Kritiken Theater
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2010-10-10a Schauspielkritik:

Filmregisseur Niki Stein verhebt sich im Staatstheater Mainz an Goethes „Iphigenie auf Tauris“

90 Minuten Langeweile

 
ape. Mainz.  Niki Stein gilt seit Jahren zurecht als Filmemacher von Format. Theaterregie ist allerdings Neuland für ihn, und er tummelt sich dort auch recht selten. Fürs Große Haus des Staatstheaters Mainz nahm er sich Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ vor. Ein Stück, in dem wenig passiert, aber reichlich räsoniert  wird: Ob das passender Stoff für einen Mann vom Film ist? Er hat den Fünfakter gleich mal auf Spielfilmkürze runtergeschnitten. Aber selbst 90 Minuten werden einem hier sehr lang.

 
Goethes Stück greift bekanntlich ein Thema aus dem Tantalidenmythos des Euripides auf: Iphigenie, Agamemnons älteste Tochter, wird von der Göttin Artemis auf die Insel Tauris versetzt und so den Mordabsichten des Vaters entzogen. Dort gewinnt sie das Amt der Priesterin und das Herz des Königs. Bald schleicht ihr Bruder Orest nach Tauris, um sich durch Diebstahl der Artemis-Statue und ihrer Priesterin vom Fluch des Muttermordes zu befreien....

Steins Inszenierung versucht atmosphärisch die Anlehnung an antiken Theaterstil. Die Bühne (Michael Rütz) von spartanischer Strenge: graue Säulen, dazwischen eine graue Wand mit Durchgang, dahinter ein Opfertisch mit Rauchschale. Der Tempel ist's. Mal von vorne zu sehen, mal entschwinden die Säulen nach oben, dreht sich die Wand und geht der Blick ins Allerheiligste. Zwei ständig wechselnde Perspektiven: öffentlicher Raum versus ritueller Priesterkammer.

Diese Anordnung macht durchaus Sinn. Darin könnte der Widerstreit zwischen Humanitätsideal und Barbarenkult im Goethe'schen Sinne, vielleicht sogar unter gegenwärtigen Gesichtspunkten,   interessant erspielt werden. Aber genau daran, am szenischen Spiel, scheitert Steins Unternehmen. Auf ihre Kosten kommen wohl bloß diejenigen Besucher, die zufrieden wären mit in traditioneller Manier und sauber rezitierten Jamben der Textvorlage.

Gegen das Korsett der Verse hat die Regie kein Mittel gefunden oder wollte es nicht finden. Folge ist eine extrem statische Spielweise – endloses Herumstehen oder sinnendes Auf-und-Ab-Gehen, unterbrochen von Handlungsmomenten, deren Ausformungen bemüht bis hilflos wirken. Goethe in antikem Stil eben, könnte eingewandt werden. Nur: Wenn schon Museum, dann bitte richtig. Ob's uns freilich über akademisches Interesse hinaus noch was zu sagen hätte, steht dahin. 

Am nächsten kommt in der Titelrolle dem musealen Ideal Nicole Kersten mit ihrer recht traditionellen Art des Spielens. Die unlängst von Bonn  nach Mainz gewechselte Mimin versucht ihre Figur mit engagierter Innerlichkeit irgendwie in der Schwebe zwischen antikem Maskentheater und Weimarer Dramatik zu halten. Lorenz Klee wird ihr als Orest in romantischer Tragöden-Art zur Seite gestellt, und ist damit völlig unterfordert. Die drei übrigen Männerrollen verlieren sich in schauspielerischer Belanglosigkeit. Was bleibt? 90 Minuten Langeweile.


Infos: www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck 11. Oktober 2010)

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Theater, Schauspiel, Staatstheater Mainz, Goethe, Iphigenie auf Tauris, Inszenierung Niki Stein, Premierenkritik


Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken