Thema Kultur / Musikwelt
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2011-08-27b Feature:

Musik-Institut Koblenz muss Anrechtskonzerte absagen – Philharmonie ringt um attraktives Restprogramm



Koblenzer Klassiksaison 11/12 fehlt
das Herzstück


ape. Koblenz. Dies sollte eigentlich ein frohgemuter Artikel werden über die Rückkehr des klassischen Koblenzer Konzertlebens zum Normalfall einer funktionierenden Rhein-Mosel-Halle. Die Absicht war: Auf Basis eines Gesprächs mit dem gut gelaunten Daniel Raiskin das Saisonprogramm 2011/2012 des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie vorzustellen. Es kam anders. Von einem auf den andern Tag sackte die Stimmung des Chefdirigenten auf den Nullpunkt, war nicht mehr von Normalität, sondern von Katastrophe die Rede. Grund: Die Stadt Koblenz hatte Anfang August überraschend bekanntgegeben, dass sich der Fertigstellungstermin für den Generalumbau der Rhein-Mosel-Halle  erneut verschiebt – von zuletzt November 2011 auf Frühjahr 2012.


Folge der Bauverzögerung: Das Musik-Institut Koblenz musste seine traditionsreiche Abonnementsreihe der Anrechtskonzerte für die Spielzeit komplett absagen. Sieben der für die „neue Rhein-Mosel-Halle“ ab November geplanten neun Konzerte hätte die Rheinische Philharmonie bestreiten sollen. Nun aber bricht mit den Anrechtkonzerten eine zentrale Säule des Koblenzer Klassiklebens und des  sinfonischen Einsatzes der Philharmonie fürs hiesige Publikum weg. Raiskin spricht von einem „unglaublichen Verlust“ für das örtliche Kulturleben.

Seither laufen im Görreshaus, dem Domizil des Staatsorchesters, die Drähte heiß: Man will wenigstens das eine oder andere der Konzerte aus der Anrechtsreihe für einen Teil der hiesigen Klassikfreunde retten. Alternativen werden gewälzt, viele Bemühungen unternommen, aber bis zum Redaktionsschluss für dieses Heft war noch nichts davon in trockenen Tüchern. Für das Dezember-Konzert, bei dem  Alexei Volodin den Solopart in Brahms‘ 2. Klavierkonzert spielen sollte, war angedacht, es womöglich im Stadttheater Koblenz stattfinden zulassen, und zwar gleich zweimal hintereinander. Ein ähnlicher Plan bestand für das Februar-Konzert mit  Albrecht Mayer, dem Solooboisten der Berliner Philharmoniker. Ob es so auch kommt? Bis zur Abgabe dieses Artikels konnte das noch niemand sagen.

Für die beiden geplanten Mai-Konzerte gilt nach jetzigem Stand das Prinzip Hoffnung. „Bis dahin müssen DIE die Rhein-Mosel-Halle einfach hinkriegen. Wir wollen DAS unbedingt spielen, zur Not auch in der halbfertigen Halle“ so Raiskin zähneknirschend. Mit „die“ meint er städtischen Bauherrn und Baufirmen. „Das“ bezieht sich auf ein Großkonzert am 4. Mai, bei dem die Staatsorchester Koblenz und Mainz gemeinsam Borodins 3. Sinfonie und Strawinskys Le Sacre du Printemps in der Rhein-Mosel-Halle spielen wollen, sowie mit Konstantin Scherbakow das 2. Klavierkonzert von Tschaikowski. „Das“ umfasst  ebenso ein für 18. Mai vorgesehenes Beethoven-Konzert unter dem Dirigat von Raiskins Vorgänger Shao-Chia Lü.

Warum eigentlich zieht das Musik-Institut nicht wieder in die Sporthalle Oberwerth um? Das hat doch in der vergangenen Saison mit sechs Konzerten sehr gut funktioniert. Instituts-Geschäftsführer Bernhard Riebling verweist auf damals erheblich mehr Vorlaufzeit und erklärt: „Die Verträge mit  Orchestern und Solisten sind langfristig im Voraus auf bestimmte Tage fixiert. Und die Sporthalle wäre überhaupt nur an vier von neun Terminen frei. Das reicht einfach nicht. Außerdem würden viele unsere Abonnenten eine weitere Saison in einer Ausweichspielstätte nicht mitmachen.“ Olaf Theisen, Intendant des Instituts, ergänzt: „Wir haben überlegt, ob es möglich und sinnvoll wäre,  die Anrechtskonzerte in kleineren Sälen von Koblenz stattfinden zu lassen. Das würde aber fürs Musik-Institut überaus problematisch. Denn wie sollen wir mit 800 oder mehr Stammbesuchern verfahren, wenn die Säle nur über halb so viele Plätze verfügen? Etwa nach der Devise: Wer zuerst kommt, malt zuerst, die übrigen werden abgewiesen? Für uns als Musik-Institut völlig undenkbar!“

