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2011-01-10a:

 

Pfalzgrafenstein bei Kaub am Rhein
 
 

Prolog/Kurzeinführung

ana.
 Was passiert, wenn der Rhein in die Enge gedrängt wird? Er wird wild. Das Engtal zwischen Bacharach und Kaub ist so eine Stelle, die den Fluss zum Schäumen bringt: Auf 250 Meter Breite muss er sich hindurchzwängen, wo er doch ein Bett von 900 Metern gewohnt ist. Was unter Schiffern für Jahrhunderte als gefährliche Passage galt, war diversen Herrschern am Mittelrhein eine sichere Einnahmequelle: Wer den wilden Strom überstehen wollte, musste an Burg Pfalzgrafenstein vorbei.

Wie ein steinernes Schiff ankert die Pfalz bei Kaub auf einem Felsriff mitten im Strom. Zur Eintreibung des Rheinzolls hatte König Ludwig der Bayer die Inselfeste Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut. Dass er sich damit beim Papst und den rheinischen Erzbischöfen unbeliebt machte, konnte dem Wittelsbacher herzlich egal sein. Mit den gut befestigten Städten Kaub und Bacharach demonstrierte Ludwig seine Macht am Rhein. Die neu errichtete Zollburg war das Bindeglied zwischen dem linken und rechten Rheinufer. Und sie war ein Novum: Aus rein wirtschaftlichen Gründen hatte noch niemand zuvor eine Burg am Mittelrhein gebaut. Das macht die Pfalz – neben ihrer ungewöhnlichen Lage und Architektur – so einzigartig.

Wer heute am Rheinufer steht, kann kaum erahnen, wie beherrschend die Stellung von Kaub in Verbindung mit Pfalzgrafenstein für die Schifffahrt am Rhein war. Das Bacharacher Engtal – von dem Menschen im 15. Jahrhundert  respektvoll „wildes Gefähr“ genannt – ist heute ausgebaggert und begradigt. Gefährliche Felsen wurden weggesprengt, die Schiffer können links der Pfalz vorbeiziehen. Doch bis weit ins 20. Jahrhundert war einzig das „Kauber Fahrwasser“ verkehrssicher: eine 110 Meter schmale Passage auf der rechten Rheinseite zwischen der Inselburg und der Stadt. Selbst Generalfeldmarschall Blücher, der hier in der Silvesternacht 1813 den Rhein Richtung Frankreich überschritt, brauchte die Hilfe ortskundiger Lotsen, um die strudeligen Strömungen des Rheins zu überwinden.

Seit 1946 ist Pfalzgrafenstein im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz. In den Jahren 1969 bis 1975 wurde sie komplett renoviert und instand gesetzt, dabei wurde auch das weithin sichtbare Rot-Weiß der barocken Farbfassung wiederhergestellt. Eine kleine Fähre bringt die Besucher von Kaub aus hinüber zur Burg. Drinnen lebt das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit fort. Von der gotischen Ringmauer mit ihren schmalen Schießscharten über die karg möblierte Kommandantenwohnung, die ehemalige Pulverkammer und die düstere Geschützbastion bis hinauf in den Hauptturm führt der Weg. Oben angekommen, weitet sich der Blick. Der Rhein fließt scheinbar ruhig in seinem Bett. Doch man sollte den Strom nicht unterschätzen. Das wusste bereits Ludwig der Bayer. Und schuf so eine der eindruckvollsten Befestigungen des Mittelrheins.


Haupttext:

Eine Burg im Strom der Zeit

Kaub, Rheinkilometer 546. Weinbergterrassen umrahmen das Städtchen. In alten Kellern reift neuer Riesling. Möwen kreischen an der Promenade. Einen Ort von solch strategischer Bedeutsamkeit hatte man sich anders vorgestellt. Bis der Blick hinausschweift auf den Rhein. Hinüber zu einer Burg im Wasser. Sie war Streitobjekt zwischen den mächtigsten Männern im Mitteleuropa des frühen 14. Jahrhunderts. Vielleicht wäre Burg Pfalzgrafenstein ohne die Fehde der beiden sogar nie gegründet worden. Die Namen der Kontrahenten: Ludwig der Bayer aus dem Haus Wittelsbach. Und Papst Johannes XXII., ein zum Pontifex gekrönter Franzose. Worum es ging? Wie so oft in der Geschichte: Es ging um Macht.

