Thema Musik
Thema Menschen / Initiativen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2011-10-11 Porträt / Reihe "Nach Dienst":

Fagottist Michael Rohland engagiert sich für Erhalt historischer Bausubstanz
 

Schöner wohnen in alten Gemäuern
 
 
ape. Koblenz. Was tun Musiker/innen der Rheinischen Philharmonie, wenn sie nicht musizieren, proben, üben? Die Artikelreihe „Nach Dienst“  erzählt von nicht immer alltäglichen Hobbys und Passionen einiger Orchestermitgleider. Die vergangene Folge berichtete über die Cellistin Marlies Köhn, die nach 40 Jahren Orchesterdienst die Caffetteria im Görreshaus übernahm. Diesmal treten wir dem Fagottisten Michael Rohland näher – und seinem Engagement für Schutz, Erhalt und neue Nutzung historischer Fachwerkhäuser.


Von Koblenz aus mögen es bloß 15 Fahrminuten sein. Doch auf dem letzten Stück unterwegs zum Domizil von Michael Rohland fühlt man sich dorthin verschlagen, wo Fuchs und Hase einander „gute Nacht“ sagen. Vom Görreshaus nach Urbar, dort den Berg hinauf – und hinein in eine wie weltabgeschiedene Idylle aus Bach, Wiesen, Wald. Ein Tälchen mit allenfalls fünf Häusern auf drei Kilometer. Eine Straße, die zum Sträßchen wird, bald bloß noch Schotterweg ist. Der endet  schließlich dort, wo der Fagottist sich mit Gattin und fünf Kindern niedergelassen hat: in der „Schmelzmühle“.

Haupthaus und Nebengebäude sind unverkennbar alt, teils uralt. „1680“ steht auf der dennoch frisch und freundlich wirkenden Fachwerkfassade. Rohland erklärt, dass diese Jahreszahl bei der Instandsetzung des Anwesens auf einem alten hölzernen Türsturz gefunden wurde. Und dass sie nach seinen bauhistorischen Recherchen zwar nicht genau, aber doch ungefähr den wahrscheinlichen Erstbau der Schmelzmühle datiert. Der Holzbläser mit der Zweidrittel-Stelle bei der Rheinischen Philharmonie ist in seinem Element, wenn er erzählt von den Geheimnissen, Geschichten und Eigenarten, die ihm im Laufe der Jahre bei der Arbeit an dem alten Gemäuer offenbar wurden.

Natürlich war die Mühle mal eine Mühle, und eine Landwirtschaft, und bis vor zwei Generationen auch ein Wirtshaus. Tritt man durchs historische Rundbogentor, findet man um den kopfstein-gepflasterten Innenhof – durchflossen vom offenen Ablauf eines Quellbrünnleins –  ehemalige Wirtschaftsgebäude aus diversen Epochen. Stall, Scheune, Lagerhaus, Wohnhaus wurden im 18.,  19., 20. Jahrhundert mehrfach umgebaut, umgenutzt, erweitert. Geschichte hat ihre Spuren hinterlassen. Platz gibt es reichlich. Und Arbeit gab es jede Menge, bis bauliche Notwendigkeiten, denkmalschützerische Ansprüche und Wohnwünsche der Familie miteinander ausgesöhnt waren.

1997 entdeckte Rohland die marode Mühle bei einer Fahrradtour. Es war Liebe auf den ersten Blick. 1998 hat er das Anwesen gekauft, 2001 waren die Sanierungsarbeiten so weit, dass die Familie einziehen konnte. Die Schmelzmühle ist nicht das erste historische Gebäude, in das der 1954 in Oberdollendorf bei Königswinter geborene Musiker jahrelange Arbeit und eine Menge Geld investierte. „Hätte meine Frau nicht an zwei vorherigen Objekten gesehen, dass man aus den alten Dingern was machen kann, sie hätte nie und nimmer dem Projekt Schmelzmühle zugestimmt“, so Rohland schmunzelnd.

