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2011-06-01 Feature:

BUGA Koblenz: Gartenfestival am Deutschen Eck


Besucherrekorde und das Comeback
des Peter Joseph Lenné


ape. Für Koblenz erweist sich die Bundesgartenschau (BUGA) 2011 bis auf weiteres als Haupttreffer. Hotels voll, Wirtshäuser voll. Und durch die drei BUGA-Areale Schloss, Deutsches Eck und Festung Ehrenbreitstein strömen Tag für Tag wesentlich mehr Besucher als je erwartet. Die vorab erhofften zwei Millionen könnten schon im August erreicht sein, lange vor Ende des Dauerevents am 16. Oktober. Obwohl eine der kleinsten Bundesgartenschauen seit 60 Jahren, kommt die in Koblenz mit ihrem Konzept an: Blumenschau verwoben mit historischem Baubestand, eingebettet in die Welterbe-Landschaft am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, durchsetzt mit Hunderten Kulturveranstaltungen.

War die BUGA in der Aufbauphase noch von zwei Rhein-Mosel-Hochwässern bedroht, ist es in den Wochen nach dem Start am 15. April sonnig, warm, trocken. Kaiserwetter, das Publikumsrekorde beschert. Bald aber ist das Land knochentrocken. Tausende Tulpen blühen zu früh, verblühen zu schnell. Schon im Mai herrscht Hochsommer – die Feuerwehr muss beim Gießen helfen. Die Seilbahn vom Rhein-Mosel-Eck hinauf zur Festung Ehrenbreitstein überquert einen schmal gewordenen Rhein, den Kies- und Sand"strände" säumen. Ein ungewohnter Anblick. Aber ungewohnt ist derzeit in Koblenz so manches.

Das Schloss etwa. Im 18. Jahrhundert erbaut, diente es dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus, später auch dem preußischen Kartätschenprinzen und Kaiser Wilhelm I. als Residenz. Seit etlichen Jahrzehnten gehen in diesem Prachstück nach dem Stil des französischen Frühklassizismus Bundesbehörden ihren Geschäften nach. Trister Parkplatz davor, verwilderte Brachen dahinter, lag der Komplex lange als die Öffentlichkeit abweisender Riegel zwischen Stadt und südlicher Rheinpromenade.

Die Revolution am Schloss

Mit der BUGA kam eine schiere Revolution über das Schloss. Nicht nur, dass die Gartenanlagen nach dem Vorbild der einst vom preußischen Gartenbaumeister Lenné erdachten Pracht wiedererstanden sind. Das Areal gewinnt eine völlig neue Funktion in der städtebaulichen Struktur von Koblenz: Er trennt die Stadt nicht länger vom Rhein, sondern bildet einen, auch zum Verweilen einladenden, öffentlichen Raum, eine Publikumspassage zwischen innerstädtischer Schlossstraße und Rheinpromenade. Die Residenz ist jetzt Bürgerdurchgang  –  auch wenn man bis Oktober eine BUGA-Eintrittskarte braucht, um ihn zu benutzen.

Bedeutende Parks im Raum Berlin-Potsdam tragen die Handschrift von Peter Joseph Lenné (1789 – 1866), Gartenbaudirektor am preußischen Hof.  Es ist der Generaldirektion Kulturelles Erbe RLP und dem Landesmuseum Koblenz als Verdienst anzurechnen, dass sie im Rahmen der BUGA  die Bedeutung Lennés auch für den südlichen Westen Deutschlands zu Bewusstsein bringen. Denn von Amts wegen war er zugleich für die Preußische Rheinprovinz zuständig, das Rheinland – wo zuvor unter den Franzosen schon sein Vater die Stelle des Koblenzer Gartendirektors bekleidet hatte.

Zwischen Asdelsherrschaft und Bürgertum

Der in Bonn geborene Lenné kann als der Star dieser Gartenschau gelten: Die Neugestaltung des Koblenzer Schlossgartens lehnt sich an seine Pläne an; die Rheinpromenade lässt noch Züge der Lenné‘schen Struktur erkennen; die eben beendete Wiederherstellung von Park und Gärten des benachbarten Schlosses Stolzenfels folgt seinen Vorlagen. Erhellendes Kernstück der rheinischen Lenné-Renaissance ist eine opulente Sonderausstellung, die für die Dauer der BUGA in der Festung Ehrenbreitstein gezeigt wird – und die das Wirken des Bonner Preußen am Rhein erstmals systematisch aufarbeitet.

