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2013-04-03 Glosse:

Eine Nestbeschmutzung



Wir in Rheinland-Pfalz

Ach jeh, so viele Völkerschaften im Bindestrich-Land


ape. Rheinland-Pfalz. Anruf einer Saarbrücker Redaktion beim nahe Koblenz beheimateten Korrespondenten: „Können Sie mal eben nach Kaiserslautern fahren und für uns ein Thema recherchieren?“ Ach jeh, wie jetzt einem Saarländer beibringen, dass dem Koblenzer die Verhältnisse in den Nachbarregionen Nordrhein-Westfalens und Hessens vertrauter sind als die in jenem so fernen Südteil des eigenen Bundeslandes Rheinland-Pfalz? Schließliche Antwort des Mittelrheiners: „Bei euch im Saarland mag alles um die Ecke liegen. Ihr seid von Saarbrücken mit dem Fahrrad schneller in Saarlouis als ich von Koblenz mit dem Auto je in Kaiserslautern sein könnte.“

So ist das nun mal bei uns in Rheinland-Pfalz: Alle Wege vom rheinischen in den pfälzischen Landesteil sind weit, zumal sich Rheinhessen mit der Landeshauptstadt Mainz als Niemandsland dazwischenschiebt. Vom Rhein-Mosel-Eck nach Kaiserslautern und retour sind es 300 Kilometer, von Mainz nach Trier 320, von der nördlichsten Stadt (Remagen) zur südlichsten (Pirmasens) 480. Und wenn du unterwegs vom rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein an der Nahe ins rheinland-pfälzische Betzdorf im Westerwald ein bisschen Pech hast mit LKW und landwirtschaftlichen Fuhrwerken, dann kann die einfach Autofahrt auch mal fünf Stunden dauern. Weshalb seit der künstlichen Zeugung des Bindestrich-Landes im August 1946 sich acht Ministerpräsidenten redlich, aber mit mäßigem Erfolg mühten, ihrem Landesvolk ein Wir-Gefühl einzuimpfen.

Mit etwas Geduld werde zusammenwachsen, was zusammengehört, hatten sich u.a. Peter Altmaier, Helmut Kohl, Bernhard Vogel, Rudolph Scharping und erst recht eine schiere Ewigkeit lang Kurt Beck wohl gedacht. Fragt sich nur: Gehört wirklich zusammen, was da nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengepackt wurde – weil's halt französische Besatzungszone war? Na ja, immerhin hatten wir Rheinland-Pfälzer schon einmal, unter Napoleon, alle gemeinsam zu Frankreich gehört. Und immerhin waren wir bereits vor 2000 Jahren allesamt römisch. „Moment mal!“, tönt es von Westerwald und Taunus herab. „Wir waren nicht dabei. An uns haben sich die Römer die Zähne ausgebissen, eigens als Schutz gegen uns den Limes gebaut. Und von den Napoleonischen war heroben nachher auch nicht viel zu sehen.“

In der Tat erzählt sich die Geschichte der rechtsrheinischen Osthöhen des heutigen Rheinland-Pfalz ganz anders als diejenige in den Tallagen der Rheinschiene und in den linksrheinischen Gebieten beiderseits der Mosel. Schlimmer noch und einem nachgetragenen Wir-Gefühl nicht eben zuträglich: Nachdem das Imperium Romanum das Zeitliche gesegnet hatte, zogen bald über Jahrhunderte die selten brüderlich miteinander verkehrenden Erzbischöfe von Köln, Trier, Mainz allerhand Trennlinien. Und noch schlimmer: Mit dem Wiener Kongress 1815 wurden richtige Staatsgrenzen mitten durchs Land getrieben: Für mehr als 100 Jahre kam die Pfalz zum Königreich Bayern, fiel das Rheinland an Preußen, gehörte der rheinhessische Puffer dazwischen zum Großherzogtum Hessen.

Woher, bitteschön, sollte bei so viel Trennendem authentischer Wurzelgrund für eine gemeinsame Landesidentität von Rheinländern, Rheinhessen und Pfälzern kommen? Zumal allein der einst preußische Norden des Bundeslandes sich obendrein aus allerlei Regionalvölkerschaften zusammensetzt, die sich traditionell immerhin nicht spinnefeind sind, aber doch herzlich gleichgültig: Wäller, Nassauer, Hunsrücker, Eifelaner, Untermoselaner und Moseltrierer, Mittelrheiner, Ahrtäler, Bonn-Anrainer und Siegerländer – deren Dialekte zudem teils verschiedenen Sprachfamilien angehören. Müssten die in Heimatidiomen miteinander konferieren, bräucht' es bald so viele Dolmetscher wie in Brüssel.

Wir in Rheinland-Pfalz: das ist heute Verständigung mittels Tagesschau-Deutsch; 66-jährige pragmatische Gewöhnung daran, von Mainz aus regiert zu werden; allerorten misstrauische Prüfung, ob Landesentscheidungen die Regionen auch ja in gerechter Ausgewogenheit bedenken. Was aber jeder Teil des Landes auf sich gemünzt in jedem Fall sowieso bezweifelt. Ansonsten:  Zieht es Rheinland-Pfälzer mal zum Urbanen, Mondänen oder in die große Kulturwelt, neigt mindestens die Hälfte von ihnen dazu, solche Erlebnisse jenseits der Landesgrenzen zu suchen. Der Pfälzer in Mannheim, Heidelberg oder Baden-Baden; der Rheinhesse in Frankfurt, gar in Wiesbaden; der Rheinländer in Bonn, Köln, Düsseldorf. Denn dort sind wir allemal schneller als in irgendeiner der doch recht kleinen Großstädte im je anderen Teil unseres künstlich  zusammengezimmerten „Heimatlandes“.  Andreas Pecht                                      

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