Das erste der „vorherigen Objekte“ war ein heruntergekommenes Fachwerkhaus im Westerwald.  Als Rohland 1980 vom Gürzenich-Orchester Köln zur Rheinischen Philharmonie nach Koblenz kam, suchte der junge Vater eine preiswerte Wohnung. Er stieß auf besagtes Fachwerkhaus, kaufte es für kleines Geld und richtete es in Eigenregie her. Es war diese Unternehmung, die den bauhistorischen Laien damals für den Denkmalpflege-Gedanken entflammte. Viel Ahnung hatte er nicht, wollte aber das eigene Haus „richtig“ sanieren.

 Außerdem hatte er während seiner Suche nach einem geeigneten Objekt bedauernd bemerkt: „Es gibt gerade in der bäuerlichen Umgebung so viel großartige alte Bausubstanz, die verfällt oder abgerissen wird.“ Warum das? Rohland nennt einige Gründe, die in vielen Gesprächen wiederkehren, die er seither als Mitglied der „Interessenvereinigung Bauernhaus“ führte: Weil die Eigentümer verarmt sind oder die Erben zerstritten; weil sie Angst haben vor der staatlichen Denkmalbehörde; weil ihnen oft die Vorstellung fehlt, welche Potenziale zur zeitgemäßen Nutzung in dem „alten Gelumps“ stecken.

Denkmalpflege ist Michael Rohland inzwischen zur Passion geworden. Als ehrenamtlicher Kontakter und Berater vertritt er die „Interessengemeinschaft Bauernhaus“ (IGB) im nördlichen Rheinland-Pfalz. Die IGB ist die größte nichtstaatliche, deutschlandweit agierende Organisation, die sich speziell für den Erhalt historischer Bausubstanz auf dem Land und in Kleinstädten einsetzt. Zusammen mit mehreren Tausend Mitstreitern bundesweit will der Musiker in seiner Freizeit andere Menschen „ermuntern, die alten Bauten wieder mit jungem Leben zu füllen und sich beherzt mit deren Geschichte, Krummheit und Charme auseinander zu setzen“.

Wie lohnend das sein kann, dafür sind Rohlands eigene „Sanierungsfälle“ die besten Beispiele. Auf das Haus im Westerwald folgte Mitte der 90er ein Fachwerkhaus in Koblenz-Kesselheim mit Blick auf den Rhein. Bei der Erstbegegnung mit diesem Gebäude, war gerade ein großes Rhein-Hochwasser abgeflossen. Im Haus stand noch die Brühe, in der Brühe schwamm ein Klavier – und doch war der zeitlose Reiz dieses Gebäudes größer als das aktuelle Schreckensbild. Es folgte wieder viel Arbeit – aber noch vor deren Abschluss die besagte Radtour in den Wald hinter Urbar mitsamt Liebe auf den ersten Blick zur Schmelzmühle. Bei der soll es nun bleiben: „Drei Komplett-Instandsetzungen sind für ein Leben genug“ meint der 57-Jährige mit zufriedenem Blick über seine alte Mühle.

Es gibt Telefon und Internet dort am Ende des Tales. Postbote und Müllabfuhr kommen regelmäßig vorbei. Die Wasserversorgung übernimmt allerdings ein eigener Tiefbrunnen, für Strom und Wärme sorgt das eigene kleine Blockheizkraftwerk. Die Stiegen im Haus hinauf zu Schlaf- und Kinderzimmern sind schmal, steil und von unzähligen Generationen ausgetreten. Die Deckenbalken hängen tief, die Holzfußböden sind schief wie in Spitzwegs Gemälden. Bad und Küche mangelt es indes nicht an heutigem Technikkomfort. Der größte Raum –  die mit floralen Wandmalereien aus alter Zeit umkränzte ehemalige Wirtshausstube – betört als Mischung aus gemütlichem Wohnzimmer und ehrwürdigem Musiziersalon. Ein vom Verfall errettetes altes Gemäuer: wunderschön, lebenswert.          
                                                                                       Andreas Pecht


(Erstabdruck Woche 41 im Oktober 2011)


Nachtrag:  Michael Rohland ist im Herbst 2012 bei einem Unfall ums Leben gekommen.

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken