Thema Kultur 
Thema Musikwelt
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2011-08-09 Interview:

Gespräch mit Olaf Theisen und Bernhard Riebling zur Absage aller Anrechtskonzerte 2011/2012 beim Koblenzer Musik-Institut



Baustellendrama mit argen Folgen fürs Musikleben am Rhein-Mosel-Eck


ape. Koblenz. Was für Hamburg die Elbphilharmonie, ist für Koblenz in kleinerem Maßstab die Rhein-Mosel-Halle: fortwährendes Baustellendrama mit offenem Ende. Wie beim aufgesetzten Neubau an der Elbe, so platzen beim Generalumbau am Rhein ein ums andere Mal die von Bauherren und/oder Bauführern avisierten Fertigstellungstermine. Und damit werden  zugleich stets aufs Neue die Planungen der Kulturveranstalter hinfällig, die die neuen Prachtbauten mit Leben füllen sollen.

In Koblenz ist den Veranstaltern jetzt, Anfang August, von der Stadt überraschend mitgeteilt worden, dass mit  der (schon zuvor mehrfach verschobenen und zuletzt für November  2011 angekündigten) Wiederinbetriebnahme der Rhein-Mosel-Halle  nicht vor Frühjahr 2012 zu rechnen ist. Unmittelbare und drastische Folge für das Koblenzer Musik-Institut, dem ältesten und mit normalerweise zehn sinfonischen Orchesterkonzerten pro Spielzeit einem der gewichtigsten Nutzer der Halle: Es muss seine gewöhnlich von September bis Mai dauernde Konzertsaison 2011/2012 komplett absagen.

Neben den regelmäßig 900 bis 1200 Konzertbesuchern trifft das vor allem die Rheinische Philharmonie, auf die das Gros der Instituts-Konzerte entfällt. Sieben der für diesmal vorgesehenen neun Konzerte hätte das in Koblenz ansässige Staatsorchester bestreiten sollen. Dessen Chefdirigent Daniel Raiskin sprach jetzt gegenüber der Lokalpresse von einem "unglaublichen Verlust " für das örtliche Kulturleben. 
 
Wegen der Bauarbeiten an der Rhein-Mosel-Halle hatte das Musik-Institut bereits in der zurückliegenden Saison mit einem auf sechs Konzerte reduzierten - dafür mit einem überdurchschnittlich großen Aufgebot internationaler Solisten besetzten - Programm in die örtliche Großsporthalle Oberwerth ausweichen müssen. Der recht glücklich verlaufene Behelf lässt sich aber unter den jetzigen Bedingungen nicht wiederholen, erläutern der Intendant des Musik-Instituts, Dr. Olaf Theisen, und dessen Geschäftsführer, Bernhard Riebling, im nachfolgend publizierten Interview.

                                                     ***
        
Das Interview im Wortlaut:

ape: Skizzieren Sie doch bitte noch einmal die jetzt fürs Publikum der Anrechtskonzerte eingetretene Lage.

Theisen: Ganz einfach: Das Musik-Institut hatte für die Saison 2011/2012 neun Mietverträge für neun Konzerte in der Rhein-Mosel-Halle. Diese Halle war seit Jahrzehnten das Stammhaus für unsere Anrechtskonzerte und ist bekanntlich der einzige Raum in Koblenz und Umgebung mit einer Größe und Akustik, wie sie das Musik-Institut für seine Anrechtskonzerte braucht. Nun ist bekannt geworden, dass die Halle erst im Frühjahr 2012 wieder zur Verfügung stehen soll. Zugleich wurde uns von städtischer Seite eröffnet, dass alle neun Mietverträge gekündigt werden. Damit blieb uns nichts anderes übrig, als die Anrechtsreihe für die kommende Saison komplett abzusagen.

ape: Es gibt keinen Plan B? Wäre nicht, wie in der vergangenen Saison, eine weitere Sonderspielzeit mit weniger Konzerten in der Sporthalle Oberwerth denkbar gewesen?

Riebling: Kaum. Sie müssen sich vorstellen, die Verträge mit den Künstlern, mit Orchestern und Solisten, sind langfristig im Voraus auf bestimmte Tage fixiert. Kurzfristige Verschiebungen sind deshalb unmöglich. Und wie sich jetzt herausstellte, wäre die Sporthalle überhaupt nur an vier von unseren neun Konzertterminen frei. Das reicht einfach nicht. Außerdem würden viele unsere Abonnenten eine weitere Saison in einer Ausweichspielstätte nicht mitmachen.

ape: Und der besondere finanzielle Aufwand, der für die  Sondersaison in der Sporthalle nötig war, wäre wohl auch nicht beliebig wiederholbar?

Theisen: Diese Frage hätten wir uns stellen können, wenn ein neuerliches Ausweichen in die Sporthalle sich organisatorisch angeboten hätte. Aber nachdem die Koblenz-Touristik uns jetzt erst, Anfang August, mitgeteilt hat, dass die Rhein-Mosel-Halle für die ganze Spielzeit ausfällt, hätten wir gar nicht genügend Zeit, selbst diese vier Konzerte vorzubereiten. Es ist schließlich auch ein erheblicher logistischer Aufwand, die Sporthalle für ein anspruchsvolles Klassikkonzert herzurichten. Ob wir in der Kürze der Zeit etwa die dafür nötige elektro-akustische Aufrüstung der Sporthalle wieder hinbekommen hätten, ist zweifelhaft. Und zwei, drei oder gar alle vier Konzerte unter mangelhaften Klangverhältnissen würden viele unserer Abonnenten kaum verzeihen.

