Thema Kultur  / Vermischtes
Thema Initiativen / Institutionen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2011-04-19 Reportage/Feature:

BUGA Koblenz 2011: Ein ganz persönlicher Rundgang -

Eindrücke, Gedanken, müde Beine


Stelldichein mit der Bundesgartenschau



ape. Koblenz. Es herrscht endlich Normalbetrieb auf der Koblenzer Bundesgartenschau. Damit ist die rechte Zeit für die eigentliche Begegnung mit der BUGA gekommen. Für den persönlichen Rundgang – ohne Bundes- und Ministerpräsident, ohne auswärtigen Pressetross, ohne Eröffnungsfeierlichkeit und Regionalhonoratioren zuhauf. Seit‘ an Seit‘ mit zahlendem Besuchervolk starte ich am Haupteingang Schloss. An den Füßen Wanderschuhe, im Sackerl Fotoapparat, Wasserflasche, Stulle und Sonnencreme. Man weiß ja nie. Mitgebrachter Vorsatz: Vergiss allen Disput aus dem Vorfeld, sieh ab von Gedanken an die Folgezeit, kümmere dich weder um ökonomisches Kalkül noch um lokalpatriotischen Überschwang. Heute zählt bloß, was zwischen dem Gesamt(kunst)werk BUGA und dir allein abgeht.

Gleich hinterm Eingang der erste Eindruck: Helligkeit, Frische; Pracht auch, die herströmt von den repräsentativ strukturierten, üppig bepflanzten und in Farben explodierenden Blumenbeeten. Historisches Schloss mit jüngst gestyltem Park davor, rosig wie Babyhaut. Hübsch das. Ein bisschen befremdlich: Im Park alles neu, deshalb jung, knackig, ebenmäßig, makellos; wie neugeboren oder gerade vom Himmel gefallen. Zwischen kindhafter Flora spielen Kinder. Beiden steht die Erfahrung von Vergänglichkeit erst noch bevor. Links drüben haben sich Grüppchen an der endlos langen Schreinertafel niedergelassen; einander Fremde schwatzen miteinander. Eine famose Einrichtung für spontane Kommunikation, dieser Riesentisch. Weiter hinten eine Wasserfläche von irritierender Glätte, wie Spiegeleis. Ganz vorne beiderseits des kerzengeraden Hauptweges ein strammes Spalier zartjunger Bäumchen.

Zivilisierte Natur

Bäumchen? Wie sie da in ihren betongrauen Ovalbütten mit zweidimensional hingestutzten Geäst Parade machen, erinnern die Grünlinge eher an künstliche Skulpturen denn Naturgewächse. Bei solchem Anblick kann ich nicht anders, als eine Frage aufzuwerfen. Sie wird mich den BUGA-Rundgang über nicht mehr verlassen: Was ist ein Garten? Das herausgeputzte Schloss (gebührend beeindruckt) durchschritten, drängen sich beim Blick von den hinteren Treppen über die zu Füßen liegende rheinseitige Gartenanlage zwei Definitionen auf. Erstens: Garten ist vom Menschen unterworfene, zwangszivilisierte, in Form gepresste, planmäßig dienstbar gemachte Natur. Zweitens: Garten ist kultivierte, aufgewertete, ästhetisierte, in Architektur verwandelte Natur; dem Menschen zum Nutzen und Gefallen.

In der Sache unterscheiden sich beide Definitionen kaum. Die Bewertung macht den Unterschied. Und die hat eine Menge mit Geschmack zu tun – worüber sich trefflich, weil vergeblich, oder eben gar nicht streiten lässt. Ich selbst muss mich jedenfalls damit abfinden, dass der BUGA-Rundgang herzlich wenig mit einem Spaziergang durch Wald und Flur gemein hat. Gartenschau ist primär nicht Naturerlebnis, sondern Leistungsschau handwerklicher, teils auch künstlerischer Umformung und Inszenierung von Natur. Künstlichkeit ist das Wesen der BUGA, nicht Natürlichkeit, schießt es dem Flaneur unterwegs zur Rheinpromenade durch den Kopf. Gartenschauen stehen Theater und Museum, Messe und Jahrmarkt näher als dem Urwald. Schade? Wie es jedem gefällt.

Der Sündenfall

Gut, das begriffen zu haben – die Erwartungshaltung verändert sich dadurch beträchtlich. Was das Urteil über den zum BUGA-Gelände am Deutschen Eck führenden Promenadenabschnitt zwischen Pegelhaus und Talstation der Seilbahn etwas, aber auch nur etwas abmildert. Dennoch müsste man  lauthals fordern: Befreit die Platanen vom Schotterkorsett! Reißt die Hälfte der Betonplatten raus und sät wenigsten ein paar Gräser! Was, um Himmels Willen, hat wen geritten, hier die gesamte Fläche zu betonpflastern und zu schotterwalzen? Gegen die steinerne Trostlosigkeit dieser 300 Promenadenmeter  können weder die paar Bäume angrünen, noch die Tulpenkompagnie auf dem Klosettdach anblühen.

Wer sich das ausdachte, hätte vorher besser die Auseinandersetzung mit der Kunstrichtung „Land-art“ gesucht. Die entsprechende Ausstellung im Ludwigmuseum lässt mich vorderhand einen Bogen um die Seilbahn machen und das BUGA-Areal am Eck in Angriff nehmen. Das Museum  dokumentiert Kunstprojekte seit den 1960ern, die sich in Wüsten, Wäldern, Landschaften weltweit mit dem schwierigen Verhältnis zwischen Kultur und Natur befassen. Man mag etliche der Werke kaum begreifen, andere für Humbug halten,  in allen Fällen aber treten die Künstler fragend und sinnend an die natürlichen Gegebenheiten heran. Einfach zubetonieren, auf diese Idee kommt bei solcher Herangehensweise keiner mehr. Interessante Erfahrung, und gewiss nicht der schlechteste Impuls, den eine Gartenschau geben kann: Zwei Elemente aus dem BUGA-Kontext treten damit – ungeplant – zum Disput gegeneinander an.

