Thema Politik / Ökonomie / Ökologie
Thema Gesellschaft /Zeitgeist
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2011-07-07 Essay:

Die Energiewende beginnt im Kopf - 3. Teil/Ende

 

Unterwegs vom Atommonopol
zum Bürgerstrom

 
ape. Im großen Diskurs um die deutsche Energiewende taucht immer wieder die These auf: Deutschland  gerate mit seinem Sonderweg des Atomausstiegs international in die Isolation. Diese  Ansicht tritt häufig in Form hämischen Spottes auf, der versucht, den Atomausstieg als überspannten Ausfluss irrationaler deutscher Ängste  lächerlich zu machen. Die Argumentation stützt sich auf den Umstand, dass in Nachbarländern zahlreiche AKWs weiter betrieben werden, und viele Industrieländer sowie die großen Schwellenländer gar den verstärkten Ausbau der Kernenergie planen.
            

Spricht das gegen die Energiewende in Deutschland? Nicht im geringsten. Es war zu allen Zeiten ein Merkmal von wissenschaftlich-technischem, kulturellem und sozialem Fortschritt, dass er in kleinen Zellen beginnt, anfangs mehr auf Skepsis und Ablehnung denn Gegenliebe stößt. Hätten Erfinder, Entwickler, Neuerer stets die freudige Zustimmung aller Welt abgewartet, die Menschheit würde wohl noch immer in Höhlen hausen.

Die Entwicklung in Deutschland selbst unterstreicht die alte Weisheit: Wenn sich etwas bewegen soll, muss einer den Anfang machen. Die ersten Ideen zur Energiegewinnung aus Wind und Sonne wurden hierzulande als weltfremde Spinnerei abgetan, 40 Jahre später sind sie mehrheitsfähig, gelten als realistischer Königsweg. Man hatte in diesem Land seit den ersten Tagen der Bonner Republik nie ein Problem damit, in Chemie und Pharmazie, bei  Auto-, Maschinen-, ja selbst Panzer- und U-Boot-Bau den globalen Vorreiter zu spielen. Warum sollte das jetzt ausgerechnet in Sachen Umwelttechnologie unanständig sein?

Natürlich ist man im Ausland irritiert. Schließlich herrscht dort nach wie vor die Überzeugung, die auch bei uns jahrzehntelang den Gang der Dinge bestimmte: Ohne Atomkraft  könne die industrielle Gegenwart nicht auskommen. Dennoch verfolgen die Menschen, nicht zuletzt die Politiker und Wirtschaftsführer, von ferne nun mit größtem Interesse die deutschen Entwicklungen. Weil: Sollte eine der weitest fortgeschrittenen und gewichtigsten Industrienationen der Welt, sollte Deutschland den Umstieg auf regenerative Energieversorgung erfolgreich hinkriegen, würde das auch für viele andere Länder völlig neue Perspektiven eröffnen.

Wie wir selbst, so sind auch die ausländischen Beobachter gespannt, was die Energiewende schlussendlich kostet. Dass sie umsonst nicht zu haben ist, liegt auf der Hand. Ebenso, dass vor allem die Anfangsinvestitionen für den massiven Ausbau regenerativer Erzeugerkapazitäten, Speichereinheiten, Netzstrukturen und Energiesparmaßnahmen sehr hoch sein werden. Da geht es dem Land wie schon bisher dem Eigenheimbesitzer, der sein Haus per Dämmung, neuen Fenstern und neuer Heizung energetisch saniert. Doch gilt ja auch für das Land, was der Eigenheimbesitzer bald feststellt: Nach wenigen Jahren hat sich die Investition dank deutlich sinkendem Brennstoffverbrauch amortisiert.

Die Energieträger Sonne, Wind, Wasser stehen kostenfrei zur Verfügung. Die Energieträger Kohle, Öl, Gas, Uran-Brennstäbe kosten hingegen schon beim Einkauf richtig Geld, und für die schmutzigen Folgen ihrer Nutzung muss die Allgemeinheit nachher dauerhaft aufkommen. Aus diesem simplen Umstand ergibt sich der logische Schluss: Haben sich die zweifelsfrei hohen Anfangsinvestionen der Energiewende in ein paar Jahren amortisiert, müsste der Strompreis wieder sinken, und zwar (inflationsbereinigt) deutlich unter das heutige Niveau. Was könnte dem entgegenstehen? In erster Linie die Marktmacht der großen Energiekonzerne.

Die sind im Augenblick hochnervös. Zum einen natürlich wegen der Extraprofite, die ihnen durch die „vorfristige“ Abschaltung der AKWs infolge der zweiten Merkelschen Energiewende entgehen könnten. Noch mehr allerdings fürchten sie um den Verlust ihrer systemischen Vormachtstellung im Energiesektor. Denn der Umstieg auf regenerative Energien beinhaltet ein für das Oligopol der Großen gefährliches Potenzial: Die technische Möglichkeit zu einer weitgehenden Dezentralisierung der Energieproduktion. Windparks, Solaranlagen, kleine Biogaskraftwerke, lokale oder regionale Verbünde aus diversen Erzeugungsformen können sich auch Kommunen, Landkreise, Kooperativen, Bürgervereinigungen oder örtliche Mittelständler leisten.

Die Vernetzung vieler kleiner und mittlerer Energieproduzenten wird ein Wesenszug der Energiewende sein. Das Zeitalter der schwerindustriellen, nur am Profit orientierten Stromgiganten könnte somit zuende gehen, ihre selbstherrliche Dominanz – wie unlängst sogar von der CSU verlangt –  gebrochen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Politik nicht mit falschen Förderschwerpunkten falsche Weichenstellungen vornimmt. Dies ist eine von sehr vielen strittigen Fragen, die in den kommenden Jahren das Land, seine Bürger wie seine Parteien und Parlamente in Atem halten werden. Denn mit dem Beschluss zur Energiewende ist die Energiewende selbst noch lange nicht vollzogen. Wir stehen am Anfang einer spannenden, chancenreichen Zeit.                                                      Andreas Pecht


2011-07-02a Essay, Teil 1:
Energiewende beginnt im Kopf - Mut zum Ausstieg nicht vermiesen lassen


2011-07-05 Essay, Teil 2:
Energiewende beginnt im Kopf - Jeder kann seinen Beitrag leisten und auch noch sparen
            
               
(Erstabdruck Juli 2011)

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken