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2012-01-30 Schauspielkritik:

David Mouchtar-Samorai verlegt am Schauspiel Bonn „Wie es euch gefällt“ in eine Eiswüste

Shakespeare-Komödie wird zur Flüchtlingstragödie
 

 
ape. Bonn/Bad Godesberg. Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“ ist per se eine verzwickte Sache: mehrere Fraktionen Mächtiger sowie Vertriebener; vier verwirrte Liebespaare nebst einer weiblichen Hauptfigur, die einen Mann spielt, der sich als Frau aufführt; dazu zwei Narren, Höflinge und Bauern. Dies forderte stets von den Regisseuren, bei aller Interpretationsfreude besondere Mühe auf die Verstehbarkeit der Handlung zu verwenden. Daran ist David Mouchtar-Samorai jetzt am Schauspiel Bonn gescheitert. Bei seiner Inszenierung lässt sich kaum noch begreifen, wer mit wem  was wie und warum.

 
Im Kern macht er aus der Komödie eine Tragödie. Die Atmosphäre wird bereits in der Eingangsszene ausgebildet: Nach Urte Eickers Kostümen in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts verlegt, vollziehen sich grau in grau vor düsterem Mauer-Prospekt (Bühne: Christoph Rasche) Staatsstreich und Vertreibung: Der alte Herzog wird vom Bruder gestürzt und flüchtet mit Gefolge. Zwischen den Söhnen des Usurpators bricht ein Erbkampf aus, der unterlegene Orlando flieht. Rosalinde, Tochter des alten Herrschers, wird der Stadt verwiesen; Celia, die mit ihr befreundete Tochter des neuen Machthabers geht mit in die Verbannung.

Der Ardenner Wald wird zum Exil für alle. Doch ist er in den Godesberger Kammerspielen nur eine mit zwei weißen Planen umrissene Eiswüste – darin die Flüchtlinge  hungern, sich allweil frierend und kaum mehr unterscheidbar in zerschlissene Decken und Mäntel hüllen. Man mag nicht glauben, dass es in dieser Tristesse je zum Happyend kommt, wie es Shakespeare mit einer Vierfach-Hochzeit und allseitiger Aussöhnung vorsah. Tatsächlich verzichtet Mouchtar-Samorai auf den glücklichen Ausgang, drückt mit bösartigem Hundegebell und schließlich Maschinengewehrsalven aus dem Off eine Stimmung permanenter Todesdrohung in die Szene.

Die Inszenierung reduziert „Wie es euch gefällt“ auf ein Flüchtlingsdrama – und die saftigen Liebesverwicklungen des Originals auf zumeist überdrehte Sentenzen inmitten tragischer Frostigkeit. Das ist trotz zwei Stunden Shakespeare-Text in der schönen Übersetzung von Erich Fried ein anderes Stück, dem obendrein eine stimmige Beziehung zwischen Ernst und Komik ebenso abgeht wie weithin eine nachvollziehbare Handlung.

Weshalb am Ende auch nur eine einigermaßen beeindruckende Szene in Erinnerung bleibt: die von der als Ganymed verkleideten Rosalinde dem Orlando auferlegte berühmte Liebesprüfung. Mit Burschikos verbrämter Fraulichkeit rückt die für diesmal vom Wiesbadener Theater entliehene Verena Güntner dem sich windenden Thomas Ziesch zu Leibe. Da scheint noch die Shakespear'sche Jonglage mit den bisexuellen Möglichkeiten im Geschlechterspiel durch.

Auch auf einigen anderen Positionen gibt es hie und da hübsche Momente, so beim explosiv lauthalsigen Narren Probstein von Konstantin Lindhorst oder beim schwermütig närrischen Jacques von Arno Lenk. Aber zu einem sinnfälligen Ganzen mag sich das alles nicht zusammenfügen. Dem steht David Mouchtar-Samorais ehrenwertes, aber für diese Komödie unpassendes Anliegen entgegen, seine Inszenierung den Diktatur-Opfern unserer Epoche zu widmen.                                                Andreas Pecht        


Infos: >>www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 30. Januar 2012)

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