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2012-02-06 Ballettkritik:

"Voices" in Mainz: Drei Choreographien von Pascal Touzeau zu drei Kompositionen von Peteris Vasks

Musik und ballettmainz
sind ganz bei sich

 
ape. Mainz. Voices“, Stimmen, heißt die jüngste Produktion des ballettmainz. Ein dreiteiliger Abend, der mit drei live gespielten Werken des lettischen Gegenwartskomponisten Peteris Vasks musikalisch hochinteressant ausfällt. Und die drei Choreografien dazu machen „Voices“ zur am meisten dem reinen Tanz verschriebenen Arbeit, die Ballettchef Pascal Touzeau bislang in Mainz abgeliefert hat.
 

Diesmal gibt es weder philosophisch und psychoanalytisch überrüstete Performance noch Handlungsballett. Auch die Bühnenmaschinerie, mit der Touzeau so gern spielt, hält Ruhe. Die beiden ältesten dem unmittelbaren Gemütsausdruck dienenden Künste, Musik und Tanz, haben es im Mainzer Staatstheaters nur miteinander zu tun.

Im ersten Teil, „Voice 1“, zu Vasks' „Frühlingsmusik“ für Klavier solo, geht es um Beziehungen. Wir sehen zwei Tänzerinnen sich in engster Verschlingung bewegen. Wie bei einem Welpenknäul im Bau korrespondieren, spielen alle Körperpartien beider miteinander, im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen. Wessen Fuß streichelt da welchen Nacken, welcher Arm umfasst wessen Hüfte? Am Flügel im Hintergrund wechselt Christian Grifa von ruhig-poetischen zu lebhaften, dann zu brachial aggressiven Passagen. Der Tanz folgt; Szene um Szene entfalten andere Paare oder auch ein Trio Variationen der Ausgangslage mit sich ändernden Stimmungen. Annäherung, Nähe, Distanzierung, Ferne, Alleinsein treten an die Stelle des verspielten Zusammenseins. Das ist schön anzusehen.

Die Compagnie setzt mit „Voice 1“ auch die Arbeit an einer eigenen Figurensprache fort, wie sie sich zuletzt im November bei Touzeaus Choreografie „Script“ andeutete. Man wird sehen, wohin sich das noch entwickelt. Für den Augenblick gilt: Es sind beträchtliche emotionale Ausdruckspotenziale erkennbar, doch findet das Auge im unruhig mäandernden Fluss allzu vieler Bewegungen bisweilen noch keinen Halt. Den bietet „Voice 2“ nach Vasks' 2. Sinfonie, einer teils in spätromantischer Opulenz geradezu martialisch auftrumpfenden Musik.

Der Tanz setzt Kontrapunkte zum großen akustischen Gefühlskino, das vom Philharmonischen Staatsorchester unter Michael Millard aus dem Graben geschickt wird. Das Ballett behauptet in schier klassischem Stil die Größe kleiner Menschlichkeit gegen die Gewaltigkeit der Klänge. Sobald die Musik übermächtig zu werden droht, lässt Touzeau für einige Momente den Vorhang schließen. Dann bleibt die Musik mit sich und dem Publikum alleine. Ein Inszenierungsmittel, das begründbar ist, doch nicht wirklich überzeugt.
 
Dieser zweite Teil endet mit einem nicht mehr klassischen, hinreißenden Solo von Anne Jung. In etwas gerundetem, aber unverkennbarem Forsythe-Stil lässt sie alle Bedrohungen und Widersprüche des Vorausgegangenen zu einem Gesamtausdruck existenzieller Bodenlosigkeit zusammenfließen. Für einen seligen Augenblick erinnert sie da an Dana Caspersen, die legendäre Prima der Frankfurter Forsythe-Compagnie.

Schließlich „Voice 3“ auf Basis des Konzerts „Fernes Licht“ für Violine und Streichorchester. Mihail Katev spielt an der Sologeige eine starke Partie. Auch Touzeaus Raumkonzept fasziniert: Erst schafft die entblößte Bühne gewaltige Weite, dann formen herabgelassene Weißwände eine intime Kammer, die nur über zwei Öffnungen im Boden zu betreten ist. Das „ferne Licht“ als Sehnsuchtsort in uns – dessen Möglichkeiten für das Beieinandersein drei Frauen und vier Männer ergründen. Eine bezaubernde Idee. Diese Neufassung einer Touzeau-Arbeit von 2001 in Frankfurt ähnelt thematisch dem ersten Teil. Durch Ausführung in neoklassischem Stil ergibt sich indes eine ganz andere, eine fast romantisch erzählerische Prägung.
                                                                                       Andreas Pecht

Infos: www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck 6. Februar 2012)

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