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2010-09-19 Schauspielkritik:

Shakespeares "Macbeth" am Staatstheater Wiesbaden.
Regie: David Mouchtar-Samorai


Kleines Spiel über das große Verderben

 
ape.  Ein Würfel aus leeren Rahmen in der Bühnenmitte, offen nach allen Seiten. Mehr Kulisse gibt Christoph Rasche dem ersten Teil der Shakespeare-Tragödie „Macbeth“ im  Staatstheater Wiesbaden nicht. Später, nachdem Macbeth um der Macht willen König Duncan und Banquo meuchelte, verengen bühnenhohe Quader den Raum. Ein kalter Ort nirgendwo und überall, in dem die Trennung zwischen Außenwelt und Innenleben aufgehoben ist.
 

Hier kann jeder alles sein. Eben dieser Mensch, gleich ein anderer, gar Hexe oder vom schlechten Gewissen heraufbeschworener Albtraum. Die Rollenwechsel sind fließend in David Mouchtar-Samorais stark reduzierter Inszenierung des Klassikers von 1606. Das kann nicht anders sein bei nur sieben Mitspielern auf die rund 30 Figuren entfallen.

Doch Sparsamkeit ist kaum der Grund fürs schmale Personaltableau. Die Regie baut vielmehr auf die Durchlässigkeit der Figuren und Sinnesebenen. Dem Machtgierigen Königswürde und Unbesiegbarkeit weissagende Hexen sind gruselige Mär und zugleich Metapher auf die Verblendung realen Ehrgeizes. Geister, die in vieler Leute Köpfe rumoren. Dass Mouchtar-Samorai mit der spartanischen Besetzung Shakespeares eigener Theaterpraxis folgt, sei nur am Rande vermerkt.

Reduktion ist ein Wesensmerkmal der Inszenierung, dazu passt Konzentration auf Sprache. Benutzt wird die Tieck-Übersetzung von 1833, und zwar getreulich, ohne aktualisierende Eingriffe in Wortwahl oder Sprachgestus. Allerdings kommen Körpermikrofone zum Einsatz, die es selbst im riesigen Saal des großen Wiesbadener Hauses erlauben, die altertümliche Sprechweise von deklamatorischem Druck freizuhalten.

Der technische Einfluss bleibt aber so dezent wie die ganze Inszenierung bei den äußeren Mitteln zurückhaltend – ausgenommen die Fülle der Kostümwechsel. Jede Rolle notwendig anders ausstaffiert, die Hauptfiguren obendrein gemäß ihrer Entwicklung im Stück je neu eingekleidet. Macbeth etwa erst in der Uniform des Obristen, dann im Politikeranzug, schließlich im Smoking des Herrschenden. Urte Eicker ließ schneidern, was zu Adenauers Zeit üblich war. Das Stück wird so aus der fernen Vergangenheit näher herangeholt, ohne jedoch seinen schon bei Shakespeare rückblickenden Charakter aufzugeben.

Nebenfiguren lässt Mouchtar-Samorai nach Shakespear'scher Manier teils deftig und skurril aufspielen. Im Zentrum fein gearbeitet sind Michael Günthers Macbeth und die zur schändlichen Mordtat anstachelnde Lady von Verena Güntner. Sie tut das fast nach Art eines hingebungsvoll den schwächlichen Gatten umsorgenden Eheweibes, das die eigene Machtlust zu verbergen weiß. Passend dazu lässt Günther seinen Macbeth zwischen schier kindlichem Habenwollen der Herrschaft und der Ängstlichkeit eines verschreckten Gemütsmenschen in den Wahnsinn treiben.

„Macbeth“ in Wiesbaden: Ein sehenswerter Abend, der Shakespeare ernst nimmt und als unprätentiöses kleines Bühnenspiel eine große Parabel skizziert – vom Unglück, das der durch Selbstsucht Verblendete  über die Welt und das eigene Dasein bringt.                                                          Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-wiesbaden.de

(Erstabdruck 21. September 2010)

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Staatstheater Wiesbaden, "Macbeth", Mouchtar-Samorai, Kritik

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