Spielen, futtern, abheben

Paradiesgarten/Blumenhof an St. Kastor: idyllisch, besinnlich, weil eingewachsen in einen Ort altehrwürdigen Odems. Wasserspielplatz hinterm Eck: Schöööön für die Kinder! Moselseits im Schatten  verbliebener Altbäume: Hängematten für Qualmfüssler – wunnebaar! Daneben Biergarten mit Deftigküche: Man könnt‘ am helllichten Tage seelenruhig versacken. Überhaupt die Verpflegung allüberall auf der BUGA: Hungern und dürsten muss niemand. Metaphorisch gesprochen, dürfte die Zahl gastronomischer Sitzplätze die Quadratmeterzahl bepflanzter Beete noch übertreffen.

Hinauf der Sprung zur Festung. Ja, ja, die Seilbahnfahrt: Praktisch, selbstredend; auch hübsch, nett –  so anrührend wie jedes Erlebnis, das uns Erdgebundene dem Traum vom Fliegen näher bringt und von oben auf die eigene Welt hinab blicken lässt. Eine Sensation? Nu mal nicht übertreiben. Wenn schon Sensation, dann sind das die zwei Sonderausstellungen in der rundum sehr schön hergerichteten Festung Ehrenbreitstein: über das rheinische Wirken des königlich-preußischen Gartenbaumeisters Peter Josef Lenné sowie über 10 000 Jahre Grabkultur an Rhein und Mosel. Derart aufwändige, in fein ausgetüftelter Präsentation für jedermann lehrreiche und sinnliche  Ausstellungen sind mir am Mittelrhein noch nicht begegnet.

Schmuckstücke und Ruhepunkte

Als mehr an Kultur denn an Floristik interessierter Zeitgenosse habe ich das BUGA-Plateau erstmal links liegen lassen, um weiter das Angebot innerhalb der preußischen Mauern zu beäugen. Eine altbekannte Festungsperle glänzt nach wie vor: die Ausstellung der Landesarchäologie. Ein den historisch interessierten Geist erhellendes Dauerschmuckstück ist mit dem neuen, museal durchinszenierten Rundgang zur Festungsgeschichte hinzugekommen. Kleinteilig, aber interessant ist eine Präsentation „Keramische Welten“ aus Höhr-Grenzhausen. Das schönste Sinnenerlebnis dort rührt von feuchtem Ton unter den Händen.

Die Koblenzer BUGA ist nach bespielter Fläche zwar eine der kleinsten Bundesgartenschauen bisher, wegen ihrer Dreiteilung aber dennoch eine mit den weitesten Fußwegen. Kurzum: Nach inzwischen fast fünf Stunden BUGA-Umschau gieren Kopf und Leib nach etwas Ruhe. Der passende, weil stille Ort findet sich abseits der Hauptwege im Festungsgraben: Ausgerechnet der kleine Themengarten mit dem Titel „Klöster“ wird mir zum Lieblingsplatz.  Auf einem Holzsesselchen entspannt der Kerl nun. Das Brünnlein plätschert; in Bambusstauden verfängt sich sanft rauschend der Wind; von irgendwo aus dem Off fragen ganz leise und unaufdringlich gregorianische Gesänge, ob sie zu Ohren kommen dürfen. „Kitsch!“, grummelt der kulturkritische Geist im Hinterkopf. Freilich, aber ich lass ihn mir diesmal und bei nächsten Besuchen gerne   gefallen.

Noch einen Lieblingsplatz finde ich beim abschließenden Wandeln übers Plateau mit seinen akkuraten Nutzgärten, kurzgeschnittenen Rasenflächen, exakten Blumenbeeten, exotisch staffierten  Gewächshäusern, linealgeraden Wegen, dem knuffigen Kletterspielplatz....  Nicht die beeindruckende Aussichtsplattform ist es, sondern ein unscheinbarer Weg am Hang darunter. Drei, vier gemütliche Ruhebänke stehen da rum, ein alter Bauwagen; Weg und Ränder wie von den Landschaftsgestaltern vergessen, fast wildwüchsig sozusagen. Ein wenig beachteter Platz, für mich wunderschön in seiner Allerwelts-Brache. Lasst das so, liebe BUGA-Leute, bitte!

Hübsch, das alles

Genug gesehen für diesmal, obwohl vieles gar nicht. Zuletzt ein Blick hinunter zur Talstation der Seilbahn. Mehr noch als die unterbrochenen Blicklinien unten, macht die Perspektive von oben deutlich, wie der futuristische Kuppelbau den Charakter des historischen Ensembles am Eck stört. Es wird unvermeidlich Streit geben 2013. Mit müden Beinen auf dem Heimweg, fragen Kopf und Herz nun: Wie also ist das mit dir und der BUGA? Naja, wir sind uns schon ein bisschen fremd geblieben. Die große Liebe fühlt sich anders an. Aber wir kommen aus miteinander, in recht vielen Momenten sogar ganz gut und auf durchaus inspirierende Weise. Kein Wort über den Nutzen der BUGA für Stadt und Region? Pardon, dieses Thema hat mich heute mal so wenig interessiert, wie es die 80 bis 90 Prozent Tagesbesucher aus der Ferne interessieren wird.

Infos:
www.buga2011.de

(Erstabdruck April 2011)

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken