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2011-08-20a Museumsporträt:

Landesmuseum Mainz sieht sich nach mehrjähriger Sanierung „bestens aufgestellt“


Ehrwürdige Institution
beschreitet moderne Wege


ape. Mainz. Es gibt in Rheinland-Pfalz drei Landesmuseen. Der geografischen Verteilung nach decken sie das Bundesland von der Mitte Richtung Nordgrenze zu NRW wie ein Dreieck ab: Im Nordwesten das Landesmuseum Trier. 130 Kilometer weiter östlich das Landesmuseum Koblenz. Schließlich liegt an der südlichen Spitze des Dreiecks, gewissermaßen als rheinhessische Nahtstelle zwischen ehemals preußischer Rheinprovinz und der Pfalz, das Landesmuseum Mainz. Letzteres gilt als eines der ältesten Museen Deutschlands und soll  hier etwas näher betrachtet werden.

Alle drei Institutionen gehören zur Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz. Für alle drei war die jüngere Gegenwart, ist es teils noch, eine Zeit umfassender räumlicher Sanierungen, Umbauten, Erweiterungen sowie der inhaltlichen und präsentatorischen Neustrukturierung und Modernisierung. Das Mainzer Museum sieht sich nach mehr als sechs Umbaujahren jetzt „bestens aufgestellt“.

Es steht ein Pferd auf dem Dach

Ein güldenes, sich kraftvoll zur Dressur-“Levade“ aufrichtendes Pferd ist dessen Markenzeichen. Es prangt nicht nur als Logo auf den Museums-Publikationen. Es ziert vor allem als weithin sichtbare Skulptur das Dach über dem Haupteingang des barocken Gebäudekomplexes an der Große Bleiche, in dem das Museum seit den 1930ern untergebracht ist. Allerdings hatte es bis dahin bereits eine wechselvolle, fast 130-jährige Geschichte hinter sich. 1803 schenkte Napoleon seiner Departement-Hauptstadt Mainz 36 Gemälde. Diese und eine Sammlung des Altertumsvereins – mit Objekten aus Frühgeschichte, römischer Antike und Mittelalter in Rheinhessen und am Mittelrhein – bildeten den Grundstock des nachher unter anderem als „Städtische Gemäldesammlung“ geführten und 1967 in Landesobhut übergegangenen Museums.

Wie kommt ein Pferd dazu, als dessen Markenzeichen zu dienen? Der einen weiten Innenhof umschließende, quadratische Gebäudekomplex war im 18. Jahrhundert kurfürstlicher Marstall, nachher Kaserne für französische oder kurhessische Kavallerieeinheiten.  Die im Volksmund verbreitete Bezeichnung „Golden-Ross-Kaserne“ für das gesamte Ensemble geht auf die besagte Pferdeskulptur zurück, die den 1766 begonnen Bau 1769 krönte.

Barrierefreiheit auf allen Ebenen

Von außen ein sorgfältig restauriertes Barock-Schmuckstück, erweist sich das Innenleben des einstigen kurfürstlichen Marstalls jetzt als ein nach modernsten Erkenntnissen vorbildlich ausgestattetes Museum. Freundlich, übersichtlich, praktisch empfängt das Foyer mit Kasse, Shop, Garderobe im Vorderbau den Besucher. Im Gespräch kommt  Andrea Stockhammer –  seit Mitte 2010 Direktorin des Landesmuseums (s. Kurzportät anbei) –  sogleich auf die umfassende, schon mehrfach prämierte, „Barrierefreiheit“  ihres Hauses zu sprechen. Nicht ohne Stolz erklärt sie, dass damit keineswegs nur Rampen und Lifte gemeint seien, die sämtliche Abteilungen für Gehbehinderte zugänglich machen.

Barrierfreiheit meint hier auch: Neben dem mehrsprachigen Audioguide fürs Gros der Besucher gibt es eine spezielle Audioguide-Führung für Blinde und Sehbehinderte, obendrein für Gehörlose und Hörbehinderte einen Videoguide in deutscher Gebärdensprache. Mehr noch: Viele Ausstellungsvitrinen sind mit Rollstühlen unterfahrbar Gleiches gilt für die zahlreichen Video- und Hörstationen, auf denen in den Sälen Informationen zum Ausgestellten auch mit unterschiedlichen  Schriftgrößen für die Wiedergabe angewählt werden können. Barrierefreiheit in übertragenem Sinn bieten Stationen, die ermuntern, zu tun, was in Museen seit jeher als Sakrileg galt: Exponate anzufassen und damit zu hantieren. Neolithisches Werkzeug, römische Toilettenartikel, mittelalterlicher Ritterhelm...: Das buchstäbliche „Be-greifen“ der eigens zu diesem Zweck nachgebildeten Objekte reizt nicht nur die Kinder.

Von der Frühzeit bis zur Gegenwart

Modernste Technik und Vermittlungsdidaktik für eine opulente und hochrangige kulturhistorische Sammlung. Andrea Stockhammer verweist auf eine lange Reihe von Erweiterungen der Sammlung während des 19. Jahrhunderts. Nicht zuletzt hätten Mainzer Bürger dem Museum private Kunstbestände in beträchtlichem Umfang vermacht. Nachher kamen Stiftungen, Ankäufe, Dauerleihgaben hinzu, darunter niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts, Sammlungen von Höchster Porzellan oder Glaskunst des Jugendstils. Darunter auch moderne Kunst wie die 27 Werke von Tapies, die ein anonymer Kunstfreund einbrachte.

