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2012-10-25 Zwischenruf:

 

Braucht jemand noch die Winterzeit? Eher nicht. Dann weg damit.

 
ape. Plötzlich summt, surrt, rattert mitten in der Nacht der Elektrowecker aufgeregt vor sich hin. Anderntags müssen PC, Telefon, Radio, Fernseher und die Uhr im Auto sich erstmal sortieren. Wer keine satelliten- oder netzgestützte Automatik-Chronographen hat, der fummelt am letzten Sonntag im März seine Uhren um eine Stunde vorwärts, am letzten Sonntag im Oktober wieder eine Stunde zurück. Jedes Jahr der gleiche Zirkus. Jedes Jahr zweimal auch Kuddelmuddel im persönlichen Biorhythmus: Leib und Hirn werden zu ungewohnter Stunde aus den Federn getrieben, stolpern darob verwirrt durch etliche Tagwerke. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte beträchtlich sein. Und Schüler sind noch übellauniger als sowieso schon zur frühen Morgenstund'. 

Wozu eigentlich der ganze Umstand? Im Sommer ist es am Abend per Definition eine Stunde länger hell. Was uns zupass kommt, seit wir gemäß südländischer Art die schönen Seiten des Lebens in späterer Stunde auf Straßen und Plätzen, Balkonen und Terrassen zu genießen wissen. Aber dolce vita war nicht der Grund, nach drei Jahrzehnten ganzjähriger Einheitszeit 1980 die saisonale Zeitumstellung wieder einzuführen. Im Gegenteil: Die Initiatoren versprachen sich ordentlichen Nutzeffekt für Produktivität und vor allem Energieverbrauch. Längeres Werkeln bei Tageslicht sollte Strom und Heizung sparen.

Daran hatte schon Benjamin Franklin gedacht, als er 1784 über den immensen Verbrauch von Kerzen lamentierte und deshalb die Idee der jahreszeitlichen Uhrumstellung lancierte. Eingeführt wurde sie allerdings erst 1916 im Deutschen Reich und dort bis 1918 praktiziert, verschwand dann wieder, um 1940 reaktiviert und 1950 wieder abgeschafft zu werden. Es fällt auf: In Kriegsjahren scheint man der Manipulation von Tag- und Nachtzeiten besonders zugetan. Indes herrscht in Europa heutzutage Gott sei Dank tiefer Friede. Obendrein macht die fortschreitende Auflösung des Normalarbeitstages in tausenderlei Arbeitszeit-Ordnungen die Unterscheidung von Tag und Nacht ziemlich hinfällig.

„Feierabend“ hat für unzählige Zeitgenossen mit Abend kaum noch was zu tun. Schicht ist, wenn Schicht ist. Und die TV-Sender machen ohnehin rund um die Uhr Programm. Nach Sonne und Mond richtet sich bloß noch die Landwirtschaft – sofern sie nicht in vollklimatisierten Gewächshäusern und Ställen unter Kunstlicht industriell betrieben wird. Sinkenden  Energieverbrauch infolge Zeitumstellung konnte jedenfalls noch niemand messen. Was bleibt als Effekt? Zweimal im Jahr hat die ganze Gesellschaft Mühe mit den Uhren und zweimal im Jahr hat sie „ihre Tage“ biologischer Verwirrung. Zum allgemeinen Durcheinander kommt also jede Saison ein zusätzliches Durcheinander – für nichts und wieder nichts.

Die Russen haben vom unnützen Tohuwabohu jetzt die Nase voll: Sie schaffen in ihrem Land die Zeitumstellung ab. Klugerweise werfen sie dabei nicht die beliebte Sommerzeit, sondern die bisher  als „Normalzeit“ geltende Winterzeit über Bord. Durchaus möglich, dass Russland damit einen Trend setzt. Zumindest macht sich die Jugendorganisation der CSU dafür stark, im übrigen Europa auf gleiche Weise zu verfahren. Diese Koalition mag einem etwas seltsam vorkommen, ihr Ziel indes ist einfach vernünftig: allzeit Sommerzeit.                                                  
Andreas Pecht

(Korrigierender Nachtrag am 27. Oktober: Russland hatte bereits 2011 nicht mehr auf  Winterzeit umgestellt)

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Erstabdruck des Beitrags außerhalb dieser Website am 27. Oktober.



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