Thema Kultur / Altertümer
Thema Menschen / Initiativen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2012-06-25a Denkmalpreis RLP:


Die gute Seele von Oberwesel:
der Bauverein


Bürgervereinigung ausgezeichnet für herausragendes ehrenamtliches Engagement in der Denkmalpflege


ape. Was wäre aus dem geschichtlichen Erbe dieser einst stolzen Freien Reichsstadt am Mittelrhein geworden, gäbe es den „Bauverein Historische Stadt Oberwesel e.V.“ nicht? Herbert Jäckel schlägt bei dieser Frage die Hände über dem Kopf zusammen und ruft aus: „Das darf man sich gar nicht vorstellen.“ Der 89-Jährige ist Vorsitzender des Vereins, den 1993 der damalige Bürgermeister von Oberwesel, Willy Wisskirchen, ins Leben rief. Wisskirchen ist inzwischen verstorben, der Architekt Jäckel übernahm von ihm 2004 den Vereinsvorsitz. Vor fast 20 Jahren machten diese beiden und 27 weitere Vereinsgründer den Anfang, heute zählt der Bauverein rund 400 Mitglieder. Und dem freiwilligen Engagement dieser Bürgervereinigung ist es zu danken, dass die aufs Mittelalter zurückgehende Stadtbefestigung von Oberwesel noch immer als eine der besterhaltenen im Rheinland gelten darf.

Denn es stand in den frühen 1990ern richtig schlecht um die im 13./14. Jahrhundert in mehreren Phasen erbaute Stadtbefestigung mit ihren 16 noch bestehenden von ehemals 22 Türmen. Mehr als zweieinhalb Kilometer war die Mauer im historischen Endausbau lang, zwischen 6 und 16 Metern hoch,  durchschnittlich 2,40 Meter stark und mit 12 Stadttoren sowie mindestens 24 bewehrten Pforten versehen. Für das Mittelalter ein gewaltiges Wehrwerk, für die Gegenwart ein interessanter wie imposanter Geschichtszeuge und eigentlich ein kulturhistorisches Schwergewicht der Mittelrheinregion. Doch fachgerechte Pflege und Erhalt dieses stadtgeschichtlichen Erbes konnte die Kommune Oberwesel wegen schwieriger Finanzlage einfach nicht mehr bewältigen.

„Es wurde nur noch punktuell das Allernotwendigste gemacht“, erinnert sich Jäckel an die Zeit vor 1993. Der Gesamtanlage aber drohten Überwucherung, Verfall, Vergessen. Mit dieser beklemmenden Perspektive konnte und wollte sich der damalige Bürgermeister Wisskirchen nicht abfinden. Er wandte sich an die Bürger seiner Stadt, appellierte an ihren Gemeinsinn und initiierte die Gründung des Bauvereins. Damit begann 1993 in Oberwesel eine denkwürdige Erfolgsgeschichte bürgerschaftlichen Engagements, das entscheiden dazu beigetragen hat, dass die Stadt heute ein kulturhistorisch bedeutendes und damit auch touristisch attraktives Element im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal ist.

„Etwa 500 000 Euro verbauen wir jedes Jahr; dazu kommen unzählige freiwillige Arbeitsstunden der Vereinsmitglieder, aber auch anderer heimat- und denkmalbegeisterter Mitbürger“, erklärt Jäckel. Woher kommt das Geld? Von potenten Sponsoren mit familiären oder wirtschaftlichen Bindungen an Oberwesel. Von unzähligen Kleinspendern sowohl aus Stadt und Umland „wie inzwischen auch vermehrt von auswärtigen, ja ausländischen Oberwesel-Freunden“, so Jäckel. Und natürlich stammen erhebliche Mittel aus Fördermaßnahmen der Öffentlichen Hand auf Landes- , Bundes- oder EU-Ebene. „Da dranzukommen ist eine Kunst für sich und macht nicht eben den kleinsten Teil der Arbeit der vereinsverantwortlichen aus.“

Und wofür wird das Geld ausgegeben? Der rührige Senior listet ein lange Reihe von umfangreichen Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen auf, die der Bauverein seit seiner Gründung in Auftrag gegeben beziehungsweise selbst durchgeführt hat. Im Zentrum standen dabei „Sicherung, Restaurierung und Begehbarmachung“ immer neuer Abschnitte der Stadtmauer von Oberwesel mitsamt Türmen und Toren. Doch gilt die Aufmerksamkeit des Vereins auch anderen historischen Hinterlassenschaften in der Stadt und ihrem nächsten Umfeld. So führte er beispielsweise umfangreiche Sanierungsarbeiten an der Kirchenruine des ehemaligen Minoritenklosters in Oberwesel durch.

„Befundgetreu“ ist einer der bei Jäckel immer wieder auftauchenden Begriffe. Damit spricht er ein grundlegendes Selbstverständnis des Bauvereins Historische Stadt Oberwesel an: Der wolle keinen nostalgischen Erlebnispark in Szene setzen, sondern in enger Zusammenarbeit mit der Landesdenkmalpflege und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz das baugeschichtliche Erbe der Stadt vor dem Verfall bewahren und denkmalpflegerisch sachgerecht erhalten. Zu diesem Zweck gibt es beim Bauverein auch einen wissenschaftlichen Beirat, besetzt mit renommierten Kunsthistorikern, Architekten, Bauspezialisten und Archäologen. Obendrein arbeitet der Verein eng mit der Fachhochschule Mainz zusammen.

Zum Erhalt des Erbes tritt auch dessen Vermittlung an Bürger und Besucher. Der Bauverein betreibt eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit mit Veranstaltungen, Vorträgen, Stadt- und Kirchenführungen sowie Publikationen. Der von ihm herausgegebene historische Stadtführer „Eine Zeitreise durch Oberwesel“ ist ebenso eine Stütze der Vermittlungbemühungen wie die informative eigene Website im Internet. Ein von Vorstandsmitglied Anton Schwarz verfasstes Buch „Bürger im Schutz ihrer Mauern – 800 Jahre Stadtbefestigung Oberwesel“ ist aktuell in Vorbereitung. So trägt der Verein durch seine Arbeit wesentlich dazu bei, die geschichtliche, städtebauliche und inzwischen auch wieder touristisch-wirtschaftliche Bedeutung der mittelalterlichen Befestigungsanlage im Bewusstsein der Bevölkerung Oberwesels wie der allgemeinen Öffentlichkeit zu verankern.

Und wer glaubt, Denkmalschutz sei nur etwas für ältere Zeitgenossen, der wird vom Vorsitzenden des Bauvereins Oberwesel eines Besseren belehrt: „Nachwuchssorgen? Die haben wir nicht. Bei uns machen eine ganze Menge junger Leute mit.“
  

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
20.  Juni  2012)


---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken