Thema Wissenschaft / Bildung
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2012-02-05 Serie "Wissen":

Folge 31
 

Es lebe die Republik!

 
ana/ape. Frankreich 1789 – das Volk hungert, König und Adel leben in Saus und Braus. Der Zorn der Pariser entlädt sich. Bald zittern die Monarchen ganz Europas vor der Französischen Revolution.


 „Dann sollen sie eben Kuchen essen.“ Angeblich sagte das die französische Königin Marie Antoinette, als man ihr zutrug, das einfache Volk in Paris habe nicht einmal ein Stück Brot zu essen. Der Satz machte zu einem Zeitpunkt die Runde, da in Frankreich die Getreidernte schlecht war, die Brotpreise explodierten und Hunger sich ausbreitete. Dies geschah am Vorabend der Französischen Revolution. Das Zitat wurde zum Synonym für die Arroganz des Hochadels im späten 18. Jahrhundert. Zwar wissen wir heute, dass Marie Antoinette den Satz nie gesagt hat. Wahr ist jedoch, dass ihr Volk darbte, während sie einen beträchtlichen Teil des Nationaleinkommens für Luxus verprasste.

14 Jahre war die österreichische Prinzessin alt, als ihre Eltern – Kaiser Franz I. und Maria Theresia – sie mit dem 15-jährigen Franzosen Louis-Auguste verheirateten. Ihr Bräutigam war Thronanwärter von Frankreich. Vier Jahre nach der Hochzeit wurde aus ihm König Ludwig XVI. An seiner Seite: ein Mädchen, wie er ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit. Zwei weltfremde Teenager sollten ein Land regieren.
 
Ihr Leben war das einer unbeschränkt herrschenden Kaste. Sie waren die späten Erben des Absolutismus, einer Regierungsform, die in der Folge des Dreißigjährigen Krieges entstanden war. Die absolutistischen Herrscher sahen sich als „Könige von Gottes Gnaden“ – und alle übrigen Menschen als ihnen untertan. Hatten in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ständegesellschaften vor allem die privilegierten Stände Adel und Klerus noch ein gewisses Mitspracherecht in Staatsangelegenheiten, so konzentriert sich im Absolutismus die Staatsmacht fast völlig auf die Zentralgewalt des Herrscherhauses. Es entstehen bis dahin so nicht gekannte, den jeweiligen Herrschaftsbereich überziehende Beamtenapparate. Obendrein unterhalten Fürsten und Könige nun vermehrt stehende Heere.
 
Ausschweifender barocker Lebensstil an den herrschaftlichen Höfen sowie der „moderne“ Beamten- und Militärapparat verschlangen Unsummen an Staatsgeldern. In Frankreich hatte Ludwig XVI. einen hoch defizitären Thron geerbt. Im späten 18. Jahrhunderts war Frankreich so gut wie pleite. Das einfache Volk hungerte. Und das aufstrebende Bürgertum, die neue Bourgeoisie, haderte mit den politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Hemmnissen, die ihnen die absolutistische Ordnung in den Weg stellte. Als der König einen Staatsbankrott verkündete und Steuererhöhungen forderte, brach in Paris die Hölle los.
Der nachgeordnete Adel forderte, die drei uralten Generalstände müssten der Steuererhöhung zustimmen. Zwei Jahre dauerte es, bis der König diesem Drängen nachgab. Am 4. Mai 1789 kamen 900 Abgeordnete zusammen – das erste Mal wieder seit dem Jahr 1614. Zur feierlichen Eröffnung der Versammlung erschien der König mit mehrstündiger Verspätung, beim obligatorischen Gottesdienst schlief er ein. Mehr Desinteresse am Staatswohl konnte er kaum zeigen.

Jetzt gingen die Bürger auf die Barrikaden. Sechs Wochen nach jenem Maitag erklärten sie sich zur Nationalversammlung Frankreichs. Und verstanden sich fortan nicht mehr als Vertreter ihres Standes, sondern als Abgesandte der gesamten französischen Nation. Teile des Adels und des Klerus liefen auf ihre Seite über. Bereits zwei Monate später verabschiedete die Nationalversammlung eine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. In 17 Artikeln wurde festgeschrieben, dass jeder Mensch natürliche und unveräußerliche Rechte hat, wie Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung. Die Erklärung – angelehnt an die Unabhängigkeitserklärung der USA – wurde zu einem Grundpfeiler der Demokratie in Frankreich wie später auch im übrigen Europa.

