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2011-09-30a Zwischenruf:

Zur Euro-Krise

 

Wer ist schuld an dem Schlamassel?
 
ape. Wer ist eigentlich schuld am ganzen Euro-Schlamassel? Das scheint Ansichtssache zu sein. Marktliberal gesonnene oder irgendwie ins Finanzgeschäft involvierte Zeitgenossen neigen zu der Auffassung: Die Politik mit ihrer Staatsschuldenmacherei ist der Hauptschuldige. Eher nach links tendierende Beobachter sowie neuerdings Zweifler aus allen möglichen Lagern machen entfesselte, durchgeknallte Marktkräfte hauptverantwortlich. Was allerdings wieder auf die Politik zurückfällt, insofern diese den Willen und den Mumm vermissen lässt, die Märkte regulativ zur Vernunft zu zwingen.                  


Leider ziemlich selten zu vernehmen sind Stimmen, die beide Faktoren als die zwei Seiten ein und derselben Medaille, eines Systems benennen: Die  Politik als de facto verbündeter Wegbereiter von Anlagemöglichkeiten für Aberbillionen um den Globus vagabundierenden Kapitals. Geht es den Börsen/Finanzmärkten gut, dann geht es der Realwirtschaft gut, dann geht es der Gesellschaft gut  - so die Grundüberzeugung der Akteure, ihr Dogma. Ein Mehrfachirrtum, wie sich neuerdings herausstellt, wie sogar Verbände der Mittelstandswirtschaft und der Industrie als nun verstärkt selbst Geschädigte erbost feststellen.  

Aber auf dieser Grundlage wurden im zurückliegenden Vierteljahrhundert nicht nur fast alle Instrumente zur Marktregulieren stumpf gemacht oder ganz weggeworfen. Auf dieser Grundlage wurde vor allem das konzentrierte große Kapital weitgehend von Gemeinwohlpflichten befreit. Mehr noch: Schier unfassbare Mengen von Staatsgeld wurden und werden verausgabt, um das Kapital von direkten und indirekten Kosten zu entlasten, die originär eigentlich von ihm als Verursacher, Mitverursacher oder Nutznießer zu tragen wären: Von industrieller Umweltverschmutzung über industriedienliche Infrastruktur bis hin zu den Kosten für Bildung/Ausbildung, Volksgesundheit, Arbeitslosigkeit oder Altersversorgung. Wirtschaftliche Nutzung von Staat und Gesellschaft wird abgekoppelt von den Kosten, die dadurch entstehen.

Nutzen und Profit werden privatisiert, die Kosten werden zusehends sozialisiert. "Was gehen mich Krankenversorgung, Arbeitslosengeld oder Rente der Leute an? Das ist jedem seine Sache oder eben Sache des Staates", lautet die Devise des heutigen Kapitalismus. Dass die Öffentliche Hand ihm dann noch schöne Straßen mit Autobahnanbindung bis an die  Werkstore baut, gilt mittlerweile als selbstverständlicher Standard staatlicher Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Und sollte eine Rezession mal wieder die Unfähigkeit eines einzig der Renditemaximierung verschriebenen Wirtschaftssystems dokumentieren, eine verlässlich lebenstaugliche Grundlage für das Gemeinwesen zu garantieren, dann greift der Staat mit millardenschweren Konjunkturprogrammen den chaotisch dilettierenden Märkten unter die Arme.

Kurzum: Die Überschuldung der westlichen Staaten ist nicht nur, aber keineswegs zuletzt eine Folge davon, dass sie die Wirtschaft von ihrer ureigentlichen Aufgabe zur umfassenden Lebenssicherung des Gemeinwesens entlastet haben und an deren Stelle die Kosten übernommen. Wie hanebüchen weit dieses Prinzip bereits getrieben ist, kommt im Umgang der Politik mit dem Finanzkapital zum Ausdruck: Praktiken, die Normalsterbliche rundweg als kriminell betrachten, lässt man den Finanzmärkten  durchgehen. Und während im gewöhnlichen Alltagsleben jeder Kauf und Verkauf von irgendwas mit 19 (respektive 7) Prozent Umsatz-/Mehrwertsteuer belegt ist, wird im Finanzsektor getan, als käme die Überlegung zur Einführung einer 0,1-prozentigen Börsenumsatzsteuer der Vorbereitung für  eine sozialistische Revolution gleich.

Während die Austrocknung des Gemeinwesens in relativ "stabilen" Staaten wie derzeit etwa Deutschland mit geregelter Systematik vor sich geht, verläuft sie in Ländern wie Griechenland eher anarchisch. Staatliche Macht und Geldmacht sind dort noch fester verbandelt; die politischen und ökonomischen "Eliten" dort betrachten das Gemeinwesen vor allem als Pfründe. Wobei der Fisch vom Kopf her stinkt: Warum sollten Bauern, Gastwirte, Handwerker, Krämer vom kleinen Verdienst noch brav Steuern abführen, wenn die Reichen und Mächtigen es nicht tun, ja obendrein sich aus den Steuertöpfen noch munter bedienen? Warum sollte der kleine Mann freiwillig von seinem Wenigen noch einen Gutteil abzwacken, um damit den verantwortungslosen Großkopferten die Taschen zu füllen?

Das ist eines der größten Dilemmata, in denen (nicht nur) Griechenland steckt. Und eben deshalb geht die griechische Unter- und Mittelklasse verständlicherweise gegen Sparprogramme auf die Straße, die jeden Einzelnen von ihnen richtig heftig beuteln, aber die vormaligen Hauptnutznießer der Schuldenberge wieder ungeschoren lassen. Im Prinzip ist es das gleiche wie hier bei uns, nur dass in Deutschland die Umgangsformen gepflegter sind, Wirtschaftskraft wie Kreditspielräume größer und breitere Teile der Bevölkerung die Krise bislang nicht direkt zu spüren bekommen. Zudem hält  unsere Sozialstaatstradition die Öffentlichkeit noch bei der Stange - und ist unser preußisches geordnetes Staatsreglement nicht weich und löchrig genug, um auch von einfachen Leuten umschifft zu werden.                                                                      Andreas Pecht


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