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2011-04-01 Feature:

Die Festung Ehrenbreitstein (im Koblenzer BUGA-Jahr)



Einstiges Preußen-Bollwerk am Rhein wird kulturhistorische Erlebniswelt 


ape. Koblenz. „Größte Festungsanlage nach Gibraltar.“  „Bedeutendster Wehrbau der Preußen in ihrer  Rheinprovinz.“ „3000 Jahre wehrhaft befestigtes Areal“. „Bindeglied zwischen zwei UNESCO-Welterbegebieten.“ Das sind einige der gebräuchlich gewordenen Superlative zur Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Rheinland-Pfälzer benutzen sie gern: Denn eine Rarität wie die preußische Großfestung hoch über dem Rhein besitzt weit und breit sonst niemand. Mehr noch: Das rechtsrheinische Höhenbollwerk und das direkt gegenüberliegende „Deutsche Eck“ am Zusammenfluss von Rhein und Mosel sind als Gesamtensemble das, wonach sich touristisches Marketing allenthalben die Finger leckt – ein  international unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal.


Diese Örtlichkeit zog schon im 19. Jahrhundert Touristen, Bildungsreisende, Künstler zuhauf an. Von April bis Oktober 2011 wird der Besucherstrom nun in wohl nie erlebtem Ausmaß anschwellen. Den Grund symbolisieren zwei Bilder, die jüngst durch die Presse gehen: eine neue Seilbahn quer über den Rhein, deren Gondeln im Minutentakt Menschen vom Deutschen Eck hinauf zur Festung Ehrenbreitstein bringen; sowie eine historische Festungskanone, aus deren Rohr ein bunter Blumenstrauß lugt. Beide Bilder verweisen darauf, dass Koblenz in diesem Jahr  Austragungsort der Bundesgartenschau (BUGA) ist. Sie demonstrieren zugleich, dass der Festung Ehrenbreitstein dabei eine Hauptrolle zufällt. Ihr Vorfeld auf der Höhe, das Festungsplateau, ist das größte der drei BUGA-Areale (neben Park und Rheinpromenade am Kurfürstlichen Schloss sowie Umfeld des Deutschen Ecks). Die gewaltige Festung selbst ist als nunmehr friedlicher kulturhistorischer Erlebnisraum,  Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum eine Gartenschau-Attraktion eigener Art.

Es sei  erinnert, dass dies ohne den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz unmöglich wäre – weil die 1817 bis 1828 von den Preußen errichtete Festung Ehrenbreitstein ohne dessen Engagement gar nicht mehr existieren würde. Denn nach dem Ersten Weltkrieg hätten gemäß Versailler Vertrag alle Festungsanlagen in einem 50 Kilometer tiefen Streifen rechts des Rheins zerstört werden müssen. Der Rheinische Verein erreichte damals im Verbund mit der Stadt Koblenz, dem Provinzialkonservator der Rheinprovinz und dem kultursinnigen US-General Henry T. Allen etwas Außerordentliches: Die Festung Ehrenbreitstein wurde wegen ihrer kulturellen und landschaftsprägenden Bedeutung von der Schleifung ausgenommen. Damit ist sie das einzige unzerstörte Zeugnis der sogenannten „neupreußischen Festungsmanier“ am Rhein.

Verbindung zwischen zwei UNESCO-Welterben  

Zurück zu den erwähnten Superlativen. Es handelt sich dabei mal nicht um bloß wohlfeile  Werbeslogans, sondern zumeist um Tatsachen. Ein Beispiel: In Koblenz beginnt das sich stromaufwärts bis Bingen und Rüdesheim erstreckende „obere Mittelrheintal“, das 2002 von der UNESCO den Welterbestatus erhielt. Festung Ehrenbreitstein und Deutsches Eck bilden die nördliche Pforte der „rheinromantischen“ Kulturlandschaft. Unweit der Festung verläuft  rechtsrheinisch der „obergermanische-rätische Limes“, 2005 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Die Festung Ehrenbreitstein verknüpft topographisch die beiden Welterbe-Gebiete. Zugleich stellt sie   kulturhistorisch eine ideelle, nach Archäologie-Befunden sogar recht handfeste, Verbindung von der Spätantike ins 19. Jahrhundert dar.   

Grabungen im Festungsbereich förderten vor kurzem Überreste eines spätrömischen Burgus aus der Zeit 250 bis 450 n. Chr. zutage. Diesen Bau sieht man bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz im Kontext mit dem Limes als besondere örtliche Sicherungseinrichtung der Römer. Wofür? Für Moselmündung, römische Fernstraßen, spätantiken Brückenkopf über den Rhein sowie nahe Erzvorkommen. Also nicht erst die Preußen schätzten die strategische Lage des  dreiseitig von Steilhängen geschützten, zum fast 200 Meter hoch gelegenen Plateau ansteigenden Ehrenbreitstein-Areals. Dass ihre Festung auf den Ruinen eines kurtrierischen Vorläufers steht, war bekannt. Fast 800 Jahre hatten die Trierer Bischöfe/Kurfürsten Ehrenbreitstein als ihr Machtzentrum am Rhein genutzt. Deren zwar mehrfach ausgehungerte, aber nie erstürmte Festung fiel 1801 französischen Sprengkommandos zum Opfer.

5000 Jahre besiedelter Ort, 3000 Jahre wehrhaft befestigt

Schon lange vermuten Historiker, dass der Ehrenbreitstein bereits in antiker, womöglich sogar in vorantiker Zeit besiedelt war. Einen strategisch so exponierten Ort wie diesen mit seinem weiten Blick hinein in die Täler von Rhein und Mosel, hinüber ins Neuwieder Becken, hinauf zu den Höhen von Eifel und Hunsrück mussten sich die Menschen auch früherer Epochen  nutzbar gemacht haben. Allein, die Beweise fehlten – bis eine archäologische Grabungskampagne anno 2003/2004 quasi im Keller der Preußenfestung auf besagten römischen Burgus stieß. Und nicht nur auf den. Es kamen immer weiter zurück datierbare Zeugnisse zum Vorschein. Eisenzeitliche Kulturen bis 100 v. Chr. hatten Spuren hinterlassen, die mittlere und späte Bronzezeit von 1800 bis 900 v. Chr. war vertreten. Die ältesten Funde waren gar einer Zeit um 3000 v. Chr. zuzuordnen. In summa: 5000 Jahre Besiedlung des Ehrenbreitstein sind nun belegt.  

Obendrein kamen Reste eines Palisadengrabens ans Licht, die beweisen, dass es hier bereits um 1000 v. Chr. einen wehrhaft befestigten Adelssitz gab. Dieser Befund nun verbindet sich mit den Erkenntnissen über nachherige römische, mittelalterliche, kurtrierisch-barocke und preußische Befestigungen am Ort für die Fachleute der GDKE zu dem Schluss: Wir haben es auf dem Ehrenbreitstein mit einer 3000-jährigen Kontinuität der „Fortifikation“ (militärischen Befestigung) zu tun. Eine solch lange, durchgängige Befestigungsgeschichte ist bislang sonst nirgendwo in Deutschland nachgewiesen. Das Grabungsfeld im Untergrund der „Großen Traverse“ wird mitsamt historischen Folgerungen von diesem Frühjahr an den Festungsbesuchern mittels einer dauerhaften räumlichen und multimedialen Inszenierung am Ort vorgestellt.

Kriegsmaschine und schlossartige Residenz

Wer die Festung Ehrenbreitstein kennt, aber einige Zeit nicht mehr dort war, den erwarten bei einem Wiederbesuch etwa anlässlich der Bundesgartenschau mannigfache Neueindrücke. Nicht, dass die    Struktur der Festung verändert worden wäre. Nach wie vor beeindruckt der vom Rheinniveau den Berg hinauf aus dem Fels wachsende und ins Höhenplateau hineinwuchernde Komplex durch seine eigentümliche Mischung aus martialischer Militäranlage und teils schlossartiger Residenz. Einerseits die lichte Weite des Oberen Schlosshofes, umrahmt von ansehnlich herausgeputzten Gebäuden. Andererseits die kalte Wucht und Logik der Kriegsmaschine:  meterdicke, himmelhohe Wehrmauern. Graben, Mauer, Geschützstellung. Noch ein Graben, noch eine Mauer, noch eine Batterie. Und dahinter das gleiche noch einmal. Ein tief gestaffeltes, raffiniertes Verteidigungssystem.

Generalsanierung zur Gartenschau abgeschlossen

Aber die Festung erlebt seit einigen Jahren eine Generalsanierung, die im Hinblick auf die BUGA  zuletzt einen gewaltigen Schub bekam. Dabei ging es keineswegs bloß um Aufhübschung, sondern vor allem um Sicherung respektive Restaurierung der historischen Substanz sowie wissenschaftliche und bauliche Erschließung oft seit Jahrzehnten kaum beachteter Festungstrakte und Funktionsaspekte. Zwei von vielen aktuellen Veränderungen seien genannt. Erstens: Bisher für Besucher unzugängliche Bereiche wurden saniert und nach jüngsten Forschungsständen zum Erlebnismuseum für die Festungsgeschichte aufgerüstet. Zweitens: Vier Verbindungsbrücken auf Obergeschoss-Niveau  wurden wiedererrichtet. Sie reaktivieren einst vorhandene Hochübergänge zwischen verschiedenen Festungsteilen, komplettieren so das Wegesystem zum ursprünglichen, taktisch und logistisch schlüssigen Gesamtmechanismus.

Die Festung Ehrenbreitstein hat als Kriegsmaschine längst ausgedient. Ihre allmähliche Verwandlung in einen öffentlichen Ort friedlicher Begegnung und kulturhistorischen Erkenntnisgewinns begann schon vor mehr als 50 Jahren mit der Einrichtung des Landemuseums Koblenz dort. Nachher folgten Jugendherberge, Landesarchäologie, Schlösserverwaltung, Fotografische Landessammlung... 2011 nun macht die Festung den Schritt zur komplexen Erlebniswelt, die kulturelles Erbe ebenso ernsthaft wie in zeitgemäßer Lebendigkeit einem breiten Publikum vermitteln will. Die Bundesgartenschau ist willkommener Partner auf Zeit. Die Schau wird am 16. Oktober vorbei sein –  das jetzt gewonnene Erschließungsstadium und kulturhistorische Vermittlungspotenzial der Festung bleibt.                Andreas Pecht

Infos:  www.diefestungehrenbreitstein.de


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