Zum Symbol der Französischen Revolution aber wurde ein anderes Datum: Am 14. Juli 1789 stürmte das hungernde und aufgebrachte Volk von Paris die Bastille, um dort einsitzende Gefangene zu befreien und an die dort lagernden Munitionsvorräte zu gelangen. Tatsächlich gelang die Eroberung. Obwohl die Operation strategisch kaum von Bedeutung war, hatte sie enorme Symbolkraft. Es war der erste Sieg über den König – die Geburtsstunde einer Revolution, deren Triebkraft aus dem Zusammenwirken aufklärerischer Gedanken, Fortschrittsstreben des Bürgertums, sozialem Elend der Massen und Arroganz der herrschenden Aristokratie erwuchs.
 
Während der folgenden Wochen nahm die Revolution zusehends Fahrt auf. Im Oktober 1789 erfuhren die Franzosen, dass ihr König üppige Bankette feierte statt die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte zu unterschreiben. Wütend und bewaffnet zogen sie – unter Führung der Pariser Waschfrauen – nach Versailles. König und Gefolge wurden gewaltsam dazu gedrängt, nach Paris überzusiedeln. Der herrschaftlichen Kutsche wurden die Köpfe getöteter Leibwächter vorangetragen. Hinterdrein klapperten Karren mit Mehl aus dem königlichen Schloss. Das Mehl sollte jetzt an die Ärmsten verteilt werden. Das Ende der Monarchie zeichnete sich ab. Mit der neuen Verfassung von 1790 wurden adlige Privilegien und Titel aufgehoben: Der König etwa trug jetzt den Bürgernamen Louis Capet.

1791 stimmte er der Umwandlung Frankreichs von der absoluten in eine konstitutionelle Monarchie zu. Er war nun nicht mehr Herrscher von Gottes Gnaden, sondern erster Repräsentant des Volkes. Doch der König war stark beschädigt, unter anderem auch durch einen gescheiterten Fluchtversuch und Schulterschlüsse mit deutschen Fürstenhäusern. So hatten die Jakobiner, eine Partei radikaler Republikaner, leichtes Spiel. Auf ihr Betreiben hin wurde im August 1792 die Monarchie gewaltsam beendet. Der König und seine Entourage wurden gefangen gesetzt; kurze Zeit später machte man ihnen den Prozess. Damit endete die erste Phase der Revolution. Es begann die Zeit des Terrors.

Der Nationalkonvent, den die Jakobiner dominierten, rief die Republik aus. Unter der Führung von Maximilien de Robespierre errichteten die Jakobiner ab 1793 eine „Volks“-Diktatur. Politische Gegner wurden nach kurzem Prozess aufs Schafott geschickt. Als einer der ersten wanderte der König selbst unter das Fallbeil, Marie Antoinette wurde neun Monate später enthauptet.
Mit der Hinrichtung des Königs begann die Situation in Frankreich zu entgleisen; und das nicht nur innenpolitisch. Hatten Österreich und Preußen ihre Soldaten bereits gegen das revolutionäre Frankreich positioniert, zogen nun auch Großbritannien, Spanien und die Niederlande sowie die Königreiche Piemont-Sardinien und Neapel in den Krieg. Allen ging es um nichts Geringeres als die Sicherung ihrer eigenen Herrschaft: Jeder Monarch in Europa musste fürchten, dass auch in seinem Land die Menschen dem revolutionären Vorbild der Franzosen folgen.

Wo solches Chaos wütet, schlägt alsbald die Stunde der Emporkömmlinge. Einer von ihnen nutzte die politischen Lage: Mit der Französischen Revolution begann die Zeit eines Mannes namens Napoleone Buonaparte aus Korsika. Als Soldat der Revolution hatte er begonnen, im Italienfeldzug sein militärisches Talent bewiesen. Und als sich die junge Republik von restaurativen Kräften im Inneren wie von England, Russland und Österreich an den Grenzen bedroht sah, rief sie den siegreichen Korsen zu Hilfe. Bonaparte übernahm in einem Staatsstreich die Macht und wurde Erster Konsul der Republik Frankreich, später Kaiser. Die Revolution war – vorerst – zu Ende.


Zusatzinfos

Kurz, präzise, schmerzlos - so hatte sich der französische Arzt Joseph-Ignace Guillotin das Töten mit seiner "Köpfmaschine" vorgestellt. Er wollte die Technik den grausamen Hinrichtungsmethoden entgegensetzen, bei denen bis dahin der Henker oft mehrere Schläge brauchte, bis der Kopf vom Rumpf fiel. Das Fallbeil wurde in Frankreich ab 1792 zur einzigen offiziellen Hinrichtungsart. Was der Mediziner sich niemals hätte vorstellen können: Die Guillotine diente den Revolutionären für Massenhinrichtungen; mehr als 20 000 Menschen sollen während der Revolutionsjahre auf diese Weise getötet worden sein. Der Erfinder litt unter diesem Missbrauch, seine Nachfahren legten sich neue Nachnamen zu.

"Hier beginnt das Land der Freiheit." So steht es auf der Trikolore, die im April 1792 über der Rheinbrücke von Straßburg weht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Revolution nicht mehr nur auf Frankreich begrenzt. Die französische Nationalversammlung hat Österreich den Krieg erklärt. In dieser Stimmung soll ein unbekannter Offizier namens Claude-Joseph Rouget de Lisle binnen einer Nacht der Revolution ein Lied auf den Leib geschrieben haben. Es hat sieben Strophen und beginnt mit den Worten "Allons enfants de la Patrie" - "Auf, Kinder des Vaterlands". Innerhalb weniger Wochen verbreitet sich das Lied im Elsass, wird von zahlreichen Pariser Verlegern übernommen. Drei Jahre später wird es zur französischen Nationalhymne erklärt.


Lesen Sie in Folge 32:
Preußens Revolution von oben


                                                    ***

Impressum: Der obige Haupttext entstand in Anlehnung an einen Vortrag, den Barbara Abigt im Rahmen der Akademie der Marienberger Seminare gehalten hat. Die Textbearbeitung für den Abdruck besorgten Andrea Mertes und Andreas Pecht. Für den Inhalt verantwortlich: Marienberger Seminare e.V. 

Der 80-minütige Originalvortrag ist als Audio-CD mit bebildertem

Begleitheft zu beziehen bei Marienberger Seminare e.V.,

Tel. 02661/6702.

Weitere Infos: >> www.marienberger-akademie.de

Die Reihe „Wissen – Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte“ ist eine Kooperation zwischen Rhein-Zeitung und Marienberger Seminare e.V., sie wird gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.


Erstabdruck 5. Woche im Februar 2012)

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Bisher erschienene Folgen:

2011-04-02 Prolog/Einführung:
Eine Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte

2011-04-02a Folge 1: Mensch zwischen Natur und Kultur

2011-04-23 Folge 2: Die Menschen werden sesshaft

2011-04-30 Folge 3: Ein etwas anderer Blick auf Familie

2011-05-07 Folge 4: Abschied vom magischen Zeitalter

2011-05-14 Folge 5: Die Wurzeln des Abendlandes

2011-05-21 Folge 6: Wie die Demokratie nach Europa kam

2011-05-28 Folge 7: Rom und die Grenzen des Wachstums

2011-06-25 Folge 8: Wie das Denken sich selbst entdeckte

2011-07-02 Folge 9: Die Vordenker aus Griechenland

2011-07-09 Folge 10: Vorhang auf für das antike Theater

2011-07-25 Folge 11: Ursprünge der abendländischen Musik

2011-07-30 Folge 12:  Antike Naturwissenschaft

2011-08-07 Folge 13: Antike Architektur

2011-08-20a Folge 14: Bildende Kunst der Antike

2011-08-27a Folge 15: Kindertage des Christentums

2011-09-30 Folge 16: Kriegszüge im Zeichen des Kreuzes

2011-10-24b Folge 17: Romanik und Gotik

2011-11-07 Folge 18: Mittelalterliche Städtebildung

2011-11-15 Folge 19: Das seltsame Ideal der "hohen Minne"

2011-11-24 Folge 20: Eine neue Macht erwacht - die Liebe

2011-11-24a Folge 21: Mainzer Drucker verändert die Welt

2011-12-08 Folge 22: Die Erde dreht sich um die Sonne

2011-12-15 Folge 23: "Moderne" Naturwissenschaft beginnt

2011-12-15a Folge 24: Die Renaissance

2011-12-22b Folge 25: Luther und die Reformation

2012-01-02a Folge 26: Calvinismus und Kapital

2012-01-05 Folge 27: Der Dreißigjährige Krieg

2012-01-12 Folge 28: Die Geburt der Oper im Barock

2012-01-18 Folge 29: Die Aufklärung

2012-01-24a Folge 30: Immanuel Kant

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