Staunen machen Bilddokumente über die einstige Ausgestaltung der Rheinpromenade. Wie kleinräumig sie war. Da reihten sich ganz unterschiedlich bepflanzte, üppig bewachsene und kunstvoll gestaltete Parzellen aneinander. Der Spaziergang muss damals wie ein Weg durch intime Räume, Lauben, Miniparks verschiedenartiger Kulturen und Ästhetiken gewesen sein – ein Genuss für jedermann, botanische und kulturelle Lerneffekte inklusive. Dieses Prinzip findet sich bei Lenné immer wieder, sei es in den Gärten von Stolzenfels, im Kurpark Bad Neuenahr, im Schlosspark Brühl oder dem „Bürgerpark“ der Kölner Flora. Die Ausstellung „Lenné – Eine Gartenreise im Rheinland“ dokumentiert jene Garten-/Parkgestaltung als Schnittstelle zwischen Adelsherrschaft und aufstrebendem Bürgertum, zugleich als Melange aus dem Geist der Aufklärung wie der Romantik. Und verblüfft nimmt der Betrachter wahr: Die Prägung des jungen Lenné durch seine Heimatlandschaft am Rhein findet in dessen Plänen fürs „preußische Arkadien“ um Berlin manches Echo.

Freizeitpark, Infomesse, Kulturfestival

Vom Schloss zum Deutsche Eck; ein Abstecher an die Mosel, einer zur Land-Art-Ausstellung im Ludwigmuseum; Verweilen im ehrwürdigen Blumenhof zwischen dem Deutschherrenhaus aus dem 13. Jahrhundert und der Basilika St. Kastor, die aufs 9. Jahrhundert zurückgeht. Dann via Seilbahn hinauf zur Preußenfestung und dem ihr vorgelagerten Plateau. Mal so, mal in umgekehrter Richtung verläuft der Weg, den die BUGA-Besucher nehmen. Rund um die historischen Bauten Blumen in allen Farben, Formen, Strukturen. Schöne Plätze, hübsche Ecken, imposante Ausblicke. Dazu massig Informationsangebote aus Gartenbau, Bio- und Naturwissenschaft, Geschichte und Gegenwart der Mittelrheinregion. Obendrein mehr als 3000 Veranstaltungen nicht zuletzt kultureller Natur.

Kaum ein Verein aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz lässt es sich nehmen, auf einer der BUGA-Bühnen aufzutreten. Der Kultursommer Rheinland-Pfalz wurde mit nächtlichem Lichtkunstspektakel hier eröffnet, die Literaturtage des Landes fluteten die Gartenschau mit Lesungen. Das Theater Koblenz gibt auf der großen Festungsbühne mehrfach die „West Side Story“, zieht mit einem Shakespeare-Stationenspiel durch die Schlossgärten. Die Rheinische Philharmonie gibt mehrere Sinfoniekonzerte, Musiker des Orchesters treten in diversen Kammerbesetzungen zudem mit Promenadenkonzerten auf....

Die Identifikation der Bevölkerung mit der Gartenschau ist stark ausgeprägt. Dazu trägt der Mischcharakter der BUGA nicht unwesentlich bei. Sie ist gleichermaßen Blumenschau, Freizeitpark, Infomesse, Jahrmarkt, Kulturfestival und kulturhistorischer Erlebnisraum. Letzteres manifestiert sich neben der Lenné-Ausstellung beispielsweise in einer hochkarätigen archäologischen Sonderausstellung über mehrere tausend Jahre Begräbniskultur an Rhein und Mosel.

Gräber = älteste Form der Landschaftsgestaltung

Die Zeitreise entlang der Grabstätten beginnt um 5000 vor Chr. in Herxheim: Dort fand man die Überreste von 500 zerlegten Leichen in langen Gruben begraben. Welches Ritual hier stattfand, ist bis heute ungeklärt. Die Schau folgt mit originalen Fundstücken, Nachbauten und Modellen den Zeitläufen: Urnenfelder von Schifferstadt, keltisch-römische Gräber von Belgium und Thür, fränkische Reihenfeldgräber, jüdische Plätze „ewiger Totenruhe“ in Worms und Mainz. Sie endet beim neugotischen Hochkreuz vom Koblenzer Hauptfriedhof aus dem Jahr 1820.

Totenstätten auf einer Gartenschau, ist das passend? Aber ja, schließlich sind Gräber und Friedhöfe eine der ältesten und bis heute im Brauchtum verwurzelten Formen planmäßig-kreativer Landschaftsgestaltung durch den Menschen. Nicht zufällig war bei sämtlichen Bundesgartenschauen bisher der Bereich mit Vorschlägen zur aktuellen Grabbepflanzung und -gestaltung einer der vom Publikum am meisten frequentierten. Darin zumindest unterscheidet sich die BUGA Koblenz von keiner ihrer Vorgängerinnen.                                                          Andreas Pecht

Infos: 
>www.buga2011.de
>www.diefestungehrenbreitstein.de

Erstabdruck Juni/Juli 2011

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