Thema Wissenschaft / Bildung
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2012-04-11 Serie "Wissen":

Folge 40 und Schluss
 

Ein neues Verständnis vom Universum

 
ana/ape.  Ist die Natur sprunghaft statt beständig? Sind Zeit und Raum wirklich relativ? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begründeten die Entdeckungen von Max Planck und Albert Einstein ein neues Verständnis vom Universum.



Es ist eine erstaunliche Karriere, die der „Quantensprung“ gemacht hat. Der Ausdruck dient dazu, außerordentliche Neuerungen zu beschreiben. Der Fiskalpakt? „Ein Quantensprung für Europa“, findet Rainer Brüdele. Der neue Luxus-Kleinwagen eines schwäbischen Autobauers? „Ein optischer Quantensprung“, jubelt die Fachpresse. Und selbst der Regionalfußball erlebt in der Berichterstattung bisweilen Quantensprünge – etwa, wenn ein Kicker von einer neuen Position aus besser spielt als je erwartet. Auf seinem Weg von der Wissenschafts- in die Umgangssprache hat der Quantensprung einen erstaunlichen Bedeutungswandel mitgemacht. Dabei wissen die meisten, die von ihm reden, nicht, was sich eigentlich dahinter verbirgt.

Die Sache ist nicht einfach, denn sie hat mit höherer Physik zu tun. Das physikalische Konzept des Quantensprungs resultiert aus der Quantentheorie und ist eine Entdeckung des deutschen Physikers Max Planck (1858-1947). Planck, der das Verhalten von Wärmestrahlung erforschte, entdeckte 1900: Strahlung wird nicht kontinuierlich, sondern in Energiepaketen – den Quanten – emittiert. Das Verhalten eines einzelnen Quants lässt sich prinzipiell nicht vorhersagen, weil es dafür keine erkennbare Ursache gibt. Es sind nur statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich.

Der Quantensprung bezeichnet somit den Übergang zwischen zwei Werten einer physikalischen Größe im atomaren Bereich. Gleichzeitig ist er Ausdruck des Bruchs mit dem philosophischen Prinzip der Stetigkeit natürlicher Vorgänge, das bis dahin in der klassischen Physik wie in der Philosophie galt. Diesem Prinzip zufolge konnte es in der Natur keine sprunghaften Veränderungen geben – doch genau das hatte Planck nun widerlegt.

Am 14. Dezember 1900 stellte 42-Jährige auf der Sitzung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft seine Erkenntnisse vor, acht Jahre später erhielt er für seine Begründung den Nobelpreis für Physik. Plancks Quantentheorie brachte das Weltbild der klassischen Physik ins Wanken und legte einen entscheidenden Grundstein für die moderne Wissenschaft und Technik: Ohne seine Erkenntnisse gäbe es wohl die gesamte Mikroelektronik nicht, keinen Laser und keine Energiesparlampen.

Noch ein weiterer Verdienst kommt Max Planck zu: Er zählte zu den Entdeckern von Albert Einstein (1879-1955) und gehörte zu den ersten prominenten Naturwissenschaftlern, die dessen Relativitätstheorie 1905 unterstützten. Zu diesem Zeitpunkt war der Physiker mit der imposanten Haarmähne der Öffentlichkeit noch unbekannt. Doch das Jahr 1905, Einsteins „annus mirabilis“ (Wunderjahr) sollte alles verändern. In rascher Folge veröffentlichte der erst 26-Jährige mehrere revolutionäre Arbeiten, darunter die Spezielle Relativitätstheorie mit der weltberühmten Formel 

E=mc². 

Unter der Annahme, dass die Lichtgeschwindigkeit die Tempogrenze unseres Universums darstellt, erklärte er darin die Relativität von Raum und Zeit.

Einstein, der seine Erkenntnisse durch bloße Überlegung gewann, stellte folgende Theorie auf: Angenommen, in einem sehr schnellen Zug wird genau in der Mitte ein Lichtblitz ausgelöst. Das Licht breitet sich nach vorn und hinten gleich schnell aus und trifft also gleichzeitig am vorderen und hinteren Ende des Zuges auf – so sieht es der Fahrgast im Zug. Ein Beobachter an der Bahnstrecke sieht auch, wie das Licht sich in beide Richtungen ausbreitet. Das hintere Ende des Zuges kommt aber dem Licht entgegen, während der vordere Teil des Zuges enteilt. Also kommt das Licht hinten eher an als vorn. Sehen kann man das nicht, weil der Unterschied viel zu gering ist. Aber mit sehr genauen Uhren kann man es messen.
 
