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2012-06-14 Essay:

Vor 40 Jahren schockierte der Club of Rome mit der Zukunftsstudie "Die Grenzen des Wachstums"


 

Unaufhörliches Wachstum
kann es nicht geben


 
ape. Vor 40 Jahren erschien ein Buch, dessen Inhalt das bis dahin dominierende Selbstverständnis der Zivilisationsentwicklung erschütterte. Sein Titel, „Die Grenzen des Wachstums“, stellte sich wie ein großes Fragezeichen der Vorstellung vom Fortschritt als ewigem Zuwachs an materiellen Gütern entgegen.
 

Die zentrale These der seit 1972 rund 30 Millionen mal verkauften Studie lautete:  „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Und dann? „Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität." Will sagen: Die Weltwirtschaft gerät in die Existenzkrise, der Wohlstand sinkt drastisch, die Ernährung der Weltbevölkerung ist nicht mehr zu sichern. So die Schlussfolgerungen der Zukunftsstudie, die eine Forschergruppe um den amerikanischen Ökonomen Dennis Meadows im Auftrag des Club of Rome erstellt hatte.

Sie fand ein weltweites Medienecho – ein überwiegend ablehnendes mit verkürzenden Schlagzeilen wie „Prognose: Weltuntergang“. Dabei hatte Meadows Team nur erstmals etwas getan, was inzwischen wissenschaftlicher Standard ist: Auf Basis vorhandener Daten sowie zusätzlich angenommener Szenarien computergestützte Simulationen für denkbare Zukunftsentwicklungen errechnet. Gegenstand waren die Wachstumstendenzen in fünf globalen Bereichen: Industrialisierung, Bevölkerungsentwicklung, Welternährungslage, Rohstoffausbeutung und Umweltzerstörung.

Relativ neu war dabei die computerisierte Analyse „rückgekoppelter Regelkreise“. Also beispielsweise die Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung in Abhängigkeit von Sterbe- und Geburtenraten, die wieder abhängig sind von Medizinversorgung und Agrarproduktion, die ihrerseits abhängen von der Industrieproduktion und anderen, etwa sozialen und ökologischen Faktoren. Die abgeleiteten Prognosen skizzierten ein expotenzielles Wachstum in den meisten untersuchten Feldern. Die Größenordnungen würden danach nicht allmählich steigen, sondern sich in immer kürzeren Perioden verdoppeln – und derart binnen 100 Jahren durch Übernutzung der Erde an die Grenzen des Wachstums stoßen.

Die Studie wurde von vielen Seiten kritisiert und später auch verspottet nach der Devise „die Apokalypse fällt aus“.  Moniert wurde die Nichtberücksichtigung technischen Fortschritts in Sachen Rohstoffnutzung und Umweltschutz. Oder die vermeintliche Ignoranz für Entdeckung und Erschließung neuer Rohstofflager. Oder die vage Angabe (in 100 Jahren) hinsichtlich der Zeitmaßstäbe für das Kollabieren diverser Bereiche.

Zwar hat sich die Weltbevölkerung tatsächlich gemäß der 1972er Prognose auf sieben Milliarden verdoppelt. Doch rechnet die Wissenschaft heute nicht mehr mit einer weiteren Verdoppelung, sondern erwartet den Zenit der Bevölkerungsentwicklung bei etwa zehn Milliarden plus X Menschen. Auch kann von einer globalen Ernährungskrise noch keine Rede sein, allenfalls von Ungleichgewichten struktureller und/oder finanzspekulativer Natur. Zwar sind Öl- und Rohstoffverbrauch wie vorhergesagt explodiert. Doch droht die Versorgung vorerst keineswegs zusammenzubrechen, vielmehr strömt Nachschub aus ständig neu entdeckten Vorkommen auf die Märkte. Vorkommen allerdings, die zusehends nur noch mit einem nie dagewesenen Kapitalaufwand zu erschließen sind –  beispielsweise Erdöl, das aus Teersand extrahiert wird oder in Meerestiefen gewonnen, die vor 40 Jahren fördertechnisch noch gar nicht erreichbar waren.  

Gibt es in Wahrheit also gar keine Grenzen des Wachstums? Daran scheinen Politik und Wirtschaft zu glauben, wenn sie mal wieder als einzigen Ausweg aus ökonomisch schwieriger Lage weiteres Wachstum propagieren. Vor solchem Fehlschluss hatten indes schon in den 1970ern selbst Kritiker der Meadows-Studie gewarnt. Deren Datenbasis mag dünn gewesen sein, ihre Methodik teils mangelhaft, ihre Unterschätzung der Innovationskräfte signifikant. In der Grundtendenz lag sie dennoch richtig: Vorräte und Belastbarkeit der Erde sind nicht unendlich; und die gewaltige industrielle Expansion einer nach höherem Lebensstandard strebenden Weltbevölkerung von sieben bis zehn Milliarden rückt im Laufe des 21. Jahrhunderts diversen Grenzen des irdischen Systems zumindest sehr nahe.

Den Blick darauf gelenkt und zum Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit  beigetragen zu haben, war das wichtigste Verdienst jener Studie. Und das schon vor 40 Jahren, obwohl man da von  Klimawandel noch herzlich wenig wusste. Trotz berechtigter Einwände in manchem Einzelpunkt, hat sich seither die Grundaussage von „Grenzen des Wachstums“ in zahllosen Untersuchungen bestätigt. In einigen Teilbereichen ist sie sogar vorfristig übertroffen.

Vor diesem Hintergrund behält auch die zweite, von den Spöttern gerne übersehene, Kernaussage der damaligen Studie richtungsweisende Bedeutung:  „Es erscheint möglich, die Wachstumstendenzen zu ändern und einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen. (…) Je eher die Menschheit sich entschließt, diesen Gleichgewichtszustand herzustellen, und je rascher sie damit beginnt, um so größer sind die Chancen, dass sie ihn auch erreicht.“  Vier Jahrzehnte sind seither verstrichen – aber selbst der wohlhabende Teil der Menschheit tanzt noch immer hauptsächlich ums goldene Wachstumskalb.                                Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
25. Woche im Juni 2012)


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