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2011-03-22 Schauspielkritik:

Klaus Weise inzenierte in Bonn "Geschichten aus dem Wiener Wald" von Horváth

Manieriertes Schmuddelelend 


 
ape. Bonn. Leicht tun sich die Regisseure heute nicht mit Ödön von Horváths Volksstück „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von 1931. Der frühere Bonner Generalintendant Manfred Beilharz beließ es vor einigen Wochen in seinem Wiesbadener Staatstheater schlicht bei einem pittoresken „es war einmal“. Sein Nachfolger in Bonn, Klaus Weise, hievt das Sozialdrama jetzt demonstrativ in die Gegenwart: Aus dem verarmten Wiener Kleinbürgerbezirk der 30er wird in der Schauspielhalle Bonn-Beuel ein neuzeitlicher Prekariats-Brennpunkt.

 
Beides funktioniert nicht richtig. Beilharz blieb das Bemühen schuldig, zu erhellen, was das Stück zum Heute beitragen könnte. Weises Inszenierung kommt da auch kaum weiter. Nach einer durchaus intensiven ersten Hälfte verplätschert der gut zweieinhalbstündige Abend in lethargischer Hoffnungslosigkeit. Spielort ist in Bonn eine heruntergekommene Ladenzeile (Ausstattung: Dorothea Wimmer), wie sie in den 80ern quadratisch-praktisch viele Stadtteile verpasst bekamen. Auf der Bühne fristen dort die Menschen ein ebenso perspektivloses Dasein wie Metzgerei, Zauberladen, Kiosk, Spielhalle und Pornoshop mit Handbetrieb.

Beilharz blieb gleich ganz bei Zeitkolorit und historischen Typen von Horváth. Weise stülpt einfach heutige Staffage und Spielweise drüber. Textlich greifen beide nur wenig in das Stück ein, was in Bonn zu Problemen mit der Authentizität der Figuren führt. Nazi Erich (Birger Frehse) schafft‘s nicht zum Neonazi, Kioskbesitzerin Valerie (Nina V. Vodop‘yanova) verfängt sich zwischen Nutte und Vorstadtmatrone; beide wirken, als hätten sie sich in der Zeit verlaufen.

Das Bonner Problem wird auch an der musikalischen Dauerberieselung deutlich: Altwienerische Schrammeln vermengt mit aktuellem Pop – viel Beliebigkeit, die sich zu sinnfälliger Ambivalenz nicht verbinden will. Dabei wird hier in einigen Rollen teils sehr gut geschauspielert. Tanja von Oertzen gibt knarzend eine bigotte Großmutter von diabolischer Bosheit, Arne Lenk in krankhaft stoischer Ruhe den in Selbstgerechtigkeit schwimmenden Metzger.

Die ihm versprochene, sich aber am Verlobungstag aus seiner Umklammerung „befreiende“ Marianne von Anastasia Grubavera ist als trotziges, freches, naives und verletzliches Girl dennoch der einzig echte Mensch im Spiel. Sie bleibt am Tunichtgut Alfred (Nico Link) hängen, haust mit ihm und Säugling in einer leerstehenden Zelle der Ladenzeile. Nachher stößt er sie als Hilfskraft an den Pornoladen ab.

Aber da bewegt sich in Kopf und Herz des Betrachter schon nicht mehr viel. Und fast entgeht ihm  zwischen der zusehends in Phlegma versinkenden Elendstristesse etwas Wichtiges: Die bei allen Figuren immer wieder schwach aufscheinenden Momente des Sehnens nach einem Häppchen  Glück. Die hat Weise ganz dezent eingearbeitet. Doch sie werden leider schier erdrückt vom Manierismus des düsteren Schmuddelschinkens.  Freundlicher, aber bald erschöpfter Beifall am Premierenabend.
                                                                                       Andreas Pecht

Infos: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 23. März 2011)


Siehe auch:
2011-01-30 Schauspielkritik:
"Geschichten aus dem Wiener Wald" am Theater Wiesbaden. Regie: Manfred Beilharz


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