Gleichzeitigkeit ist also relativ. Für den Fahrgast im Zug trifft das Lichtsignal gleichzeitig am vorderen und hinteren Ende des Zuges ein; für den Beobachter an der Bahnstrecke eher am hinteren Ende als am vorderen. Der Bahnsteigbeobachter sieht eine Zeitspanne zwischen beiden Ereignissen, der Zugbeobachter nicht. Also sind auch Zeitspannen relativ. Und: Um eine Strecke zu messen, muss man gleichzeitig ihren Anfang und ihr Ende feststellen, also sind auch räumliche Strecken relativ, je nach Beobachtungssituation unterschiedlich. Raum und Zeit sind relativ, also ist alles, was wir beobachten und uns vorstellen können, relativ. Etwas später bezog Einstein auch die Masse, also die Trägheit von Körpern, mit ein, was ihn zu seiner Formel 

E=mc²

brachte: Energie gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit hoch zwei.
 
Der Weltöffentlichkeit schlagartig bekannt wurde der Physiker, als sich 1919 eine der wesentlichen Voraussagen der weiterführenden Allgemeinen Relativitätstheorie bestätigte. Dieser Theorie zufolge krümmen große Massen den Raum selbst, sodass auch das Licht abgelenkt wird. Genau diese Ablenkung wurde 1919 während einer Sonnenfinsternis bei Sternen nahe der vom Mond verdeckten Sonne beobachtet.

Für seine Arbeiten erhielt Albert Einstein 1921 den Nobelpreis für Physik, und noch heute sind sie in der Forschung aktuell. Für unser Weltbild und in der Geschichte der Aufklärung dürfen sie sicher als ein Höhepunkt und gleichzeitig als Wendepunkt gelten: Indem Einstein Gesetzmäßigkeiten in Bereichen, die unserem Verständnis kaum oder gar nicht zugänglich sind, aufzeigte, relativierte er ungewollt ein zentrales Anliegen der Aufklärung: mit dem Verstand das Unbegreifliche und Mysteriöse vollständig zu verdrängen.

                                                 ***


Nachwort zur Serie:

Wir stecken mittendrin in der Geschichte

Die Folge 40 beendete unsere Reihe „Wissen – Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte“ vor allem des Abendlandes. Mit Albert Einstein sind wir, gemessen an historischen Dimensionen, gewissermaßen in der Gegenwart angekommen. Die Serie - entstanden auf Grundlage einer Vorlesungsreihe der Marienberger Akademie - war der Vorgeschichte bis dahin gewidmet. Sie setzte ein bei den zivilisatorischen Anfängen in der Jungsteinzeit, und sie endet jetzt dort, wo Geschichte realer Erfahrungshorizont noch lebender Menschen ist.


Als Einstein 1955 starb, hatten die ältesten unserer Leser/innen längst das Erwachsenenalter erreicht. Als Kinder hatten sie vielleicht schon den Ersten Weltkrieg, den Untergang des deutschen Kaiserreiches, die Weimarer Republik und das Entstehen der Sowjetunion erlebt.

Für noch mehr heutige Zeitgenossen sind Nazidiktatur und Holocaust, Stalinismus, Zweiter Weltkrieg, Wirtschaftswunder, Kalter Krieg und atomarer Overkill prägende Lebenserfahrungen. Für deren Kinder wiederum ist auch das bereits Geschichte, waren vielmehr Vietnamkrieg, 68er-Bewegung oder Entkolonialisierung der Dritten Welt dominantes Geschehen. Für die Enkel und/oder Urenkel schließlich beginnt jüngste Geschichte mit dem Zusammenbruch des Sowjetreiches, deutscher Wiedervereinigung, Globalisierung, digitaler Revolution oder Klimakrise.

Menschliche Geschichte ist ein fließender Prozess, ihre Gliederung nach Epochen und Umbruchsmomenten entsteht erst im Rückblick. Im 6. Jahrhundert begann das Mittelalter, mit dem 16. die Neuzeit, mit dem 20. die Moderne. In welchem Zeitalter leben wir heute? In der „Postmoderne“, sagt man behelfsmäßig. Demnächst wird wohl eine neue Generation zumindest für Moderne und Postmoderne neue Bezeichnungen einführen, weil nun mal jede Gegenwart Moderne ist.

Gleichwohl benötigen die jeweils Nachgeborenen solch eine Strukturierung, um sich überhaupt im gewaltigen Kosmos der Historie zurechtzufinden. Naturgemäß muss eine Artikelreihe wie die unsrige Mut zur Lücke haben. Denn 40 Folgen im Umfang je einer Teitungsseite sind zwar eine Menge, können aber doch nur einige wenige markante Punkte, besondere Abschnitte oder wirkmächtige Entwicklungen aus gut 30 000 Jahren Zivilisationsgeschichte herausgreifen. Ebenso naturgemäß lässt sich über die getroffene Themenauswahl streiten. Andere Autoren hätten vielleicht andere Aspekte hervorgehoben oder sie unter anderen Blickwinkeln beleuchtet.
 
Ziel unserer Reihe konnte und sollte keine wissenschaftliche Gesamtdarstellung für Kenner sein. Sie war gedacht als möglichst spannende Lektüre und lesefreundliche Orientierungshilfe für Laien auch und gerade ohne akademische Vorbildung. Wenn es gelungen ist, das Interesse an einzelnen Aspekten oder auch dem Verlauf der Geschichte zu wecken und etwas Nachdenken über unser aller Herkommen und Gewordensein anzuregen, hat diese Serie ihren Zweck erfüllt.                                             Andreas Pecht
  

                                                 ***

Impressum: Der obige Text über Planck und Einstein entstand in Anlehnung an einen Vortrag, den Stephan von den Benken im Rahmen der Akademie der Marienberger Seminare gehalten hat. Die Textbearbeitung für den Abdruck besorgten Andrea Mertes und Andreas Pecht. Für den Inhalt verantwortlich: Marienberger Seminare e.V. 

Der 80-minütige Originalvortrag ist als Audio-CD mit bebildertem

Begleitheft zu beziehen bei Marienberger Seminare e.V.,

Tel. 02661/6702.

Weitere Infos: >> www.marienberger-akademie.de

Die Reihe „Wissen – Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte“ ist eine Kooperation zwischen Rhein-Zeitung und Marienberger Seminare e.V., sie wird gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.


(Erstabdruck 15. Woche April 2012)

                                                ***

Bisher erschienene Folgen:

2011-04-02 Prolog/Einführung:
Eine Reise durch die Kultur- und Geistesgeschichte

2011-04-02a Folge 1: Mensch zwischen Natur und Kultur

2011-04-23 Folge 2: Die Menschen werden sesshaft

2011-04-30 Folge 3: Ein etwas anderer Blick auf Familie

2011-05-07 Folge 4: Abschied vom magischen Zeitalter

2011-05-14 Folge 5: Die Wurzeln des Abendlandes

2011-05-21 Folge 6: Wie die Demokratie nach Europa kam

2011-05-28 Folge 7: Rom und die Grenzen des Wachstums

2011-06-25 Folge 8: Wie das Denken sich selbst entdeckte

2011-07-02 Folge 9: Die Vordenker aus Griechenland

2011-07-09 Folge 10: Vorhang auf für das antike Theater

2011-07-25 Folge 11: Ursprünge der abendländischen Musik

2011-07-30 Folge 12:  Antike Naturwissenschaft

2011-08-07 Folge 13: Antike Architektur

2011-08-20a Folge 14: Bildende Kunst der Antike

2011-08-27a Folge 15: Kindertage des Christentums

2011-09-30 Folge 16: Kriegszüge im Zeichen des Kreuzes

2011-10-24b Folge 17: Romanik und Gotik

2011-11-07 Folge 18: Mittelalterliche Städtebildung

2011-11-15 Folge 19: Das seltsame Ideal der "hohen Minne"

2011-11-24 Folge 20: Eine neue Macht erwacht - die Liebe

2011-11-24a Folge 21: Mainzer Drucker verändert die Welt

2011-12-08 Folge 22: Die Erde dreht sich um die Sonne

2011-12-15 Folge 23: "Moderne" Naturwissenschaft beginnt

2011-12-15a Folge 24: Die Renaissance

2011-12-22b Folge 25: Luther und die Reformation

2012-01-02a Folge 26: Calvinismus und Kapital

2012-01-05 Folge 27: Der Dreißigjährige Krieg

2012-01-12 Folge 28: Die Geburt der Oper im Barock

2012-01-18 Folge 29: Die Aufklärung

2012-01-24a Folge 30: Immanuel Kant

2012-02-05 Folge 31: Die Französische Revolution

2012-02-11 Folge 32: Preußens Revolution von oben

2012-02-15 Folge 33: Die Romantik

2012-02-27b Folge 34: Die Musik der Romantik

2012-02-29a Folge 35: Gottes Werk und Darwins Beitrag

2012-03-14 Folge 36: Karl Marx 

2012-03-21 Folge 37: Max Webers Blick auf den Kapitalismus

2012-03-29 Folge 38: Die Väter der technischen Zukunft
 
2012-04-04 Folge 39: Sigmund Freud und die Psychoanalyse


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