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2013-01-28 Schauspielkritik:

"Sommer und Rauch" am Schauspiel Bonn. David Mouchtar-Samorai inszenierte das selten gespielte Stück


Tennessee Williams' große Unbekannte
 

 

ape. Bonn. Tennessee Williams zählt zu den überragenden Dramatikern der Nachkriegszeit. Viele seiner Werke sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Bühnenrepertoires. Anders „Sommer und Rauch“. Das 1947 im selben Jahr wie „Endstation Sehnsucht“ in den USA uraufgeführte Stück ist auf deutschen Bühnen kaum gespielt worden. Für die Theater von Rhein-Main bis Köln/Bonn etwa ist mir in 25 Jahren gerade mal eine Aufführung erinnerlich. Groß war deshalb die Neugier auf David Mouchtar-Samorais Inszenierung jetzt am Schauspiel Bonn.


 

Die Premiere lässt an einem Faktum keinen Zweifel: Mit der Pfarrerstochters Alma begegnet dem Publikum eine der großen Williams'schen Frauenfiguren – auf gleicher Höhe mit Blanche aus „Endstation Sehnsucht“, Maggie aus „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ oder Laura aus „Die Glasmenagerie“. Und Nina Tomczak macht mit ihrer Umsetzung der Rolle einen Abend zum ergreifenden Erlebnis, der ansonsten in die Kategorie „ordentlich“ passen würde.


Wie fast immer bei Williams dreht sich auch „Sommer und Rauch“ um Brüche zwischen den Generationen und den Geschlechtern, um Konflikte zwischen überkommenen Moralbegriffen und Freiheitsdrang, um die Suche Einzelner nach einem Lebensweg und -sinn. In diesem Fall stoßen die erwachsenen Kinder zweier konservativer Elternhäuser aufeinander.


Hier Alma, Tochter des puritanischen Pastors (Bernd Braun) und seiner zu Boshaftigkeit neigenden, geisteskranken Frau (Tanja von Oertzen). Da John, Sohn des gestrengen Arztes am Ort (ebenfalls Braun), selbst Mediziner, aber zugleich trink- und spielfreudiger Tunichtgut. Für ihn ist Liebe bloß ein im Unterleib verortetes Körperbedürfnis. Arne Lenk lässt seinen John handwerklich solide durch Wechselbäder gehen: Einerseits fasziniert ihn die Geist, Künsten und seelischen Idealen zugekehrte Alma; andererseits langweilt ihn die „dünnblütige alte Jungfer“.


Beim ersten Date nimmt er sie mit ins verruchte Casino, schlägt dort einen Abstecher ins Stundenzimmer vor. Worauf sie entsetzt das Weite sucht. Umgekehrt flüchtet er, als sie ihn in ihren schöngeistigen Zirkel einführen will. „Sommer und Rauch“ handelt nun vom entgegengesetzten Wandlungsprozess beider – den Almas lange uneingestandene Liebe bei ihm und auch bei ihr motiviert. John endet als etablierter Nachfolger seines Vaters in einer kleinbürgerlichen Ehe mit einer Anderen. Alma zieht zum Schluss laut lachend mit einem eben kennengelernten Handlungsreisenden Richtung Casino los.


Die Regie meidet die Möglichkeiten lauthalser Psycho-Exzesse, setzt überwiegend auf reduzierten Gestus. Heinz Hausers Bühne aus spärlichem Stahlmobilar inmitten halbtransparenter Gaze-Vorhänge vor einem Engelsbrunnen gibt den passenden Raum für ein Spiel, dessen Protagonisten sich buchstäblich bald in klarem Realismus zeigen, bald in Vagheit verbergen.


Nina Tomczak nutzt diesen Raum für eine Alma-Darstellung, die aus vielfältigen kleinen Nuancen in Mimi, Gestik, Haltung und Ton die große Geschichte des Wandels einer ebenso tragischen wie interessanten Frau formt: die inneren Kämpfe zwischen den neurotischen, hypochondrischen, verklemmten Aspekten ihrer Persönlichkeit und der ihr ebenfalls innewohnenden enormen Kraft, grenzenlosen Sehnsucht nach Liebe sowie einer unterdrückten, doch mächtigen Libido. Ob Alma am Ende ihre Befreiung lebt oder aus enttäuschter Liebe zu John in der Gosse landet, dies Urteil bleibt jedem Zuseher überlassen.

                                                                                    Andreas Pecht

(Als Vorlage diente in Bonn eine Neuübersetzung von Inge und Gottfried Greiffenhagen)


Infos: >>www.theater-bonn.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 28. Januar 2013)


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