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2013-01-19 Ballettkritik:

Erste Produktion der neuen Delattre Dance Company an den Mainzer Kammerspiele


Ballettdebüt macht Hoffnung auf mehr
 

 
ape. Mainz. Die Geburt eines neuen Ensembles ist stets etwas besonderes. Zumal damit die Aussicht einhergeht, nachher das künstlerische Wachsen des Neulings mitverfolgen zu können. Im  Falle der Delattre Dance Company kommt hinzu, dass in der freien Theaterszene von Rheinland-Pfalz professionelle Ballettformationen eine Rarität sind. Bis zum frühen Tod der Choreographin Nancy Seitz-McIntyre 2006 war deren Truppe am Privattheater Mainzer Kammerspiele das einzige Ensemble dieser Kategorie im Land. An gleicher Stelle gaben nun Stéphen Delattre und sieben Mittänzer als neue Hauscompangnie ihr Debüt.
 

Foto: Delattre Dance Company

Der erkennbar ernsthaft gemeinte künstlerische Aufbruch hat  eine ernstnehmende Kritik verdient, die bei allem grundsätzlichen Wohlwollen für das Projekt dessen unvermeidliche Anfangsschwächen nicht ausspart.

„eXchange“ heißt die dreiteilige Startproduktion. Was Austausch bedeutet, für diese vier Frauen und vier Männer wohl auch Zueinanderfinden. Denn rasch wird deutlich: Hier kommen unterschiedlichste Tanzprägungen zusammen, und die nagelneue Formation hat – naturgemäß – noch ein gutes Wegstück zum eigenen Stil vor sich. Dass vormalige Tänzer vom Staatstheater Mainz dabei sind, sieht man an Anklängen des Forsythe-Stils. Andere bringen van-Manen-, Kylian- oder Palucca-Einschläge mit.

Dem ersten Abendteil, „Konfrontation der Ersetzbarkeit“, kommt diese Verschiedenartigkeit entgegen. Mit Masken, Spiegeln, Kleiderwechseln, diversen tänzerischen Ausdrucksformen handelt er vom Drang, andere Persönlichkeitszüge zu entdecken, auszuprobieren, anzunehmen. Zuerst in kleinteiligen Paarkonfrontationen ziemlich verwuselt, findet die Choreographie schließlich in energiegeladenen Sechserformationen ihr dramaturgisches wie ästhetisches Zentrum. 

Der zweite Teil, „Chapeau(x)!“, ist eine verspielte Nummer, bei der Tänzer im weißen Frack aufs Varieté Bezug nehmen. Eine hübsche Arbeit, deren hintersinniges Insistieren auf die Funktion des Zylinders als Statussymbol wie als Instrument der Achtung und Beglückwünschung („den Hut ziehen vor“) sich allerdings erst aus dem Programmheft erschließt. In dieser Sache besteht bei der neuen Compagnie Emanzipationsbedarf.

Will sagen: Alle drei Choreographien von Stéphen Delattre wollen etwas erzählen, zeigen, zur Diskussion stellen. Wir möchten vorschlagen, dass er sich dazu noch weiter von der kryptischen Art seines vormaligen Chefs am Mainzer Staatstheater, Pascal Touzeau, entfernt – und den Tanz selbst klarer „sprechen“ lässt. Wie das ansatzweise im dritten Teil, „The ART of exPRESSion“, geschieht. Der separiert die Compagnie in zwei Gruppen: Tanzkünstker und Tanzkritiker. Beide teilen die Liebe zur selben Kunst, doch ihr Verhältnis zueinander wird von Eitelkeiten, Missverstehen, ja Feindschaft vergiftet.

Trotz einiger Längen ist die anrührende Umsetzung dieses Themas zu treibender Musik von John Adams in seiner tänzerisch weithin sauber strukturierten Vielschichtigkeit der stärkste Beitrag. So freuen wir uns denn über eine neue, eine "freie"  Ballettcompagnie in Rheinland-Pfalz, nach deren erstem Auftreten festzuhalten bleibt: Da geht was, da scheinen Potenziale auf, die Hoffnung auf mehr machen.                                   Andreas Pecht

Infos:

>>www.mainzer-kammerspiele.de



(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 19. Januar 2013)


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