Thema Wissenschaft / Bildung
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2011-12-15 Serie "Wissen":

Folge 23
 

Die „moderne“ Naturwissenschaft beginnt

 
ana/ape. Experimente sind Grundbestandteil wissenschaftlicher Forschung. Doch gilt das erst seit dem 17. Jahrhundert – seit Galilei die „moderne“ Naturwissenschaft begründete.


Das Experimentieren gehört für uns heute ganz selbstverständlich zur naturwissenschaftlichen Lehre und Forschung. Der Fortschritt hängt von zum Teil sehr aufwendigen experimentellen Verfahren und sehr teuren Experimentiergeräten ab. Das war für Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) und selbst für die Naturwissenschaftler des Mittelalters noch nicht so, im Gegenteil. Technische Experimente, auch einfache, wurden prinzipiell als nicht-wissenschaftlich abgelehnt. Die Natur sollte sorgfältig beobachtet und verstanden werden – und zwar genau so, wie sie an sich ist, also unverfälscht und nicht manipuliert. Künstlich herbeigeführte Vorgänge, die nur mit Hilfe von Gerätschaften ablaufen konnten, widersprachen diesem Grundsatz.

Wissenschaftlichkeit war danach die Verknüpfung von religiösen Wahrheiten mit den Lehrsätzen des Aristoteles, denen zufolge die Welt eine von Gott geschaffene Ordnung war. Das änderte sich erst mit dem Wirken von Galilei. In seinem Werk „Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme“ hatte er erstmals wissenschaftlich-experimentell die Planetenbewegungen um die Sonne untersucht.

Als Galileo Galilei (1564 - 1642) ein Fernrohr einsetzte, um den Nachthimmel zu beobachten, war das bereits ein Tabubruch. Er hatte das Gerät in Holland entdeckt, wo es von Brillenmachern um 1600 aus mehreren Linsen gebaut wurde. Galilei ließ es produzieren und sorgte für seine Verbreitung, weshalb es manchmal Galilei'sches Fernrohr“ genannt wird. Galileis astronomischen Beobachtungen bestätigten das heliozentrische Weltbild des Kopernikus, wonach Erde und Planeten um die Sonne kreisen.

Die Theologie hielt indes weiter am geozentrischen Weltbild fest (Erde als fixes Zentrum der Welt) und ignorierte Kopernikus. Dieser hatte den Vatikan wohlweislich nicht herausgefordert. Galilei hingegen verlangte eine Neuinterpretation der Bibel. Das hatte eine langjährige Auseinandersetzung mit der Inquisition zur Folge. An deren Ende musste Galilei, wollte er das Leben behalten, seine Theorie widerrufen. Er wurde erst im Jahr 1992 von Papst Johannes Paul II. rehabilitiert.
 
Ebenso bahnbrechend für die Naturwissenschaft sind Galileis Arbeiten zur Mechanik. Sein berühmtes Werk „Discorsi“ („Untersuchungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend“) gilt als das erste neuzeitliche Lehrbuch der Physik, weil seine Erkenntnisse auf experimentellen Befunden beruhen. Seine Experimente wirken aus heutiger Sicht primitiv und die Messungen waren nicht eben präzise. Einige Beispiele: Galilei ließ unterschiedlich schwere Steinkugeln aus unterschiedlichen Höhen fallen; er arbeitete mit unterschiedlich geneigten schiefen Ebenen, mit einfachen Pendeln und Gewichten. Zeit maß er mit ungenauen Wasseruhren. Doch gelangte er so zur präzisen mathematischen Beschreibung etwa folgender Phänomene: der gleichförmigen Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit; der Fallbewegung mit konstanter Beschleunigung; der Wurfbewegung als Überlagerung von gleichförmiger Bewegung und Fallbewegung.

Galilei gilt als Begründer der modernen Naturwissenschaft, weil er die neue Vorgehensweise, Gesetzmäßigkeiten in der Natur zu entdecken, eingeführt hat. Er wurde als Physiker, nicht so sehr wegen seiner Erkenntnisse berühmt, sondern vor allem wegen seiner Pionierrolle für den Einsatz experimenteller Methoden. Doch Galilei hatte sich damit zufrieden gegeben, unterschiedliche Formen von Bewegung mathematisch exakt zu beschreiben; über deren Ursachen finden wir bei ihm kaum etwas.

