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2010-09-20 Schauspielkritik:

Schillers "Kabale und Liebe" am Staatstheater Mainz.
Regie: Jan Philipp Gloger

Liebesträume aus dem Elfenbeinturm


 
ape. Mainz.  Auch das soll mal gesagt sein: Das Staatstheater Mainz hat ein mit starken Schauspielern gesegnetes Sprech-Ensemble. Also lautet zu jeder Premiere die spannende Frage: Versteht es die Regie, diesen Schatz zu nutzen? Nicht immer ist das der Fall. Jan Philipp Gloger indes hat für seine Inszenierung von „Kabale und Liebe“ einige personale Preziosen ins rechte Licht gerückt – und mit ihrer Ausstrahlung dem Schiller-Klassiker neuartigen Glanz verliehen.

 
Bis hinauf zum Schnürboden reicht der Regalturm, bestückt mit Hunderten Büchern. Der riesenhafte Elfenbeinturm von Franziska Bornkamm lässt sich drehen, besteigen, aufklappen. Im Innern ein Mädchenzimmer, unter Leselampen die Kuschelecke eines Girls: Dort träumt Luise den Traum von der alles überwindenden Liebe wie sie die Dichter in jenen Büchern beschwören. Um den lichten Turm herum bloß nackte, schwarze Bühne: die schnöde Welt jenseits der Herzen.

Ein Mädchen aus dem Volke und ein Junge aus der Hautevolee lieben einander. Luise und Ferdinand fühlen gemäß ihrer Lektüre. Zwei junge Leute von heute, die nach Schillerscher Art lieben und mit gemeinsamer Ausrufung seiner Worte die Unverbrüchlichkeit ihres Miteinanders proklamieren. Das ist romantische Schwärmerei, die in der frischen, unverkünstelten Darstellung von Johanna Paliatsou und André Willmund sich des hehren Schiller-Tones nicht schämt, den sie spielerisch zitiert.

So über alle Schranken hinweg lieben zu können, ist nur literarische Utopie. Und doch leben die beiden ganz unverkrampft dies ewig ersehnte Ideal. Eine kleine Weile wenigstens. Bis die bekannte Kabale, die liebesfeindliche Intrige der geschäftstüchtigen und karrieresüchtigen Mächte sie auseinander reißt. Dem Ferdinand wird auf Geheiß des hochgestellten Vaters der Stachel der Eifersucht eingetrieben, auf dass er von dem niederen Mädchen lasse und sich seines Standes besinne.

So leicht und natürlich das jugendliche Liebesspiel war, so scharf fällt in der Mainzer Inszenierung der Wechsel zur Tragödie aus. Unter großer körperlicher Anstrengung dreht Ferdinand, nachher Lady Milford (Verena Bukal) den Bücherturm im Kreis. Will sagen: Die ganze Liebespoesie rotiert nur um sich selbst, mit dem realen, dem kalten wie gewalttätigen Leben aber hat sie nichts zu schaffen. Ernüchtert stopft schließlich Luise die Träume auf Papier in blaue Müllsäcke.

Glogers Inszenierung ist eine auf fast allen Positionen wunderbar ausgespielte und in ihrer Ambivalenz sehr gescheite Arbeit. Da wird „Kabale und Liebe“ gegeben und zugleich als Rezeptionsphänomen beobachtet; bisweilen mit einem kleinen Augenzwinkern. Ein Stück alte Literatur, das bis heute den Traum von Liebe und die Furcht vor seiner Vergeblichkeit mitprägt. Stück und Gegenwart durchdringen in Mainz einander so sehr, dass die Protagonisten keine Mühe haben, Schillers Sprache mit der ihren von heute zu verschmelzen, ohne dem Werk Schaden zuzufügen. Das befremdet so wenig wie Ferdinands Auftritt zum tödlichen Ende in historischem Kostüm und entsprechender Spielweise.

Wir spüren hier die Größe des literarischen Gedankens und sein Echo im Herzen junger Leser. Am Ende aber liegt Utopia wieder in Trümmern, weil den Mann Mut und Vertrauen verließen – bei Schiller schon, bei Gloger noch immer.                      Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck 21. September 2010)


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Staatstheater Mainz, Schiller, Kabale und Liebe,  Jan Philipp Gloger, Premiere, Kritik

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