Kritiken Theater
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2010-11-01a Ballettkritik:

„Imago“: Ballettabend von Thoss und Walerski am Staatstheater Wiesbaden steckt voller Rätsel


Wenn Fantasie sich selbstständig macht


 
ape. Wiesbaden.  Anfang: Vier Männer sind Pablo Picasso, sie ringen wie jener darum, Lebensenergie in Kunst zu verwandeln. Mitte: Junge dreht am Windrädchen und setzt fantastisches Treiben in Gang. Schluss: Schiftstellerin sitzt nachts am Schreibtisch, ihr müder Geist sieht Romanfiguren ein Eigenleben entwickeln. Diese drei unabhängigen Teile des neuen Ballettabends am Staatstheater Wiesbaden hat Compagniechef Stephan Thoss unter den treffenden Gesamttitel „Imago“ gestellt.

 
Das von ihm selbst choreografierte „Poem an Minotaurus“ zu Beginn wurde 2008 in Saarbrücken uraufgeführt. Es ist eine tänzerisch sehr kleinteilige Arbeit, die ihren Halt aus der szenischen Anlage bezieht. In einem übergroßen Bilderrahmen erscheint die unverkennbar auf Picasso verweisende Skizze eines Stieres. Zwei Mädchen tanzen in Kostümen, die an seine Harlekine erinnern, auch andere vom Künstler bekannte Bildelemente tauchen auf. Dazu eine Frau, stellvertretend für alle Frauen, die in Picassos Leben wichtig waren. Miteinander verbinden muss der Betrachter die Elemente selbst.

Die vier Picasso-Tänzer formen mit ihrem um ein Quadrat aus Sitzbänken wirbelnden Ballett nicht verschiedene Persönlichkeitsaspekte. Sie wirken vielmehr wie ein Klonquartett ruheloser Geister, allweil um die Bänke getrieben von der eigenen Fantasie wie von John Adams unaufhörlich drängender Musik. Kunst als nie endender Schaffensdrang, ja -zwang? Thoss greift diesen auch tragischen Gedanken in seinem jetzt uraufgeführten Schlussteil „Nightbook“ erneut auf.

Auf der Vorderbühne spielen, tanzen Ina Brütting und Yuki Mori als Schriftstellerin und ihr Partner   im intimen Raum. Dahinter tauchen erst Videos auf, die sich verändernde Menschen in surrealen Szenen zeigen. Fantasmen, die die beiden im Vordergrund in intensivem Solotanz vorbereiten. Bald lösen opulent ausgestattete Szenen in der Bühnentiefe die Videos ab. Dort tanzen Romanfiguren in Salon, Küche, Bordell, Varieté aus der Reihe, fallen aus der Rolle: Männer sind Frauen, Frauen Männer, die Küchenmagd wird zum Berserker, ordinäre Nutte und ätherische Schönheit spiegeln einander.

Eine absurde, oft auf dem Kopf stehende Welt: Die Kunst entzieht sich ihrem Schöpfer? Thoss lässt den Assoziationen freien Lauf – und den Zuseher bisweilen so ratlos wie einst Beckett und Ionesco. Das ist beim Mittelteil „Mammatus“ inhaltlich ähnlich doch in der Form ganz anders. Die von Medhi Walerski 2008 fürs Nederlands Dance Theater choreografierte Arbeit besticht vor allem durch die Poesie serieller Formationen auf nackter Bühne. Die Compagnie bildet fließende Kollektivgeschöpfe aus, die in Kontrast stehen zum erst beobachtenden, dann eingebundenen Jungen (Fornando Troya), und anderen Einzelgängern. Voller Rätsel dieser „Imago“-Abend, aber recht schön anzuschauen.      Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-wiesbaden.de


(Erstabdruck 2. November 2010)

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Ballett, Staatstheater Wiesbaden, Premierenbesprechung, "Imago", Stephan Thoss, Mehdi Walerski


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