Eben diesen Ursachen galten knapp 100 Jahre später die Forschungen von Isaac Newton (1643 - 1727). Er kam zu einer umfassenden physikalischen Theorie, in der neben Galileis Bewegungslehre auch die Erkenntnisse von Kopernikus und Kepler„ aufgehoben“ sind. Newton formulierte diese Theorie in seinem berühmten Werk „Philosophia Naturalis Principia Mathematika“ ( „Die mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie).
 
Dieses Buch ist von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte. Es fasst alle Beobachtungen und experimentellen Befunde seiner Zeit zur Mechanik in einer geschlossenen Theorie der Naturwissenschaft zusammen. Dabei ist es nach dem Vorbild der Mathematik aufgebaut: Aus Definitionen und wenigen Grundsätzen – den drei „Newtonschen Axiomen“ – werden alle mechanischen Vorgänge erklärt. Vermutungen und Spekulationen haben in diesem Zusammenhang keinen Platz. Newtons berühmter Spruch: „hypothesis non fingo“ (ich äußere keine Vermutungen) ist seitdem für die Naturwissenschaft verbindlich.

Die drei Newtonschen Axiome lauten sinngemäß: 1. Trägheitsprinzip: Alle Körper sind träge, d. h. sie bleiben in Ruhe oder bewegen sich auf einer geraden Bahn und mit gleich bleibender Geschwindigkeit, wenn keine Einflüsse von Außen auf sie einwirken. 2. Aktionsprinzip: Wenn eine Kraft auf einen Körper wirkt, dann wird er beschleunigt oder es ändert sich die Richtung seiner Bewegung. Je größer die Kraft desto größer die Änderung; die Richtung der Änderung ist dieselbe wie die der einwirkenden Kraft. 3. Wechselwirkungsprinzip: Wenn von einem Körper auf einen zweiten eine Kraft ausgeht, dann auch von diesem zweiten auf den ersten und zwar in derselben Größe und in entgegengesetzter Richtung.
 
Newton verfolgt in den „Principia“ zugleich den Grundgedanken einer universalen Theorie. Danach gelten im gesamten Universum einheitliche Naturgesetze, also auf der Erde genau dieselben wie außerhalb der Erde. Für uns heute ist das völlig selbstverständlich, für die damalige Zeit war das revolutionär. Denn für das Mittelalter war der Himmel eine ganz eigene Welt, eine Art geheimnisvolle „Überwelt“, die der Mensch sorgfältig beobachten durfte, aber letztlich doch nicht verstehen und erklären kann.

Newton hatte sich intensiv mit der Schwerkraft befasst. Dabei kam ihm der Gedanke, dass es eine Ursache für zwei unterschiedliche Vorgänge gibt: Dafür, dass Körper immer nach unten auf die Erde fallen; und dafür, dass Erde, Mond und Sonne in einem System beieinander bleiben. Diese Ursache ist eine Kraft – die Schwerkraft – die immer zwischen zwei Gegenständen wirkt. Und zwar so, dass sie sich gegenseitig anziehen (Gravitation = Schwerkraft, Anziehungskraft). Je größer die Massen der beteiligten Körper, desto größer die Gravitation. Angeblich kam Newton diese Idee, als er unter einem Apfelbaum saß, von dem eine reife Frucht zu Boden fiel.

So wirkt von der Erde aus eine Schwerkraft auf den Mond. Diese bewirkt, dass der Mond sich nicht geradlinig mit gleich bleibender Geschwindigkeit durch den Raum bewegt, sondern gezwungen wird, ständig die Bewegungsrichtung zu ändern und zwar zur Erde hin (Aktionsprinzip = zweites Newtonsches Axiom). Aus der Trägheit des Mondes und der Gravitation der Erde resultiert also eine kreisförmige Erdumlaufbahn (genauer: eine elliptische Bahn). Nach diesem Muster lassen sich die Bewegung von Planeten, Sonnen, Sonnensystemen bestimmen.
 
Gravitation und Trägheit sind die universellen Größen, die nach Newton die Vorgänge im Universum wesentlich bestimmen. Seine Theorie passte exakt auf alle ihm vorliegenden physikalischen Beobachtungen und Messungen. 1682 wurde der Halleysche Komet entdeckt. Man konnte nun seine Bahn genau berechnen und seine regelmäßige Wiederkehr vorhersagen: eine Bestätigung Newtons. Seine Lehre verbreitete sich sehr rasch, in Frankreich vor allem durch Voltaire und in Deutschland durch Christian Wolff.