Dann also –  vielleicht –  nur zwei eilig geschmiedete Notnägel für Dezember und Februar, dazu zweifaches Bangen für den Mai. Das wäre besser als nichts, aber eben keine Grundlage, auf der das Musik-Institut seinen 700 bis 800 Abonnenten eine Anrechtsreihe anbieten könnte. Weshalb die wenigen eventuell verbleibenden Konzerte unabhängig vom Musik-Institut als Sonderkonzerte im freien Verkauf durchgeführt werden müssten. Bleibt den Klassikfreunden für den Augenblick nur:  Daumen drücken und abwarten.  

Nun sind die Anrechtskonzerte seit jeher zwar ein besonders wichtiges Standbein der Rheinischen Philharmonie an ihrem Heimatstandort Koblenz, aber nicht das einzige. Einen beträchtlichen Teil  ihres Dienstes verbringt das Orchester ohnehin im Graben des Theaters Koblenz. Aber auch in seiner Funktion als Konzertorchester bietet es dem Publikum in Koblenz und Umgebung eine Fülle von Musik außerhalb der Anrechtskonzerte. Da wären die Reihen „Orchesterkonzerte im Görreshaus“ und „Koblenzer Konzerte“. Da wären die Gastauftritte etwa in Mayen, Vallendar, Montabaur, Simmern, Bernkastel-Kues, Oberwesel, Andernach oder Bad Ems. Da wären schließlich jede Menge Konzerte und Musikaktivitäten für Kinder und Jugendliche.

Für 2011/2012 ist zudem eine ganz neue Konzertreihe namens B.E.N.K. ins Programm gekommen. Das Kürzel steht für „Bad Emser Neue Klänge“ und betitelt vier ausschließlich zeitgenössischer Kunstmusik gewidmete Konzerte. Die Reihe ist eine Kooperation zwischen der Rheinischen Philharmonie und dem Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems. Dort werden auch die drei B.E.N.K.-Kammerkonzerte stattfinden, das erste am 16.9.2011. Das abschließende Orchesterkonzert im April 2012 im Kurhauses Bad Ems bietet Werke von Alfred Schnittke und Sofia Gubaidulina aus den 1980ern. Ein Angebot an neugierige Musikfreunde in der gesamten Region.

Abschließend ein Blick speziell auf die Kinder- und Jugendarbeit der Rheinischen. Hier ist das Orchester seit Jahren sehr rege. Seit Anfang 2011 wird diese Arbeit durch Zoe Schempp noch einmal spürbar aufgewertet. Dank der Stiftung Rheinische Philharmonie konnte die junge Frau als erste Konzertpädagogin engagiert werden; der ersten in der Geschichte der Rheinischen überhaupt. Sie hat zwar nur eine Teilzeitstelle, bewegt aber allerhand. Zur Systematisierung der bisherigen Kinder- und Jugendaktivitäten des Orchesters kommen neue Projekte. Etwa zusammen mit dem Theater Koblenz eine musikalisch-szenische Reise zu Motiven der Magie in Sinfonik und Oper. Oder ein  spezielles Kinderkonzert, zu dem die Besucher ihre Kuscheltiere mitbringen sollen. Oder der „musikalischen Führerschein“ für 4. Schulklassen. Oder ….

Man sieht, auch ohne Anrechtskonzerte steckt im Programm der Rheinischen Philharmonie für 2011/2012 jede Menge interessantes und wertvolles Musikleben drin. Doch ohne die Musik-Instituts-Reihe der großen sinfonischen Konzerte vor großer Kulisse mit 900 bis 1200 oder mehr Besuchern fehlt der Klassiksaison in Koblenz einfach das Herzstück. Weshalb man Bauführern und Bauarbeitern „gutes Gelingen“ zurufen möchte: Auf dass die Rhein-Mosel-Halle alsbald fertig werde.
                                                                                    Andreas Pecht

Infos: www.rheinische-philharmonie.de

(Erstabdruck Woche 34/35 im August 2011)

                                               ***

Mehr zum Thema:  Interview mit der Leitung des Musik-Instituts (vom 9. August)


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