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2012-12-10 Konzertkritik:

Russische Klassik von Verspieltheit
bis Kriegsleid


Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Instituts mit Überraschungsmoment zu Ehren von Bernhard Riebling


ape. Koblenz.  Draußen vor der Tür Schnee, herangeweht aus Nordost. Drinnen in der Rhein-Mosel-Halle Musik aus nämlicher Richtung: Mit Werken von Mussorgski, Tschaikowski und Schostakowitsch war das vierte Anrechtskonzerts beim Musik-Institut Koblenz ein rein russischer Abend. Auch einer, der länger wurde als erwartet – um die im Programmheft gar nicht ausgewiesene „Ouvertüre 1812“ von Tschaikowski.  
                        

Der Coup gilt Bernhard Riebling, der nach 44 Jahren als Geschäftsführer des Musik-Instituts seinen Abschied nimmt. Ihm zur Ehre und zum Dank spielt die Rheinische Philharmonie mit der 1812er eines seiner Lieblingsstücke. Das verfehlt seine Wirkung nicht: Wie immer rührt der Eingangschoral schier zu Tränen, raubt das triumphierende Orchesterpathos mit Glockengeläut und Paukendonner zum Ende fast den Atem. Bewegt dankt der auf diese Weise  überraschte Riebling dem Dirigenten Daniel Raiskin. Die Musik hat gesprochen; vieler Worte bedarf es nicht; so will es für diesen Fall auch die Kritik halten.

Im regulären Programm gibt Mussorgskis „Morgendämmerung über der Moskwa“ eine russische Grundfärbung aus Gefühligkeit in landschaftlicher Weite vor. Darauf  folgt mit Tschaikowskis einzigem Violinkonzert ein Evergreen russisch grundierter Romantik. Solist Vadim Gluzman nimmt die enormen spieltechnischen Hürden mit Bravour. Aber damit ist bei einem Geiger seiner Klasse ja zu rechnen. Interessanter die Frage, ob und wie er der Sentimentalitäts-Falle entgeht. Denn so oft wie Opus 35 allüberall konzertiert, eingespielt oder ausgeschlachtet wird, ist es auch ein Ohrwurm aus schmachtender Romantisiererei und zirkusmäßig auftrumpfendem Virtuosentum geworden.

Gluzman meidet den Showeffekt. Stattdessen entfaltet er in souveräner Leichtigkeit einen selten so gehörten Aspekt des Stückes: Verspieltheit. Mit dem Ernst, den Kinder im selbstvergessenen Spiel allen Seiten ihres Gegenstandes widmen, freut sich der Geiger am Reichtum des Tschaikowski'schen Materials. Die Rheinische gibt diesem Duktus durch angemessene Zurückhaltung Raum, übernimmt es zugleich, ihn immer wieder zum großen Panorama „erwachsener“ Emphase aufschäumen zu lassen.

Das Konzert beschließt die 8. Sinfonie von Schostakowitsch, 1943 mitten im Krieg entstanden. Einmal mehr drängt sich der Gedanke auf: Wo Kunst sich mit dem Entsetzlichen befasst, kann sie nicht bloß schön oder erbaulich sein. Raiskin erlaubt keine Entschärfung des in schmerzende Höhen und durch unaufgelöste Moll-Harmonik getriebenen Ausdrucks von Leid im ersten Satz. Das quält, das tut weh – man möchte sich vor der Verzweiflung wegducken.

Nachher dann (attaca) die spieltechnische Meisterleistung des Orchesters an diesem Abend: Eine rhythmische Hatz sondergleichen durch alle Register, aber so punktgenau musiziert, dass sie nie vom schmalen Grat zum Wahnsinn abstürzt. Bevor das Werk in C-Dur leise mit einem Gestus von etwas Hoffnung, doch noch mehr Befürchtung hinsichtlich der Zukunft ausklingt, müssen Orchester und Dirigent einen Moment missverständlicher Unsicherheit ausfechten. Ein kleiner Lapsus nur, rasch vergessen vor dem Hintergrund der noch Stunden nachwirkenden Sinfonie.                                                                                   Andreas Pecht   

Infos: >>www.musik-institut-koblenz.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 10. Dezember 2012)


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