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2010-09-26 Schauspielkritik:

Kleists Klassiker in Bonn auf 90 Minuten intensiven Sprechtheaters reduziert. Regie: Stefan Heiseke 


Zur Verhandlung kommt:
Der Fall "Prinz Friedrich von Homburg"


 
ape. Bonn.  Stefan Heiseke hatte 2008 in den Godesberger Kammerspielen der Bühnen Bonn „Don Carlos“ als vierstündiges Spiel ganz eng an Schillers Text inszeniert: Als Theater, das auf die Intensität der Schauspieler vertraute, statt auf Action und Effekthuberei. Diese Spielweise hat er jetzt auch auf „Prinz Friedrich von Homburg“ angewandt. Allerdings reduzierte der Regisseur Heinrich von Kleists Fünfakter auf seine Kernmomente, und auf eine Vorstellungskürze von schier unglaublichen 90 Minuten. Macht das Stück so überhaupt noch Sinn? Es macht.   
 

Das Werk von 1811 spielt anno 1675. Die Bonner Inszenierung greift Kleists historisierenden Blick auf: Gesine Kuhn baute ein klassizistisches Bühnenportal nach, hinter dem zwischen Schloss- und Parkattrappen die Eingangsszene als höfisches Kostümspiel gegeben wird. Dort treiben Kurfürst und Co. Schabernack mit dem schlafwandelnden Prinzen, der von Heldenlorbeer und Prinzessinnenliebe träumt. Vorhang. Anderntags...

...völlig umgeräumt die Bühne. Ansteigende Plattformen, die an einem Wellblechtor enden. Der Raum leer, schwarz, grau; zeitlos, ortslos. Das Personal des historischen Flitters entkleidet, nunmehr in schwarzer Kluft über weißen Hemden. Von Krieg und Kampf geht viel die Rede, zu sehen ist davon nichts. In das Berichten streut ein Perkussionist vom Bühnenrand bloß akustische Symbole von Schlachtenlärm.

Die Inszenierung bietet nicht die Abenteuer des Prinzen von Homburg. Sie reduziert das Stück vielmehr in streng sachlicher Aufstellung auf die Rekonstruktion des „Falles Homburg“, konzentriert sich auf dessen politische und psychologische Implikationen. Der Prinz hat in der Schlacht seinen Trupp gegen den Befehl des Fürsten zum Angriff geführt, dadurch einen Sieg ermöglicht. Darf er nun als Held gefeiert oder muss er wegen Befehlsverweigerung hingerichtet werden? Wer soll herrschen: Gesetz oder Willkür, und sei's die Willkür der Gnadengewährung?

Kleists Antwort bleibt diffus. Angst vor dem Scharfrichter macht den Prinz in Bonn zum greinenden Bündel. Nachher aber anerkennt er mannhaft seine Pflicht zur Unterordnung unter's größere Ganze. Gleichwohl wird er begnadigt – in einer abschließenden traumartigen Sequenz. Dazu öffnet sich das Wellblechtor, dahinter das Schloss vom Anfang.

Spannend an diesem Abend: Keine Hauptfigur kann durchgängig Zu- oder Abneigung des Zusehers an sich binden. Arne Lenkes Prinz nicht, weil uns die Überheblichkeit des jungen Aristokraten unangenehmer aufstößt als seine Todesangst peinlich wäre. Der Fürst von Bernd Braun nicht, weil in seinem Herzen Menschlichkeit von eiseskalter Herrschaftsräson umfangen wird. Maria Munkerts Prinzessin Natalie nicht, denn sie kämpft zäh wie ein junge Mutter Courage um des Prinzen Leben, obwohl sie ihn für seine Flennerei verachtet.

Das alles wird mit leisen Tönen und kleinen Gesten gespielt, in denen das Menschliche als ambivalenter Prozess im Netz gesellschaftlicher Zumutungen fabelhaft zum Ausdruck kommt. Dahinein platzt Rolf Mautz mit einem großartigen Auftritt als Oberst Kottwitz: Von gerechtem Zorn erfüllt, drischt er mit Donnerworten auf das Fürstengesetz ein, das Kadavergehorsam verlangt. Die Herausgehobenheit dieser Szene in Bonn könnte als Vorschlag verstanden werden, die unlösbare Fragestellung Kleists vom Tisch zu fegen. Das mag besser sein, als allweil vom Gnadenakt der Mächtigen zu träumen.                     Andreas Pecht


Infos: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 28. September 2010)

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Theater, Kleist, Prinz Friedrich von Homburg, Heiseke, Bühnen Bonn, Premierenkritik

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