So kann sich die Dauerausstellung auf einen reichen Fundus stützen. Der erlaubt einerseits das  Durchschreiten der heimatlichen Kulturgeschichte von der Frühzeut bis zur Gegenwart. Andererseits binden die vielen vertretenen Objekte europäischer Herkunft und/oder Bedeutung die regionalen Aspekte in den großen Strom abendländischer Kunst- und Zivilisationsgeschichte ein. Die nach der Generalsanierung gewählte Präsentationsform für die Dauerausstellung folgt dem Prinzip der ganzheitlichen Epochen-Inszenierung. Will sagen: In den Abteilungen werden Exponate verschiedener Sparten, aber aus derselben Zeit zusammengestellt. Gemälde, Skulpturen, Mobiliar, Porzellan, Waffen, Werkzeuge einer Epoche verschmelzen in Mainz zur viel sagenden Rauminstallation. Hinzu kommen die „Anfassstationen“ sowie bildgebende und textliche Angebote, bei denen die Besucher selbst entscheiden, wie tief sie in die Sache eindringen wollen.

Kulturgeschichte wird lebendig  

Was kann uns die Große Adlerfibel über Moden und Stand des Handwerks im 11. Jahrhundert erzählen? Wo ist der übrige Teil des 1880 bei Kanalbauten in Mainz gefundenen Schatzes abgeblieben, zu dem die Mantelschließe aus Gold und Edelsteinen gehörte? Wie hat Renaissance-Maler Lorenzo di Credi das fast erschütternd intensive Blau seiner Madonna hingekriegt? Was verraten uns Kultgegenstände über Leben, Bedeutung, Schicksal der Juden in Mainz? Auf diese und tausend andere Fragen zu den Exponaten wie zu daran anknüpfbaren technischen, sozialen, politischen, kulturellen Aspekten gibt das Landesmuseum Antwort.

Ein Exponat ist ein Exponat, aber es weist stets auch über sich hinaus auf die umgebende historische Welt als ganzes. Diesem Grundsatz folgt das Haus unter Führung von Andrea Stockhammer verstärkt mit interdisziplinären Ansätzen auch für seine Wechselausstellungen.  Im Sommer 2011 spürte die Schau „Wasser im Spiegel der Kunst“ unter umwelthistorischen Gesichtspunkten in niederländischen sowie rheinromantischen Gemälden der Bedeutung von Meer und Strom für Leben und Kunst nach.

Von November 2011 bis Februar 2012 befasst sich das Museum gemeinsam mit der Universität Mainz und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) in einer Sonderausstellung mit der Rezeptionsgeschichte der byzantinischen Kultur in Wissenschaft und Kunst. Im weiteren Verlauf des Jahres 2012 wird das Landesmuseum zentraler Teil einer  landesweiten Kampagne sein, die von Speyer über Mainz und Koblenz bis nach Remagen Einfluss und Erbe der Nazarener und Düsseldorfer Malschule in Rheinland-Pfalz beleuchtet.

Zukunfstmusik: Der Ausbau geht weiter

Es herrscht nach schwierigen Jahren wieder richtig Leben im Landesmuseum Mainz. Doch noch hat die Institution, hat selbst die Golden-Ross-Kaserne ihren Endausbau nicht erreicht. Für etwa 2013/2014 ist die Eröffnung der rückwärtigen „Steinhalle“ als zentrale GDKE-Ausstellungsstätte für Sonderpräsentationen aus dem gesamten Rheinland-Pfalz vorgesehen. Schon in der Planung, aber terminlich noch unbestimmte Zukunftmusik ist auch ein  archäologisches Kompetenzzentrum am Mainzer Südbahnhof, das von Landemuseum, Landesarchiv, den Altertumsabteilungen der GDKE und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum gemeinsam genutzt werden soll.

Infos im Internet: >>www.landesmuseum-mainz.de

                

Kurzporträt:
Andrea Stockhammer – die Museumschefin

Im Herbst 2010 übernahm Dr. Andrea Stockhammer 39-jährig die Leitung des Landesmuseums Mainz. Der gebürtige Wienerin ist das Zusammenwirken von Museumsarbeit und Wissenschaft  besonderes Anliegen. Sie selbst hat mit einem Studium der Kunstgeschichte, klassischen Archäologie und Germanistik quasi von Hause aus Standbeine in beiden Bereichen. Nach dem Studium hat Stockhammer gut 15 Jahre für das Belvedere und das Kunsthistorische Museum in Wien gearbeitet. Erfahrungen mit der Realisation internationaler Großausstellungen, etwa am New Yorker Metropolitan, bringt sie aus ihrer Zeit am Wiener Liechtenstein Museum mit. Einer ihrer  wissenschaftlichen Schwerpunkt ist die europäische Kunst der frühen Neuzeit. Ihre Dissertation befasste sich mit der Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert.                                                                 Andreas Pecht



(Erstabdruck Herbst 2011)

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