Thema Musik
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2010-10-10 Konzertkritik:

1. Anrechtskonzert mit Rachlin und Maisky – Koblenzer Sporthalle akustisch aufgewertet

 

Klassikgenuss im Ausweichquartier

 
ape. Koblenz . Wie wird die Akustik sein? Mit dieser etwas bangen Frage machten sich am Wochenende gut 1000 Klassikfreunde auf zum ersten Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Instituts in der neuen Spielzeit. Eine Ausnahmesaison: Wegen Umbaus der Rhein-Mosel-Halle muss die größte sinfonische Konzertreihe der Region erstmals seit Jahrzehnten in ein anderes Domizil ausweichen – die Sporthalle Oberwerth.


Und wie ist sie also, die Akustik? Naturton gibt es dort selbstredend nicht, Orchester und Solisten bedürfen der elektronischen Verstärkung. Die damit beauftragten Techniker verstehen ihr Handwerk indes so gut, dass auch der Klangpurist nach dem ersten von sechs in dieser Halle angesetzten Konzerten sagen darf: Der Notbehelf bietet ein durchaus hochwertiges Hörerlebnis.

Gott sei Dank! Denn wie schade wäre es, müsste das musikalische Aufgebot des Abends unter äußeren Bedingungen leiden. In einem Konzert zwei Solisten aus der vordersten Reihe der Weltklasse, das wird einem nicht alle Tage geboten. Der 35-jährige Geiger Julian Rachlin brilliert in Koblenz mit dem Violinkonzert d-Moll von Jean Sibelius, der 62-jährige Cellist Mischa Maisky  mit „Don Quixote“ von Richard Strauss. Orchestraler Partner in beiden Fällen: die Rheinische Philharmonie unter Daniel Raiskin.

Dass das Orchester gut studiert und mit sehr hoher Motivation in das anspruchsvolle Konzert geht, belegt sein Prolog mit Antonin Dvoraks „Karneval“-Ouvertüre. Die hebt an mit einem Furiant, einem tschechischen Volkstanz, der seinem Namen alle Ehre macht. Raiskin lässt  mit großem Gestus voluminös und temperamentvoll aufspielen, verliert aber die Forderung nach feiner Beschwingtheit nie aus den Augen. Schön gearbeitet die naturverbundene Schlichtheit des ruhigen Mittelsteils und von dort der impulsstark schwellende Wiederaufbau der kraftvollen Tanzatmosphäre.

Ohne Maiskys hohe Cello-Kunst auch nur ein Quäntchen schmälern zu wollen: Emotionaler Höhepunkt des Abends ist für die Zuhörer das Sibelius-Konzert mit Rachlin. Spieltechnisch von enormen Schwierigkeitsgrad, gibt es dem Solisten die Möglichkeit, das Spektrum seiner Fingerfertig auszubreiten. Weil Sibelius aber nicht einfach ein Virtuosenstück komponierte, sondern ein gefühlstiefes Werk sinfonischen Charakters, kann der Sologeiger sein überragendes technisches Vermögen in eine zu Herzen gehende Interpretation verwandeln.

Wir erleben orchestral die für Sibelius typische weite, schroffe, oft unheimliche Einsamkeitslandschaft des Nordens. Wir erleben in Korrespondenz dazu geigensolistisch das Ringen eines einzelnen Menschen mit dieser Umgebung wie mit sich selbst. Das ist große Musik, die in menschliche Widersprüche vordringt. Wunderschön und doch schier erschütternd, wenn Rachlin musikalisch mehrstimmige Solopassagen zum inneren Kampf zwischen multiplen Seelenstimmen ausformt. Beglückend, wenn er etwa im Adagio seinem Instrument in unglaublich vollen Tönen herrliche Gesangspoesie entlockt.

Strauss' „Don Quixote“ macht es Mischa Maisky ungleich schwerer, das Publikums zu entflammen. Der Solisten-Part ist weniger dominant als bei Sibelius, die 13-teiligen „phantastischen Variationen“ auf die Cervantes-Geschichte sind in ihren kompliziert arrangierten Tonmalereien auch sperriger.   Dennoch lässt sich in inniger Verflechtung mit dem hochkonzentrierten Orchester umwerfende Cellisten-Kunst erleben. Mal stürzt das Cello mit knarzender Schroffheit den Ritter in den Kampf gegen Windmühlen oder Hammelherde, mal singt es hintergründig süß von Liebe zur erträumten Dulzinea. Schlussendlich macht Maisky aus der Rückkehr des Ritters in die Realität und seinem Tod einen zu Tränen rührenden Moment der Befriedung.                                                                     Andreas Pecht


Infos zum weitere Konzertprogramm (die Konzerte sind auch für Nicht-Abonnenten zugänglich): www.musik-institut-koblenz.de


(Erstabdruck 11. Oktober 2010)

Nachtrag am 12. Oktober:

Es wurd an dieser Kritik zu Recht bemängelt, dass im Abschnitt über "Don Quixote" die Leistung des Bratschers Andreas Sokol keine Erwähnung findet. Immerhin ist die Partie der Solobratsche in dem Strauss-Werk nur unwesentlich kleiner als diejenige des Cellos. Der Kritiker ist in der Eile und wegen des allfälligen Platzmangels für den Zeitungsdruck leider dem "Promi-Effekt" erlegen = schreiberisches Augenmerk bloß auf den Star (Maisky). Dabei gab es an Sokols Leistung nicht nur nichts auszusetzen. Vielmehr lieferte der Solobratscher der Rheinischen Philharmonie als "heimisches Gewächs" eine fabelhafte Arbeit ab. Er war Mischa Maisky ein bemerkenswert souveräner, in der musikalischen Charaktersierung Sancho Pansas treffend und anrührend aufspielender Partner.  (ape)     

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Klassikkonzerte, Musik-Institut Koblenz, 1. Anrecht, Rachlin, Maisky, Raiskin , Rheinische Philharmonie, Kritik
 
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