Hinzu kommt meines Erachtens: Die vergangene Ausnahmesaison in der Sporthalle war eine abgeschlossene, runde Sache. Sie hat allen Besuchern Spaß gemacht und war auf ihre Art perfekt. Ein zweiter, im Hauruck-Verfahren improvisierter Notdurchgang würde diesen Eindruck zerstören.

ape: Schauen wir auf die Folgen, die die jetzige Totalabsage der Anrechtskonzerte 2011/2012 hat. Wenn ich richtig orientiert bin, entsteht dem Musik-Institut kein direkter finanzieller Schaden, weil die Stadt respektive Koblenz-Touristik die eventuell vom Institut an Orchester und Solisten zu zahlenden Ausfallhonorare ersetzen soll.

Theisen: Das ist m.E. Gesetzeslage und entspricht auch meinem Verständnis von dem, was mit der Stadt besprochen wurde. Ich kann verstehen, dass diese Frage immer wieder gestellt wird, aber eigentlich steht sie für uns überhaupt nicht im Vordergrund. Der immaterielle Schaden wiegt ungleich schwerer. Denn auch wenn das Musik-Institut gar nichts dafür kann: Wir müssen Konzerte absagen, Vereinbarungen mit den Künstlern aufkündigen, und das teils wiederholt – der Renommeeverlust in der Klassikszene ist für uns als Veranstalter beträchtlich.

Riebling: Hinzu kommt noch ein anderer Schaden. Zwar waren alle sechs Konzerte der vergangenen Saison gerade im Freiverkauf sehr erfolgreich und ausgezeichnet besucht. Doch von den mehr als 800 Altabonnenten mochten 200 das Ausweichen von der Rhein-Mosel-Halle in die Sporthalle Oberwerth nicht mitmachen. Diese Abos gingen verloren. Glücklicherweise hatten wir für das verkürzte, aber spezielle Programm 2010/2011 auch 100 Neuabonnenten gewonnen. Dennoch bleibt die Abo-Bilanz für die Sporthallen-Saison negativ.

ape: Und es ist nun eine ihrer Hauptbefürchtungen, dass wegen des Totalausfalls der neuen Saison nachher noch mehr Abonnenten wegbleiben?

Theisen: Ich gehe davon aus, dass beim Neustart im Herbst 2012 die Zahl niedriger sein wird. Das ist auch ideell sehr schmerzlich, weil die oft jahrzehntelange, nicht selten lebenslange Treue der Abonnenten zu den Anrechtskonzerten immer eine zentrale Säule beim Musik-Institut war. Natürlich werden wir uns wieder hinaufarbeiten, aber das kann eine Weile dauern.

Wir haben auch überlegt, ob es möglich und sinnvoll wäre, jetzt das eine oder andere Konzert in kleineren Sälen von Koblenz stattfinden zu lassen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass das fürs Musik-Institut überaus problematisch würde. Denn wie sollen wir mit 800 oder mehr Stammbesuchern verfahren, wenn die betreffenden Säle nur über halb so viele Plätze verfügen? Etwa nach der Devise: Wer zuerst kommt, malt zuerst, die übrigen werden abgewiesen? Für uns als Musik-Institut völlig undenkbar!      

ape: Zum Musik-Institut gehört bekanntlich der eigene Chor. Ist schon für das Gesamtprogramm der Rheinische Philharmonie der Verlust von sieben großen sinfonischen Auftritten, die im Rahmen der Anrechtskonzerte 2011/2012 vorgesehen waren, ein herber Einschnitt, so verliert der Instituts-Chor gleich sämtliche Auftrittsmöglichkeiten.

Riebling: Wir sind uns dieses Problems bewusst, auch der demotivierenden Wirkung auf die Sängerinnen und Sänger, die von einer solchen Situation ausgeht. Gemeinsam mit dem Chorleiter werden wir über eine Lösung nachdenken. Vorstellbar wäre etwa, mit dem Chor ein Sonderkonzert womöglich in einer Kirche zu veranstalten. Dafür hätte jeder Verständnis.

ape: Herr Theisen, eine persönliche Frage noch. Gleich zu Beginn ihrer Zeit als Intendant des Musik-Instituts Koblenz zwei Spielzeiten unter derart schwierigen Bedingungen: Ist ihnen da die Lust am neuen Ehrenamt nicht schon vergangen?

Theisen: Aber nein. Man macht ja sowas nicht als Schönwetterkapitän. Man nimmt die Herausforderung an und muss mit den gegebenen Situationen umgehen. Mir macht diese Arbeit trotz allem viel Freude und ich erlebe sie nach wie vor als substanzielle Bereicherung meines Lebens. Wir müssen mit den Problemen fertig werden, jetzt erst recht – um dann mit einer hochkarätigen Folgesaison 2012/2013 unsere angestammt wichtige Rolle im Koblenzer Kulturleben wieder optimal auszufüllen.  

(Die Fragen stellte Andreas Pecht) 


--------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken