob tonnenschwere steinerne Zeitzeugnisse oder 800 Jahre alte Dokumente, ob ein ausgebrochener Zahn Barbarossas oder der Krönungsmantel Friedrichs II., ob originales Essgeschirr, staufische Ahnentafel oder das erste Buch der Hildegard von Bingen: „Die Staufer und Italien“ machen ein hochspannendes Kapitel unserer Geschichte lebendig –  in dessen Ansicht sich manche  Gegenwartsfrage spiegelt.


Infos: www.staufer2010.de

(Erstabdruck 18. September 2010)

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Mannheim, Reiss-Engelhorn-Museen, Ausstellung, Staufer und Italien, Ausstellungsbesprechung
 
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