Thema Musik
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2013-02-18 Konzertkritik:

 

Rheinische Philharmonie riskiert viel und gewinnt


6. Anrechtskonzert Koblenz bietet jung, frisch, feurig klingende Klassik-Interpretationen. Solist: Julian Steckel



ape. Koblenz.
 
 Wenn in Zuhörergesprächen dem Orchester übereinstimmend untadeliges Spiel auf hohem Niveau attestiert wird. Wenn zugleich, wie nach einem Schauspielabend, kontrovers über die Interpretation der Stücke diskutiert wird. Dann, ja dann darf man von einem inspirierenden Konzert sprechen. So geschehen jetzt beim sechsten, dem „britischen“, Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Instituts in der Rhein-Mosel-Halle.
                                        

Auf der Bühne eine Rheinische Philharmonie, die zu fast einem Drittel aus Krankheitsvertretungen besteht. Die Hustenkulisse im Saal zeugt zudem vom derzeitigen grippalen Großangriff. Das Orchester lässt sich davon nicht mürbe machen. Und Dirigent Daniel Raiskin verlässt sich darauf, dass es zum Auftakt sein Konzept für die „Feuerwerksmusik“ des Wahl-Briten Georg Friedrich Händel mit Verve durchzieht.

Oft gehört, nicht selten als betulicher Schreit-Pomp erlitten, klingen die hier ausgewählten drei Teile des Werks jung, frisch, feurig. Raiskin riskiert mit einem enormen Tempo viel. Und gewinnt. Denn Schnelligkeit gibt nur den Rahmen vor. Wofür? Für ein stringent rhythmisiertes, scharf akzentuiertes und mit delikaten Dynamik-Varianten ausgeformtes Treiben zwischen Glanz ohne hochnäsigen Bombast und Zartheit ohne anbiedernden Schmalz. Wir hören Barockmusik in jener  aufrührenden Dichte, die seit einiger Zeit als historisch-authentisch angenommen wird. Woran sich  Hörgewohnheiten reiben und also interessante Diskussionen entzünden.

Etwas abgemildert gilt ähnliches für die (Londoner) Sinfonie 102 von Joseph Haydn . Wieder ist das Tempo hoch, setzt das Spiel markante Akzente. Die nehmen etwa im Menuett-Satz volkstümlich deftigen Charakter an, werden im Finale zum Springteufel-Spiel. Die vielfarbige und geschlossene Intensität des Orchesters lässt im Kopf szenische Bilder entstehen. Musik inspiriert Fantasie: wunderbar.

In diesem Sinne setzt das Cello-Konzert e-Moll des Briten Edward Elgar mit Julian Steckel als Solist den Höhepunkt. Inniger Gesang des Cellos führt in ein elegisches Werk, dessen vier Sätze Spielarten der Melancholie auskosten: Von Verzweiflung über  Schicksalsergebenheit bis zum Aufbegehren. Steckel spielt einen herrlich klaren, offenen Ton. Der behält auch in den leisesten Passagen seinen vollen Klang, meidet selbst in entfesselten Momenten schnarrenden Effektfuror. Von feinsinniger Schönheit sind die Übergaben zwischen Solist und Orchester: ein Anschmiegen an die zu übernehmenden Stimmungen bis in die Obertonschwingung hinein.

Kein „britisches“ Programm ohne Benjamin Britten. Der ist mit „Vier See-Zwischenspielen“ aus der Oper „Peter Grimes“ vertreten. Die vier Stimmungsbilder sind die spieltechnisch größte Herausforderung für den Zusammenhalt des Klangkörpers an diesem Abend. Nicht unangestrengt, aber doch souverän nimmt die Rheinische die Hürde aus komplexen Rhythmen und vielfach gebrochenen Strukturen bis an die Grenze zur Atonalität. Derart aufgewühlt will Raiskin des Publikum nicht entlassen. Er legt mit Elgars in großen Klängen schwelgender Enigma-Variation Nr. 9 eine harmonisierende Zugabe drauf.               Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 18. Februar 2013)


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