„Mitten im Rhein, auf einem Felsen, erhebt sich ein längliches Gebäude über die Wasserfläche, dessen Vorder- und Hinterteil wie Bug und Heck eines Schiffes in den Wellen stehen. Dieses steinerne Schiff, ewig auf dem Rhein schwimmend und ewig vor der pfalzgräflichen Stadt vor Anker, dieser Palast ist die Pfalz“. Der französische Schriftsteller Victor Hugo war verzückt, als er bei seiner Rheinreise 1840 die Burg Pfalzgrafenstein sah. Doch die Formschönheit des Baus ist nicht der ästhetischen Laune eines frühen Architekten geschuldet. Sondern dem Sicherheitsdenken eines bayerischen Pfalzgrafen.

Politisches Kalkül der Pfalzgrafen

Die Geschichte beginnt 1277: Damals wechselt Kaub mitsamt Zollrechten in den Besitz der Pfalzgrafen am Rhein, die wiederum zum Haus Wittelsbach gehören. Ludwig der Bayer erbt diesen Anteil. Jahre vergehen, in denen dieses Erbe keine besondere Rolle spielt – bis Ludwig die Machtfrage stellt. 1314 lässt er sich in Aachen zum römisch-deutschen König krönen. Der Akt ist heftig umstritten, denn in Bonn wird zur gleichen Zeit ein weiterer König auf den Thron gesetzt. Welcher ist nun der wahre Souverän? Ludwig zieht in die Schlacht. Den leidigen Konkurrenten kann er dort besiegen, der Papst aber verweigert ihm die Anerkennung. Ein Affront! Von nun an unternimmt der ehrgeizige Bayer alles, um seine Macht zu zementieren. Dazu zählt auch eine gezielte Städtepolitik.

Überall in Ludwigs Herrschaftsgebiet entstehen in den Folgejahren Städte – eine geschickte Strategie des Königs, um sich die Unterstützung der Bevölkerung zu sichern und territorialpolitische Macht zu demonstrieren. Auch dem Ort Kaub verleiht Ludwig die Stadtrechte. Gleichzeitig verstärkt er die Befestigungsanlage und erweitert die oberhalb der Stadt gelegene Burg Gutenfels. Auch in Bacharach am anderen Rheinufer lässt er die Wehrmauern ausbauen. Ein mächtiges Befestigungssystem entsteht – es fehlt nur noch ein Bindeglied zwischen beiden Flussseiten. Der perfekte Ort dafür liegt in der Mitte. Im Rhein.

Eine Wacht mitten im Rhein

Auf ein Felsriff im Bacharacher Engtal lässt der Wittelsbacher im Jahr 1327 einen 36 Meter hohen, massiven Wehrturm bauen. Keine andere Burg am Rhein hat eine andere vergleichbare Lage. Mitten im Strom, überblickt man vom Hauptturm aus den Rhein über viele Kilometer. Kein Schiff kommt hier unbemerkt vorbei. Und keines kann ausweichen: Sie alle müssen rechtsrheinisch auf einer gerade einmal 110 Meter breiten Passage zwischen dem Inselturm und der Stadt Kaub hindurch. Die Fahrt auf der linken Wasserseite birgt tödliches Risiko. Zu stark ist die Strömung, zu viele Klippen lauern im Wasser. Wer aber passieren will, von dem kassiert Ludwig von jetzt an Zoll - eine der lukrativsten Einnahmequelle überhaupt im Heiligen Römischen Reich.

„Erpressung“ sei das, wütet Papst Johannes XXII. Sein Zorn ist verständlich: Er fürchtet um seine Macht. Es ist ein Streit an der Zeitenwende des Spätmittelalters, der erbitterte Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Vorherrschaft. Und Johannes XXII. findet keine Druckmittel gegen seinen Rivalen. Sogar mit dem Kirchenbann hat er ihn 1324 belegt. Doch Ludwig will einfach nicht klein beigeben. Der Papst ruft nach seinen Verbündeten: Er forderte die Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz auf, den Pfalzgrafen am Rhein zu exkommunizieren. Eine delikate Weisung: Schließlich sind etliche Zollstationen am Rhein in kirchlicher Hand, unter anderem der sogenannte Mäuseturm bei Bingen. Was, wenn der Papst auch diese ins Visier nimmt? Die Reaktionen der geistlichen Landesherren sind entsprechend zurückhaltend.

