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2012-03-13c Porträt / Reihe "Nach Dienst":

 

Der Klarinettist als Verleger


Paul Schmitt gibt seit 20 Jahren Schulen und Spielhefte nicht nur für Klarinette heraus


ape. Koblenz. Was tun Musiker/innen der Rheinischen Philharmonie, wenn sie nicht musizieren, proben, üben? Unsere Artikelreihe „Nach Dienst“ sucht einige Orchestermitglieder auf, erzählt von ihren nicht immer alltäglichen Hobbys und Passionen. Das vergangene Folge berichtete über den Fagottist Michael Rohland, der sich ganz praktisch engagiert für den Erhalt historischer Bausubstanz. Diesmal stellen wir das verlegerische Wirken des Klarinettisten Paul Schmitt vor, der seit 20 Jahren in seiner Freizeit den „Musik- und Geisteswerte-Verlag“ betreibt.


Gut 15 Minuten braucht Paul Schmitt von seinem Häuschen in Urbar zum Görreshaus im Zentrum von Koblenz – mit dem Fahrrad. So das Wetter nicht zu garstig ausfällt, fährt er regelmäßig auf diese Weise zur Arbeit bei der Rheinischen Philharmonie. Nicht, weil das billiger ist und oft   schneller geht als per Auto. Vielmehr zählt Radfahren zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen des Klarinettisten und ist ihm obendrein umweltbewusstes Verhalten ein Herzensanliegen. Natur genießt bei dem 54-Jährigen generell sehr hohe Wertschätzung, weshalb ausgedehnte Wanderungen   ebenfalls zu seinen Vorlieben zählen. Doch im Zentrum seiner Freizeit steht eine andere Passion: Schmitt betreibt seit knapp 20 Jahren einen eigenen Verlag, den „Musik- und Geisteswerte-Verlag“.

Im Keller des Wohnhauses liegt das „Papierlager“: Dort stapeln sich die Reste der jüngsten Druckauflage seiner Schulen für Klarinette, für Saxophon, Querflöte und Oboe. Vor allem Erstere wird er bald nachdrucken müssen, denn der Vorrat ist schmal geworden, die Nachfrage aber kräftig. Zum Verlag gehört im Erdgeschoss ein kleines Büro nebst Sortimentlager für mehr als vier Dutzend Ausgaben von Duo- und Trio-Spielheften für Anfänger wie Fortgeschrittene auf den genannten Instrumenten. Stücke von Bach, Mozart, Brahms oder Spirituals, Jazz, Tänze, Lieder, Opernmusiken – von Paul Schmitt eigenhändig gesetzt fürs gemeinsame Musizieren der Schüler oder der Schüler mit ihrem Lehrer.

 Im Obergeschoss schließlich das „Herz des Verlages“. So nennt der Hausherr das Equipment aus  miteinander verkoppelter elektronischer Klaviatur und Computer im heimeligen Zimmer unter den Dachschrägen. Was die eher unscheinbare Apparatur alles kann, macht den Laien Staunen:  Auf den Tasten gespielte Töne tauchen auf dem Bildschirm als druckschön geschriebene Noten auf, die am Computer mit leichter Hand sortiert, rhythmisiert, transponiert oder anderweitig bearbeitet werden können. Bleistift und Radiergummi: Das traditionelle Werkzeug der Tonsetzerei braucht kein Mensch mehr. Für Schmitt ist die neue Technik längst ein alter Hut – und die Grundlage dafür, neben seinem Hauptberuf als Orchestermusiker im Einmann-Feierabendbetrieb ein derart umfangreiches Verlagsprogramm auf die Beine zu stellen.

Wie kommt ein Orchestermusiker dazu, Schulen für den Instrumentalunterricht zu schreiben und selbst zu verlegen? Antwort: „Ich gab damals noch Klarinetten-Unterricht, hatte aber die seinerzeit einzige sinnvolle Klarinetten-Schule durch ständiges Benutzen einfach über. Es gab darin auch einige didaktische Probleme, und ich fand es schade, dass alle Stücke in ihr nur einstimmig waren.“ Kurzum: Schmitt begann, für seine Schüler eigenes Übe- und Spielmaterial zu entwerfen – bis er schließlich eine komplette eigene Klarinettenschule in Händen hielt. Was damit tun? Sie einem Musikverlag anbieten oder selbst den Schritt auf den Markt wagen? Er entschied sich für Letzteres, schrieb alle Musikschulen Deutschlands an, sie mögen seinen Klarinettenband mal ausprobieren und bei Nichtgefallen halt wieder zurückschicken. Das war vor 20 Jahren. Inzwischen umfasst die Klarinettenschule zwei Bände und ist mit einer verkauften Gesamtauflage von mehr als 10 000 Stück der Bestseller im Verlagsprogramm.

Was unterscheidet seine Schule von anderen? Allerhand. Besonders auffällig sind drei Elemente. Erstens: Jeder Schritt wird für den Schüler sogleich verbunden mit echten, wohlklingenden Musiziererlebnissen, auch mehrstimmigen beim Zusammenspiel etwa  mit dem Lehrer. Zweitens: Viele von Schmitt selbst geschriebene Stücke passend zum jeweiligen Fortschritt. Drittens: Die beiden Bände stellen eine komplette Grundausbildung dar, der Schüler kann anschließend zur Standardliteratur übergehen. Diese Prinzipien hat Schmitt auch auf das Notenmaterial für die anderen Blasinstrumente seiner Sparte übertragen. Dass er dabei nicht nur zum Arrangeur wird, sondern auch mal Komponist sein darf, ist einer der Faktoren, dass ihm die Verlagsarbeit bis heute Freude macht. Was auch so sein muss, denn „reich wird man damit nicht.“
 
Der Klarinettist ist von Herkunft ein Eifeler Jung. Geboren 1957 in Bitburg, aufgewachsen nahebei im Eifeldorf Röhl, kam er auf landläufige Art zur Musik: Sein Vater, Vorsitzender des örtlichen Musikvereins, rekrutierte den 9-Jährigen mit den Worten „wir brauchen Klarinetten“. Und weil Paul noch so klein war, drückte man ihm auch ein „kleines Instrument“ in die Hand, eine Es-Klarinette. Was schiefgehen musste, weil just die kleinste Klarinette den größten Kraftaufwand erfordert. Erst nach etlichen vergeblichen Anblasversuchen hatten Vater und Verein ein Einsehen: der Jung bekam „eine richtige Klarinette“.

Mit der machte er über die Jahre beträchtliche Fortschritte, hielt sich schließlich  für einen beachtlichen Klarinettisten. Das aber waren nur die Maßstäbe des Dorfes, wie der Wehrpflichtige Schmitt bei Dienstantritt im Heeresmusikkorps 5 zu Koblenz entgeistert feststellen musste. Doch weil er sich ein Leben als Berufsmusiker in den Kopf gesetzt hatte, biss sich der junge Mann lernend und übend, übend und lernend zum Klarinettenstudium an der Musikakademie Detmold durch. Nach dem Abschluss dort wurde 1984 ausgerechnet das 13. Bewerbungsvorspiel bei einem Orchester für ihn zum Glücksfall: Die damals von James Lockhart geleitete Rheinische Philharmonie Koblenz engagierte ihn als Erweiterung der Bläserbank auf vierfaches Holz. Traumjob erreicht, und das heimatnah in einer Stadt, die ihm zusagt – bis heute.

Bleibt abschließend die Frage nach dem zweiten Bestandteil des Namens „Musik- und Geisteswerte-Verlag“. Was hat es auf sich mit den „Geisteswerten“? Das Gespräch wendet sich nun ins Philosophisch-Weltanschauliche. Schmitt beklagt, dass der Moderne zusehends Spiritualität und Geisteswerte abhanden kämen. Dass die Menschen Gespür, Verständnis und Verantwortung für die  natürliche Ganzheit der Lebenswelt verlieren würden. Gegen diese Tendenz wollte und will er mit seinen bescheidenen Mitteln angehen. Weshalb er anfangs versuchte,  über seinen Verlag auch ausgewählte Bücher entsprechenden Inhalts zu verbreiten. „Das hat aber nicht funktioniert“, räumt er ein. „Man sieht meinen Verlag eben als Musikverlag.“ Was Paul Schmitt nicht hindert,   regelmäßig mit eigenen Texten in einer ganzheitlich orientierten Zeitschrift für eine spirituelle Weltsicht zu werben.                         Andreas Pecht     

(Erstabdruck 10.  Woche im März 2012)

                                                 ***

Bisher in der Reihe "Nach Dienst!" erschienen:

2009-10-12  Solofagottist schreibt seine eigenen Noten

2010-04-01 Der Trompeter auf dem Fußballplatz

2010-10-05b Zwischen Kontrafagott und Klangschalen-Massage

2011-02-10b Cello-Pensionärin kümmert sich um Orchester-Cafeteria

2011-10-11 Fagottist  wird "nach Dienst" zum Denkmalpfleger


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