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2011-11-20 Schauspielkritik:

Theater Koblenz macht aus Goethes "Clavigo" spielfreudig eine interessante Parabel. Regie: Eva-Maria Baumeister


Yuppie Clavigo opfert die Liebe
der Karrieresucht
 


 
ape. Koblenz. Die pure Handlung von Goethes „Clavigo“ ist nur eine kleine Geschichte über eine vom Titelhelden doppelt verratene Liebe. Weshalb es keinen Einwand gibt, dass Eva-Maria Baumeister sie am Theater Koblenz auch als kleines Format inszenierte. Dafür hat Marc Bausback eine einfache Bühnenkonstruktion gebaut, die indes trefflich Raum gibt für große Psychologie, die dem Stück innewohnt.
 

Auf der Bühne steht eine zweite Bühne in Stubengröße, die ihrerseits auf den Vorhang einer dritten Bühne in Puppenspieldimension zuläuft. Im Laufe des 90-minütigen Abends wird erkennbar, dass die zweite und dritte Bühne in einem auf die völlig leere Hauptbühne gerollten Kasten stecken. Außen, innen, groß und klein: Alles nur Theater. „Die Welt urteilt nach dem Scheine“, sagt Clavigo – doch die Inszenierung unterbindet das Spiel mit Illusionen.

Vorweg tanzen Clavigo und Marie einen Tango. Tango passt prima, verschmilzt er doch Liebe, Begehren und Hingabe, verweist zugleich auf die Dialektik aus starker Weiblichkeit und Machismo. Zweisamkeit ist versprochen, wird von Clavigo beim Auftauchen seines Kumpans Carlos (Felix Meyer) aber sogleich gebrochen. Die Yuppie-Freunde einigen sich, dass Liebe, Ehe gar, Karriere und Genüsse nur stören würde.

Jana Gwosdek verschreibt ihrer sitzen gelassenen Marie ambivalentes Leiden. Hinterm zweiten Vorhang klagt sie im Goethe‘schen Sinn. Doch zieht jemand den Vorhang auf, fasst sie sich, wird gar renitent. Diese Marie mag sich von Clavigo nicht in die Selbstaufgabe treiben lassen. Immer wieder scheint bei ihr Behauptungswille auf. Zornig dreht sie den Bühnenkasten; das rasende Karussell als Protest gegen die Zumutungen des Scheins.
Und als der Kerl ihr ein zweites Mal Liebe schwört, schmilzt sie nicht dahin: Den neuerlichen Tango tanzt sie nur widerwillig.

Die Titelrolle muss sich ebenfalls einen heutigen Blick gefallen lassen. Die Inszenierung traut der Geschichte bis dahin, wo Clavigo nach Möglichkeiten sucht, der Drohung von Maries Bruder Beaumarchais (Gerold Ströher) zu entkommen, der ihm öffentlich den Skandal machen will. Dass er indes aus Reue und wiederentdeckter Liebe zu Marie zurückkehre, das wird in Koblenz weder Goethe noch seiner Figur abgenommen. Um dennoch im Stück bleiben zu können, lässt Klaus Philipp seinen Clavigo ein Erleuchtungserlebnis in Krampfform durchmachen. Das ist das Gegenteil von Realismus und soll so auch verstanden werden. Eine legitime, kritische Neudeutung Goethes.

Ähnliches gilt für den Schluss. Auf die Todesszenen des vierten Aktes wird hier verzichtet. Sie stehen als Möglichkeit zwar im Raum, doch das letzte Wort hat Marie: „Wenn ich sterben müsste...“. So wird das Trauerspiel dann ganz offiziell zur Parabel umdeklariert. Und die hält auf allen sechs Spielpositionen – Katja Thiele und Daniel Wagner in den Nebenrollen Sophie und Buenco ausdrücklich eingeschlossen – sehr schön die Waage zwischen komisch überzeichneten und inniglich ernsten Momenten.
                                                                                        Andreas Pecht

Infos: >> www.theater-koblenz.de/

(Erstabdruck 21 November 2011)

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