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2012-04-24 Vorbericht:

Kultursommer Rheinland-Pfalz 2012 über „Gott und die Welt“


Landesfestival thematisiert die spannende Beziehung  zwischen Kunst und Religion(en)


ape. Rheinland-Pfalz. „Wie hälst du's mit der Religion?“ So fragt bei Goethe besorgt das Gretchen den Faust. Geturtelt hat man schon, nun gelüstet es beide nach mehr. Doch bevor die Maid den Burschen vollends einlässt, will sie in seine Seele schauen. Ist er ein Lump oder ein treulicher Mann? Grete glaubt noch, gute und schlechte Menschen ließen sich anhand der Kategorien rechtgläubig oder falschgläubig, religiös oder nichtreligiös unterscheiden. Hätte sie je über den Tellerrand ihrer kleinen Welt hinausgeblickt, sie wüsste, was sie später bitter erfahren muss: Des Menschen Hand hat Gottes Werk und Teufels Beitrag für alle irdischen Zeiten unentwirrbar ineinander verknäult. Kreuzzüge, Hexenverbrennung, Ablasshandel, Religionskriege, Tyrannei von Männern und Fürsten, Kindesmissbrauch, Ehrenmorde, Terroranschläge, Folter: Religiosität taugt nicht als Maßeinheit für richtig und falsch, gut und böse. Oder?

Dies kann eine von vielen Fragestellungen sein, die das diesjährigen Motto des „Kultursommers Rheinland-Pfalz“ inspiriert. „Gott und die Welt“ heißt es. Im sprichwörtlichen Sinn könnte das alles und jedes meinen, also beliebig sein. Eng betrachtet, könnte es als Impulsgeber für kulturelle Frömmelei verstanden werden. Beides wäre eine Missverständnis, wird im Gespräch mit dem Geschäftsführer und künstlerischen Leiter des Landesfestivals rasch deutlich.

Für Jürgen Hardeck umfasst dieses Motto im wesentlichen zwei Komponenten. Erstens den Umstand, dass die Künste über unzählige Epochen an Kult und Kirche gebunden waren, dort gewissermaßen ihren Ursprung hatten. Tanz, Musik, Theater, Malerei, Architektur, Literatur, Philosophie: Ihre Heimstatt war der religiöse Raum, weshalb Kunstgeschichte stets auch Religionsgeschichte war/ist. Die andere Seite des Kultursommer-Mottos gründet gerade auf die Bemühungen der Künste seit dem 15./16. Jahrhundert, sich von dieser Bindung an die Religion zu befreien, auf eigene Art Sinnfragen (auch religionskritische) zu stellen und den Wert der Kunst an sich fürs menschliche Dasein zu behaupten.

Wie schon in den Vorjahren umfasst der „Kultursommer“ landesweit wieder rund 250 Veranstaltungen zwischen 1. Mai und 3. Oktober. Traditionell befasst sich nur ein Teil davon mit dem jeweiligen Jahresmotto. Auf „Gott und die Welt“ ist laut Hardeck allerdings eine bemerkenswert große Zahl von Veranstaltern aus der rheinland-pfälzischen Kulturszene und nicht zuletzt aus dem Bereich der Kirchen angesprungen. Er wundert sich selbst, „dass erst der 21. Kultursommer sich diesem Thema widmet, obwohl doch so viel unserer Kultur aus dem Umfeld der Religion stammt.“  Bisweilen kommt man auf das Naheliegende eben erst, wenn besondere Umstände einen darauf stoßen.

2011 war es die Koblenzer Bundesgartenschau, die das „Kultursommer“-Motto „Natürlich Kultur“ motivierte. In diesem Jahr ist es das Zusammentreffen etlicher gewichtiger Ereignisse in Rheinland-Pfalz mit religiösen Bezügen, die zum Motto „Gott und die Welt“ führten. Da wäre die Trierer Heilig Rock-Wallfahrt. Da wäre die Ankündigung aus Rom, 2012 die Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben. Da feiert das Kloster Marienstatt im Westerwald sein 800-jähriges Bestehen. Und da setzt die evangelische Kirche ihre „Luther-Dekade“ zur Vorbereitung auf das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation 2017 fort,  und zwar heuer mit dem Thema „Reformation und Musik“. Für den „Kultursommer“ war diese Häufung fast zwingender, aber eben auch willkommener  Anlass, das spannungsreiche Verhältnis zwischen Religion und Kunst zum Jahresschwerpunkt zu machen.

Thematische Vielschichtigkeit und künstlerische Breite des Veranstaltungsspektrums können hier nur mit einigen Beispielen angerissen werden. Das Sangesfestival „RheinVokal“ lädt zu einer Reise durch 800 Jahre geistliche Musik Europas. Es beginnt in St. Kastor zu Koblenz, macht hernach u.a. Station in Andernach, Neuwied, Remagen, Maria Laach, Boppard. Das Koblenz Guitar Festival feiert sein 20-jähriges Bestehen mit einer musikalischen Pfingstmesse. Das Sommerkunstcamp der JuKuWe Koblenz beschäftigt sich unter der Überschrift „Du sollst dir ein Bildnis machen“ künstlerisch mit Hoffnungen, Sehnsüchten, Glaube. Um Glaube und Aberglaube geht es im Theaterstück „Der rheinische Werwolf“ im Juli auf Fort Konstantin.

Sinnfragen der Moderne und die zwiespältige Bedeutung der Religion(en) in der globalisierten Welt
werden Autoren wie Friedrich Schorlemmer, Eugen Drewermann, Martin Walser, Hendrick m. Broder, Hans Küng, Anselm Grün oder Matthias Mattusek aufwerfen. Sie treten bei Lesungen und Diskussionen etwa im Rahmen der „Westerwälder Literaturtage“ oder des „Eifel-Literaturfestivals“  oder beim neuen Festival „Gegen den Strom“ entlang der Lahn auf.  Eingedenk der unaufhaltsam fortschreitenden Entwicklung nicht nur der deutschen Gesellschaft zum multikulturellen, auch multireligiösen Gemeinwesen in einem säkularen Staat muss die Frage aufgeworfen werden: Bezieht sich dieser „Kultursommer“ nur auf die historische Hegemonie christlich geprägter Kultur hierzulande oder wie hält er es mit den anderen Religionen?

Auch wenn die Präsenz der christlichen Einrichtungen naturgemäß sehr stark sei, erläutert Jürgen Hardeck, so spiele der interreligiöse Blickwinkel bei vielen Veranstaltungen eine große Rolle. Daneben gebe es eine Reihe spezieller Programmangebote zu Glaube und Kunst im Islam, im Buddhismus, im Judentum und anderen Kulturkreisen. Der Kultursommerchef verweist u.a. auf die „Nacht der Religionen“ am 31. Mai in der Marktkirche Neuwied, die Sacralmusik aus fünf Weltreligonen zusammenführt. Oder die Westerwälder Weltmusik-Reihe „Musik in alten Dorfkirchen“. Oder die Mainzer Veranstaltungsreihe „Facetten des Judentums“ in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden.                                                              Andreas Pecht

Weitere Infos: >>www.kultursommer.de       



(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
17./18. Woche April/Mai )


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