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2012-12-26 Feature/Analyse:


Die Festung Ehrenbreitstein Koblenz: Erfreuliche Bilanz 2012, Ausblick und Erwartungen für 2013


Zwischen Museumsinsel und Vergnügungspark


ape. So. Das erste Nach-BUGA-Jahr ist vorbei. In Koblenz kann man nun ernsthaft mit der Erörterung beginnen: War die Bundesgartenschau nur hübsches Strohfeuer für einen Sommer oder sind mit ihr nachhaltige Verbesserungen in die Stadt und ihr Umland gekommen? Als Messlatte kann natürlich nicht das BUGA-Jahr selbst angelegt werden, denn da herrschte unter fast allen denkbaren Gesichtspunkten Ausnahmezustand. Das gilt auch für die Festung Ehrenbreitstein, die in diesem Artikel genauer betrachtet wird.


Foto: GDKE/Ulrich Pfeuffer

Drei Millionen Besucher 2011 auf dem Ehrenbreitstein werden nie einstellbarer Allzeitrekord bleiben. Die Verantwortlichen bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz als Hausherrin der Festung machen sich da nichts vor. Für sie wie für alle Interessierten stand die Frage im Vordergrund, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die Besucherzahl 2012 das Niveau der Prä-BUGA-Zeit übersteigen würde. Als im Laufe des vergangenen Sommers und Herbstes erst die 300.000er-, dann die 400.000er-Besuchermarke geknackt wurde, hörte man in Koblenz vom Ehrenbreitstein bis nach Güls und selbst im fernen Mainz von manchem Herzen den Stein fallen.

Ende 2012 konnten unter dem Strich mehr als eine halbe Million Festungsbesucher bilanziert werden – etwa doppelt so viele wie im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2009.  446.000 hatten die Kassenapparate zur eintrittspflichtigen Zeit erfasst, rund 100.000 kamen in eintrittsfreien (Abend-)Zeiten hinzu. Für GDKE-Chef Thomas Metz ist das „ein erfreuliches Ergebnis“. Allerdings schöpfe es die Potenziale noch nicht aus. Denn die Nutzerzahlen der Seilbahn liegen um etliche Hunderttausend höher. Heißt: Es gibt sehr viele Besucher des Festungsplateaus, die zwar dort spazierengehen und/oder den Blick von der Aussichtsplattform genießen, die aber keinen Fuß in die Festung selbst setzen.

Das ärgert den Hausherrn natürlich – und motiviert Überlegungen, wie „nachjustiert“ werden kann. Eine Maßnahme im Hinblick auf die heimische Klientel ist die Leistungsausweitung der Jahresdauerkarte 2013: Neben Seilbahnfahren ohne Grenzen und Festungsbesuch nach Belieben gewährt sie freien Eintritt zu noch mehr Sonderveranstaltungen als im Vorjahr. Was die Touristen betrifft: Da altes Gemäuer per se nicht jedermanns Sache ist, wird es gescheit sein, die Auswärtigen bereits an der Talstation der Seilbahn darüber ins Bild zu setzen, dass das alte Preußenbollwerk inzwischen eine Museumslandschaft aus fünf Ausstellungshäusern beherbergt, nebst informativem festungshistorischen Rundgang und mehreren gastronomischen Einrichtungen.

Es sei einmal der Status Quo Ante in Erinnerung gerufen. Wie verlief ein Ausflug zur Festung vor 2011?  Oben durchs Feldtor rein, auf dem Hauptweg vor zum Schlosshof, ein Blick übers Rhein-Mosel-Eck, noch 'ne Tasse Kaffee; Schluss. Ein kurzer Spaziergang nur – bisweilen bereichert durch einen Abstecher ins Landesmuseum und/oder ab 2003 zur (ausgezeichneten !) archäologischen Ausstellung in der Contregard rechts. Die meisten Festungsbereiche aber waren für die Öffentlichkeit unzugänglich. Dem Besucher blieb so der Gesamtorganismus der preußischen Anlage ebenso unbegreiflich wie die Lebenswelt früherer Besatzungen verschlossen. Kurzum: „Die Ehrenbreitstein“ war ein recht stummer Geschichtszeuge – obendrein nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Ganz anders heute. Die Festung ist quasi eine offene Stadt, Museumsinsel und Freizeitpark gleichermaßen. Wer alles jetzt dort Gebotene sehen/erleben will, der hat ein Tagesprogramm vor sich. Von den rund 360 Veranstaltungen im Gelände noch gar nicht gesprochen, die 2012 die Festung „zu einem weiteren Kulturzentrum von Koblenz“ (Metz) machten. Das Angebot soll 2013 ähnlich opulent ausfallen und auch ein ähnlich breites Spektrum abdecken: Von Museums-Workshops, kulturhistorischen Fachvorträgen und geschichtlichen Sonderführungen über klassische, jazzige, rockpopige Konzertreihen sowie Lesungen, Märkte und Kulinarikevents bis zu den großen Kindertagen, Historienspielen oder Festivals a la „Horizonte“.

Die GDKE überschreibt ihr Konzept für den Ehrenbreitstein mit dem Wort „Kulturfestung“. Mit einem Begriff also, der scheinbar Unvereinbares vereint: Kunst/Kultur mit Kriegsmaschine. Darüber mag man stolpern, aber diese verbale Verbindung bezeichnet treffend, womit wir es dort oben jetzt objektiv zu tun haben: Mit einem geschichtlichen Militärdenkmal, das in seiner entmilitarisierten Form sowohl als Ort historischer Aufklärung dient, wie auch als Spielort für Kunst/Kultur und zugleich als allgemeiner Freizeitraum.

Für Veranstalter und Ausstellungsmacher ist das ein gar nicht einfacher Balanceakt. Hier Waffenschau, Militärfolklore, Dschingdarassabum, dort Kinderfest, ernste Klassik, friedensbewegtes Weltmusik-Happening. Oder: Einerseits der Wille zu kulturhistorisch und künstlerisch anspruchsvollen Ausstellungen und Veranstaltungen, andererseits der Wunsch nach populären, massentauglichen Präsentationen und Events. Geht das zusammen? 2012 hat es ganz gut funktioniert. Aber einfach ist das nicht – denn die Interessen, Pflichten, Aufgaben von Touristikern und Vermarktern decken sich keineswegs automatisch mit denen von Denkmalpflegern, Archäologen, Kulturhistorikern und Künstlern. Was ja auch fürs Publikums gilt: Des einen Kurzweil ist des andern Langweil oder gar Graus.

Der Mix will gut bedacht sein – und Preußens Gloria bedarf allemal der ernsthaft geschichtskritischen Begleitung. In diesem Spannungsgefüge muss auch die avisierte Neupositionierung des Landesmuseums auf der Festung erst noch ihren Platz finden. Wir sehen neugierig der im Juni beginnenden Vorauspräsentation zu dessen neuer Dauerausstellung entgegen. Die soll in den letzten 200 Jahren zu internationalen Marken gewordene Erfindungen und Unternehmen aus dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz thematisieren. Damit will das Landesmuseum Koblenz als technik- und wirtschaftshistorisches Museum für das Bundesland reüssieren. Ein ehrenwertes Ziel, dem Gelingen gewünscht sei – und die Klugheit, nicht als regionalpatriotische Werbeschau zu enden.                                                                    Andreas Pecht

Infos: >>www.diefestungehrenbreitstein.de         


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
52. Woche im Dezember 2012)


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