Wer dagegen auf den päpstlichen Zorn reagiert, ist Ludwig der Bayer: Ab 1339 lässt er eine zwölf Meter hohe Ringmauer um den Zollturm ziehen, mitsamt Schießscharten und Wehrgang. Eine mächtige Eichenholztür an der Nordseite erlaubt den einzigen Zutritt, der zusätzlich durch ein Fallgitter gesichert war. Aus dem Wehrturm ist 1342 eine wehrhafte Burg geworden: Pfalzgrafenstein.

Ein Bauwerk, das die Zeiten überdauert

Wer die Zollfeste heute besucht, steht einem Bauwerk gegenüber, das in seinen Grundzügen den Erfordernissen der Zeit angepasst, in ihrem Kern aber niemals verändert wurde. Unterhalb des Fallgitters geht es hinein in den Innenhof mit Pulverkammer und Brunnen, dessen Mittelpunkt damals wie heute der Bergfried von 1327 bildet. Im Inneren der gotischen Ringmauer verlaufen zwei Wehrgänge – jener aus der Zeit Ludwigs und ein zweiter aus dem 17. Jahrhundert, markant durch seine hölzerne Verkleidung und Arkadenbögen aus Stein. Seit 1658 sind dem alten oberen Wehrgang vier Erker aus Holz und Schiefer vorgesetzt werden und sorgen für Ausblicke in alle Himmelsrichtungen, den mittelalterlichen Turm krönt seit 1714 eine barocke Laternenhaube.

Ausstellungsstücke im Burginneren lassen erahnen, unter welchen Bedingungen die Menschen im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit lebten. An offenen Feuerstellen haben sich die Zollwachen gewärmt, die wenigen Innenräume sind karg eingerichtet – gelebt hat auf Pfalzgrafenstein nie jemand. Selbst die Kommandantenwohnung mit ihren paar Stühlen, Tischen und Holzschränken sieht nicht nach einer dauerhaften Wohnstatt aus. Berührend ist das Fragment einer Spieltafel aus Schiefer, aufbewahrt hinter Glas auf der Geschützbastion – ein Hinweis auf die Stunden voller Warterei, die zum Alltag der Wachen gehörten.

Alleine im Dreißigjährigen Krieg herrschten in Kaub immer neue Herren: 1620 die Spanier, 1632 die Schweden, 1635 Hessen-Darmstädter, 1647 Hessen-Kasseler. Und die Zollkasse war stets eine begehrte Beute. Dabei war Pfalzgrafenstein nicht die eigentliche Zollstation – Schiffe konnten wegen der starken Strömung gar nicht anlegen. Ankerplatz war in Kaub beim Beginn der heutigen Zollstraße. Hier stand ein Kran zum Ausladen der Ware, und im benachbarten Stadtturm – heute durch den Bahndamm und die Straße vom Rhein getrennt – arbeiteten die Zöllner. Auf Pfalzgrafenstein war nur eine Wache stationiert, im 18. Jahrhundert 20 bis 24 Mann stark. Ihre Aufgabe war es, Schiffe frühzeitig zu orten und durch einen Trompetenruf, später das Läuten einer Glocke, zum Halten aufzufordern. Ein gewaltsamer Stopp der Schiffe gestaltete sich allerdings schwierig. Zumindest, wenn sie mit dem Strom unterwegs waren. Leichter war es, wenn die Schiffe flussaufwärts fuhren. Dann mussten sie vom Ufer aus mit Muskelkraft gezogen werden. Das so genannte Treideln machte die Schiffe langsam und leichter beherrschbar.

Das „steinerne Schiff im Strom“

Der hartnäckigste Widersacher der Inselfestung jedoch waren weder Mensch noch Schiff, sondern der Rhein selbst. Hochwasser und Eis beschädigten Fundament und Mauerwerk über die Jahrhunderte teils erheblich. Deshalb baute man zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Schutz einen spitzen Vorbau aus kräftigen Sandsteinblöcken, im 18. Jahrhundert „die Eysbrech“ genannt. Die Verstärkung der Burgspitze hat das einzigartige Bild eines „steinernen Schiffes im Strom“ mit geprägt und vielen Hochwassern und Eisschollen getrotzt, während in Kaub oder Bacharach die Menschen vor dem Eis fliehen mussten. Und doch gab es Zeiten, als sich selbst die Burg dem Rhein geschlagen geben musste. Exemplarisch steht dafür der Januar 1850. In diesem kalten Winter legte sich der Strom wie ein Panzer aus Eis um die Ringmauer. Mit jeder Stunde stieg er höher empor. Das Wappentier in gut zwölf Metern Höhe, ein goldener kurpfälzischer Löwe, hatte keine Chance: Das Eis schlug ihm das Schwert aus der Pranke. An diesem Tag kassierte der Rhein seinen Zoll.

