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2012-03-10 Ausstellungsbesprechung:

Historisches Museum der Pfalz zeigt erlesene Objekte aus dem Ägyptischen Museum Turin
 


Schätze des alten Ägypten in Speyer

 
ape. Speyer. Zweieinhalb Jahrtausende vor Gründung der ersten Stadtstaaten im antiken Griechenland erlebte die Hochkultur des alten Ägyptens eine frühe Blüte. Und verglichen mit der fast 3000-jährigen Abfolge von 31. Dynastien pharaonischen Königtums am Nil war das Imperium Romanum eine recht kurzlebige Erscheinung. Solche Maßstäbe werden einem bewusst angesichts der wunderbaren Artefakte, die von diesem Sonntag an das Historische Museum der Pfalz in Speyer unter dem Titel „Ägyptens Schätze entdecken“ präsentiert.


„Ägyptens Kultur erkennt jeder sofort“, erklärt Museumsdirektor Eckart Köhne bei der Vorbesichtigung. Wie zum Beweis begrüßt eine kunstvoll aus Diorit gemeißelte Statue des Tutmosis I. den Besucher. Der um 1500 vor Christus herrschende Mann sitzt mit parallel abgestellten Beinen, auf den Schenkeln ruhenden Händen und breit um Kopf und Schultern gewelltem Nemes-Tuch nebst Uräusschlange auf seinem Thron.

Die Statue entspricht der im Gegenwartsbewusstsein fest verankerten altägyptischen Ästhetik. Ebenso verhält es sich mit dem gleich dahinter ausgestellten Mumien-Sarkophag von Harwas I.  aus der Spätphase des Reiches um 700 vor Christus. Die Exponate gehören zu rund 350 originalen Objekten aus unterschiedlichsten Epochen des alten Ägyptens, die aus der bedeutenden ägyptologischen Sammlung des Museo Egizio in Turin nach Speyer ausgeliehen sind.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Exponate aus der Nekropole von Assiut, 375 Kilometer südlich von Kairo gelegen. Das altägyptische, seit 3000 vor Christus genutzte Gräberfeld im dortigen Kalksteinmassiv hatte bereits die 167 Wissenschaftler im Heerestross Napoleons beeindruckt. Bonapartes Ägyptenfeldzug war zwar kläglich gescheitert, doch die anbei vorgenommene Bestandsaufnahme von Zeugnissen der seinerzeit in Europa noch weithin unbekannten Hochkultur begründete quasi die nachfolgende Ägypten-Begeisterung bis hin zur modernen Ägyptologie.

Viele der Exponate stammen aus Grabungskampagnen, die der erste Direktor des Turiner Museums, Ernesto Schiaparelli, Anfang des 20. Jahrhunderts in Ägypten und besonders Assiut durchführte.  Sie werden in Speyer zusammengeführt mit der Dokumentation jüngster gemeinsamer Grabungsprojekte von Ägyptologen der Universitäten Mainz, Berlin und Sohag. Ergebnis ist eine Ausstellung, die mit erlesenen Stücken nicht nur glänzt, sondern sie aufs Interessanteste „zum Sprechen“ bringt.

Einen Schwerpunkt bildet der im alten Ägypten. Denn auf das Leben nach dem Tod war diese Kultur hauptsächlich ausgerichtet. Daher rührt das Bemühen, die Körper Verstorbener als Mumien und ihre Organe in eigenen Gefäßen zu konservieren. Mit einer schriftlichen Handlungsanleitung versehen sollte sich der Tote auf den Weg ins Jenseits begeben. Ein Beispiel für dieses Totenbuch präsentiert die Ausstellung ebenso wie Begräbnisbehältnisse von frühen Holzkisten über Tontöpfe bis zu den späteren Sarkophagen in Körperform. 

Zudem wurde Verstorbenen mancherlei ins Grab gepackt, was sie für ein gutes Leben im Jenseits brauchen würden. Speyer zeigt Grabbeigaben etwa in Form von miniaturisierten Küchen, Getreidespeichern, Bierbrauereien oder  Bäckereien.  Diese fein gearbeiteten Stücke lassen mancherlei Rückschlüsse auf den harten Alltag auch des einfachen Volkes zu. Und dem reichen Ägypter wurden filigrane Uschbetis ins Grab gelegt:  Kleine Figuren, die anstelle des Verstorbenen die Arbeitspflichten im Jenseits übernehmen sollten. Ideal waren 365 Arbeitsfiguren, für jeden Tag also eine – und dazu am besten noch ein paar Aufseherfiguren.

Spannend sind die aus Objekten, Reliefzeichnungen und Hieroglyphen-Dokumenten abgeleiteten Erkenntnisse über die Bedeutung der Familie und die Stellung der Frau. Von der Vielehe aus dynastischen Gründen im Königshaus abgesehen, lebten die Ägypter monogam. Allerdings waren Scheidung und Wiederverheiratung jederzeit möglich. Die Frau versorgte Haus und Kinder, war jedoch dem Mann rechtlich weitgehend gleichgestellt: Sie durfte Verträge schließen, Geschäfte machen, sie konnte Alleinerbin sein und das Erbe auch selbst verwalten.

Wie einem das damalige Familienleben recht heutig vorkommt, so auch das Schönheitsideal.  Skulpturen und Malereien idealisieren, stellen Gesichter und Körper als jung und schön dar. Der Schnitt durchscheinender Frauenkleider betont die Körperform, gezupfte Brauen, geschminkte Lieder und Lippen, lackierte Nägel waren offenbar modisches Muss. Dazugehörige originale Utensilien vom Toilettenkästchen über Schminkset bis zur Rupfpinzette belegen das – bei der fulminanten Speyerer Zeitreise durch Lebenskultur und Totenkult im alten Ägypten.                               Andreas Pecht



(Erstabdruck 10. März 2012)

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