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2011-03-13a Kommentar:

Zum Kernkraftwerks-GAU in Japan

 

Atomstrom ist ein feindliches Element
mitten in unserer Welt

 

ape. 
Die japanische Katastrophe stürzt uns in tiefe Nachdenklichkeit. Zumindest sollte sie das. „Uns“ meint: Alle, die sich auf dem Pfad zur globalen Hochtechnologie-Gesellschaft bewegen. Also die Menschheit als Ganzes. Denn diese Katastrophe ist keine, die bloß unsägliches Leid über Zehntausende Japaner bringt. Darüber hinaus wirft sie Grundfragen auf, die einen neuralgischen Punkt im Selbstverständnis der modernen Zivilisation treffen.

Die Ereignisse machen zwingend deutlich: Selbst fortgeschrittenste Technologie führt nicht etwa   zur Beherrschung der Natur. Japan demonstriert vielmehr auf schmerzhafte Weise das schiere Gegenteil: Grenzen des Machbaren. Und wer sie, aus welchen guten oder schlechten Gründen auch immer, überschreitet, begibt sich in Gefahren, deren er schließlich nicht mehr Herr wird.

Natürlich kann man sagen, was in Japan geschehen ist, sei eine extrem seltene Verkettung unglücklicher Umstände: Ein gewaltiges Ausnahme-Erdbeben schaltet Atomkraftwerke auf Notbetrieb; darauf folgt ein enormer Ausnahme-Tsunami, der den Notbetrieb außer Gefecht setzt. Mit dem Ergebnis, dass die Meiler durchgehen. Unglückliche Umstände aber sind das Wesen von Katastrophen. Würden sie sich an ein vorhersehbares, geregeltes Szenario halten, wir erlebten sie nicht mehr als Katastrophen.

Für Erdbeben und Tsunami kann keiner was. Der Planet bewegt sich, schüttelt sich, bebt. Das ist seine Natur, daran lässt sich nichts ändern. Der Mensch kann nur eines tun: Durch kluge Anpassung die Zahl der Opfer im Fall der Fälle möglichst gering halten. Wo die Zivilisation sich aber über das Gebot zur Anpassung an die Regeln der Natur hinwegsetzt und gegen sie, statt mit ihr arbeitet, da wird früher oder später eine sehr hässliche Rechnung präsentiert. Die heißt heute: GAU in Fukushima.

Wäre das AKW Mülheim-Kärlich noch in Betrieb, man müsste es jetzt abschalten. Warum? Es verstieße gegen das Gebot zur Anpassung. Weil es auf Erdbeben-gefährdetem Gebiet steht und in Japan soeben bewiesen wird, dass selbst die dort hochentwickelten Erdbebensicherungen vor „Verkettungen unglücklicher Umstände“ nicht schützen. Das beim Tschernobyl-GAU oft bemühte Argument von der russischen Nachlässigkeit und Rückständigkeit in Sicherheitsfragen, es zieht im Falle Japan nicht. Die japanischen Standards entsprechen im Großen und Ganzen den deutschen.

Wer kann garantieren, dass die hiesigen Beben so schwächlich bleiben, wie sie die letzten paar Generationen waren? Niemand. Wer kann völlig ausschließen, dass sich auch in deutschen Kernkraftwerken Umstände verketten, an die – wie in Japan – bislang kein Mensch gedacht hat? Niemand. Im günstigsten Fall gelten „nach menschlichem Ermessen und Stand der Technik optimale Sicherheitsbedingungen“. Das ist vage, alles Übrige: Restrisiko – und Atommüll, mit dem sich die Nachgeborenen noch in der 50. Generation herumschlagen müssen.

Restrisiko? Das klingt so harmlos. Tatsächlich steckt in diesem Wort die ganze Hybris des Zauberlehrlings, der Geister ruft, die er nicht beherrschen kann. Die er nie wird beherrschen können, weil sie keinen Fehler durchgehen lassen. Weil die Folgen eines einzigen menschlichen Irrtums, einer übersehenen Materialschwäche oder einer unerwarteten äußeren Einwirkung furchtbarste Folgen für unzählige Menschen, riesige Gebiete und über Generationen haben können.

Atomunfälle sind der Sonderfall unter allen denkbaren Unfällen auf Basis menschlicher Technologie. Wegen ihrer Folgenschwere kann als entscheidendes Kriterium nicht gelten, wie häufig oder selten sie eintreten. Das Maß der Dinge ist in diesem Fall: Sie dürfen überhaupt nicht eintreten. Wer aber wollte oder könnte das garantieren? Niemand. Es sei denn, wir schalten die Meiler endgültig ab – in dem unzweifelhaften Wissen, dass kein Mensch unfehlbar ist, keine Technik vor Ausfall gefeit und die Systematik der Natur nicht nach Gutdünken oder Ökonomieinteresse umgehbar.

Ja, wir können Atomkraftwerke bauen und Strom damit erzeugen. Sie sind also machbar? Nein. Denn wir kriegen es nicht hin, sie in die natürliche und gesellschaftliche Umwelt einzufügen, ohne uns selbst und unsere Nachkommen zu gefährden. Das macht den Atomstrom per se zum feindlichen Element in Natur und menschlicher Kultur. Alles Gerede von Energiesicherheit, gar sauberer Zukunftsenergie durch Kernkraft, ist entweder blinder Zweckoptimismus oder eben: Hybris – Größenwahn.                            
                                                                                   Andreas Pecht
                       


(Erstabdruck 14. März 2011)

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