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2011-02-06 Schauspielkritik:

"Tod eines Handlungsreisenden": Mainzer Intendant Fontheim stellt starke Inszenierung in Bonn auf die Bühne

Unerreichbarer Erfolg
als irres Maß aller Dinge


 
ape. Bonn. Der Intendant des Mainzer Staatstheaters hat am Theater Bonn „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller inszeniert. Was dort am Wochenende zu sehen war und nach 110 Minuten mit Recht lebhaft beklatscht wurde, belegt einmal mehr: Schauspielregie ist Matthias Fontheims ureigentliches Metier. Und: Das Hinführen der Schauspieler zu intensivem, vielschichtigem, unverkünsteltem Charakterspiel ist seine Stärke. Der Sozialklassiker von 1946 funktioniert in Bonn durch Spielart und sorgsame Eingriffe in den Text als aufrüttelndes Gegenwartsstück.


Marc Thurow hat für die Inszenierung einen bühnenbreiten, hinten, oben und an den Seiten geschlossenen, nur zwei Meter tiefen, leeren Edelstahlkasten gebaut. Mit der offenen Vorderseite steht die Kiste dicht an der Rampe, davor ein schmaler Streifen Erde. Das Spielpersonal sitzt in der ersten Zuschauerreihe. Von da tritt es auf, zieht sich da auch um. Eine Sackgasse als Spielraum: Man steigt auf der einen Seite hinein, kann aber auf keiner anderen hinaus. Was auf der Bühne geschieht, kommt aus der Zuschauerwelt und muss in diese auch wieder zurück.

Folglich treten hier Leute von heute auf. Willy Lomann ist kein ausgemergelter betagter Vertreter in piefigem Anzug. Hendrik Richter trägt in der Titelrolle Jeans und offenen Hemdkragen unterm Jacket, geht als 50-Jähriger durch. Gattin Linda passt mit moderner Bob-Frisur und in Knack-Jeans als Frau unserer Tage an seine Seite. Nämliches bei den Söhnen: Biff abgeschlafft im schlabbrigen Trainingsanzug, Happy als hemdsärmeliges Großmaul.

Einfache Menschen, die ihre liebe Not mit dem Alltag haben. Denn selbst für ein bescheiden kleinbürgerliches Leben reicht kaum, was der Handelsreisende verdient. Doch Willy hängt sich allweil an die Illusion, schon am nächsten Tag zum Erfolgsmensch zu mutieren. Und er pflanzt die Illusion auch dem Biff ins Hirn, sieht in ihm und fordert von ihm den kommenden Geschäftsmann – den Tellerwäscher, der Millionär wird, den Superstar, der seiner Herkunftsklasse entsteigt. Aber die  Verhältnisse sind nicht so, und weder Biff noch Willy noch Millionen anderen ist es gegeben, sich darüber hinwegzusetzen. 

Fontheims Inszenierung verdichtet das Stück so stark, dass die ohnehin vagen Übergänge zwischen der Haupthandlung und Willys Erinnerungen völlig verschwinden. Derart entsteht eine komplexe Parabel auf den Wahn der Gegenwart, jeder könne alles erreichen, wenn er sich nur richtig vermarktet. Henrik Richter, Nina V. Vodop‘yavona, Oliver Chomik (Biff), Birger Frehse (Happy)  in Bonn zuzusehen, wie sie ihre Figuren sich abstrampeln lassen, das erhellt: Wir bauen unsere Hoffnungen auf eine große Lüge, weil wir das für die meisten Menschen Unerreichbare als Maß der Dinge betrachten. Ein Irrwitz, an dem man nur scheitern kann. Wie Willy, der in Bonn am Ende als völlig entblößte Kreatur sich ins selbst gegrabene Grab stürzt.                                 Andreas Pecht


Infos: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 6. Woche im Februar 2011)

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