Zusatzinfos

Isaac Newton kam im Laufe seiner Forschungen zu der Ansicht, die Erde sei genau genommen gar keine echte Kugel, sondern an ihren beiden Polen abgeplattet. Die Richtigkeit dieser These konnte 1740, 13 Jahre nach seinem Tod, wissenschaftlich bestätigt werden. Der Engländer Newton galt auch im Bereich der Theorie des Lichts, der Optik, als die wissenschaftliche Autorität schlechthin. Schließlich hat er das Spiegelteleskop erfunden, das erheblich leistungsfähiger ist als das Galilei\\'sche Linsenfernrohr. Spiegelteleskope werden auch in der heutigen Astronomie vielfach verwendet. Damit ist Newton wohl der erfolgreichste Wissenschaftler in der Geschichte der Physik.

Ein gläubiges Mitglied
der katholischen Kirche soll Galileo Galilei (Foto: dpa) zeitlebens gewesen sein. Er wollte die Kirche nicht bekämpfen, sondern vor einem fatalen Irrtum bewahren: dem dogmatisch buchstabengetreuen Verständnis der Heiligen Schrift. Galilei war überzeugt, die Wissenschaft würde früher oder später die gesamte Natur experimentell und logisch erklären können. Papst Urban VIII. jedoch hielt daran fest, dass die Vielfalt der göttlichen Schöpfung dem menschlichen Verstand auf immer verschlossen bliebe.


Lesen Sie in Folge 24:
Aufbruch in die Neuzeit - die Renaissance

                                               ***

Impressum: Der obige Hauptt entstand auf Basis eines Vortrages, den Stephan von den Benken im Rahmen der Akademie der Marienberger Seminare gehalten hat. Die Textbearbeitung für den Abdruck besorgten Andrea Mertes und Andreas Pecht. Für den Inhalt verantwortlich: Marienberger Seminare e.V. 

Der 80-minütige Originalvortrag ist als Audio-CD mit bebildertem

Begleitheft zu beziehen bei Marienberger Seminare e.V.,

Tel. 02661/6702.

Weitere Infos: >> www.marienberger-akademie.de

Die Reihe „Wissen – Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte“ ist eine Kooperation zwischen Rhein-Zeitung und Marienberger Seminare e.V., sie wird gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.


(Erstabdruck 7. Dezember 2011)

                                                   ***

Bisher erschienene Folgen:

2011-04-02 Prolog/Einführung:
Eine Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte

2011-04-02a Folge 1: Mensch zwischen Natur und Kultur

2011-04-23 Folge 2: Die Menschen werden sesshaft

2011-04-30 Folge 3: Ein etwas anderer Blick auf Familie

2011-05-07 Folge 4: Abschied vom magischen Zeitalter

2011-05-14 Folge 5: Die Wurzeln des Abendlandes

2011-05-21 Folge 6: Wie die Demokratie nach Europa kam

2011-05-28 Folge 7: Rom und die Grenzen des Wachstums

2011-06-25 Folge 8: Wie das Denken sich selbst entdeckte

2011-07-02 Folge 9: Die Vordenker aus Griechenland

2011-07-09 Folge 10: Vorhang auf für das antike Theater

2011-07-25 Folge 11: Ursprünge der abendländischen Musik

2011-07-30 Folge 12:  Antike Naturwissenschaft

2011-08-07 Folge 13: Antike Architektur

2011-08-20a Folge 14: Bildende Kunst der Antike

2011-08-27a Folge 15: Kindertage des Christentums

2011-09-30 Folge 16: Kriegszüge im Zeichen des Kreuzes

2011-10-24b Folge 17: Romanik und Gotik

2011-11-07 Folge 18: Mittelalterliche Städtebildung

2011-11-15 Folge 19: Das seltsame Ideal der "hohen Minne"

2011-11-24 Folge 20: Eine neue Macht erwacht - die Liebe

2011-11-24a Folge 21: Mainzer Drucker verändert die Welt

2011-12-08 Folge 22: Die Erde dreht sich um die Sonne


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