Abseits solcher Reibungsverluste ist Pfalzgrafenstein niemals beschädigt oder zerstört worden – wohl wegen der strategischen Bedeutung als ergiebige Geldquelle. Heute ist die Pfalz neben der Marksburg die einzige vollständige erhaltene Burg im UNESCO-Welterbe am Mittelrhein. Am benachbarten rechten Ufer ging die Sache weniger glücklich aus: 1806 gab Napoleon, der neue Herrscher am Rhein, den Befehl, Teile der Burg Gutenfels oberhalb von Kaub zu sprengen. Angeblich hatte man den Kaiser dort nicht gebührend mit Böllerschüssen begrüßt. Die Pfalzgrafenstein allerdings verschonte „le petit coporal“, wie der kleine Korporal der französischen Revolution hinter vorgehaltener Hand genannt wurde: Auf die Sicherung der Zolleinnahmen mochte auch  Napoleon nicht verzichten. Die Burg allerdings sollte für sein späteres Schicksal allerdings auf ganz andere Art bedeutsam werden. 

Blücher setzt Napoleon nach

Denn am Anfang des 19. Jahrhunderts wird der Rheinkilometer 546 wieder zum Schauplatz eines Kampfes um Macht im Herzen Europas. Die Kontrahenten diesmal: Preußen gegen Frankreich. Mann der Stunde ist ein deutscher Generalfeldmarschall mit kräftigem Schnauzer: Gebhard Leberecht von Blücher. Seit Wochen ist er auf dem Marsch gegen Napoleons Truppen. Mehrere Schlachten hat er gewonnen und die „Grande Armée“ bis über den Rhein zurückgedrängt. Blücher will nachsetzen. „General Vorwärts“, wie die Soldaten ihn nennen, wagt es dort, wo die Insel den Strom unterteilt.

Von russischen Pionieren lässt eine Brücke bauen aus allem, was schwimmen kann: Jedes Scheunentor und jeder Fensterladen in Kaub wird ausgehängt und zweckentfremdet. Die Holzplanken werden zusammen mit Leinwandpontons zu einer Brücke zusammengezurrt. Pfalzgrafenstein nutzt Blücher als Zwischenstation. In der Silvesternacht 1813 startet der Versuch Und er gelingt: In fünf Tagen hat gesamte Heer das Bacharacher Ufer erreicht. Zusammen mit der Völkerschlacht von Leipzig markiert Blüchers Rheinübergang bei Kaub den Anfang vom Ende der Ära Napoleon.

Erst 1866 endet die Geschichte der Pfalzgrafenstein als Zollstation. Für weitere 100 Jahre findet sie eine neue Bestimmung - als Signalstation und Orientierungspunkt für die motorisierte Schifffahrt. Am rechen Rheinufer stehen Rheinlotsen bereit, um Schlepper, Frachter und Schuten sicher an Felsriffen vorbei zu manövrieren. 1976 dann wird der Rhein ausgebaggert, Riffs werden weggesprengt, die Fahrrinne verbreitert. Ab jetzt führt der Wasserweg dort entlang, wo es all die Jahrhunderte viel zu gefährlich war: links an Pfalzgrafenstein vorbei. Es wird ruhig im Kauber Fahrwasser. Es ist das Ende einer Schifffahrtspassage, die über Jahrhunderten gefürchtet und respektiert war. Und auch die Rheinlotsen verschwinden: Die aufkommende Radartechnik macht sie überflüssig.

Wo einst Zöllner Händler zum Halten zu zwangen, wo General Blücher Mensch und Tier über den eisigen Strom schickte und bis in die 60er-Jahre Schiffe von ortskundige Lotsen geführt werden mussten: Da verkehrt heute eine kleine Fähre. Alle 30 Minuten bringt sie Besucher aus Kaub hinüber zur Inselburg. Es ist eine kurze Fahrt, die einer Zeitreise gleicht: Auf Pfalzgrafenstein hat die Moderne niemals Einzug gehalten. Bis heute gibt es auf der Burg weder elektrischen Strom noch Toiletten. Dafür aber reichlich Mittelalter.                                           Andrea Mertes/Andreas Pecht


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