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2013-06-10a Anmerkungen II. :

Streit um "Koblenzer Seilbahn" nimmt teils hysterische Züge an:

Unesco kann nicht als böser Bube hingestellt werden, nur weil Koblenz Vertragsverpflichtungen
los werden will 


ape. Mittelrhein.  Die Auseinandersetzung um die Koblenzer Seilbahn hat sich übers Wochenende gewaltig aufgeschaukelt und nimmt teils sonderbare, teils schier hysterische Züge an. Durchs Netz und die Leserbriefspalten der regionalen Presse flutet eine Empörungswelle, die fast den Eindruck erweckt, es handle sich beim internationalen Denkmalpflegebeirat Icomos und dem Welterbekomitee der Unesco um eine diktatorische  Besatzungsmacht, die dem Mittelrhein eine Art Morgenthau-Plan (>>Begriffserklärung) aufzwingen wolle. Das ist Unsinn. Lassen wir die Kirche doch im Dorf! Natürlich kann man in Sachen Seilbahn ganz unterschiedlicher Meinung sein: Soll sie als "Publikumsmagnet" bleiben oder aus denkmalschützerischen Erwägungen wieder weg? Das ist eine materielle/ideelle Güterabwägung, bei der man zu verschiedenen Ansichten und zu unterschiedlichen Konsequenzen gelangen kann.


Aber zuerst einmal ist schlicht festzuhalten (was in der derzeitigen Aufregung "vergessen" zu sein scheint):

1.)
Es gibt eine eindeutige vertragliche Vereinbarung aus dem Vorfeld der Bundesgartenschau Koblenz 2011, die Rheinland-Pfalz damals bereitwillig mit der Unesco getroffen hatte. Danach ist die Seilbahn nur eine vorübergehende Einrichtung für die Dauer der Bundesgartenschau nebst zweijähriger Folgewirkung. Danach muss die Bahn 2014 wieder abgebaut werden. Die Unesco hatte dieser temporären Lösung im interesse der BUGA seinerzeit zugestimmt, obwohl sie tendenziell eine solche Seilbahn im Grunde als nicht mit dem Welterbestatus verträglich erachtete. An der Faktenlage hat sich seither überhaupt nichts verändert. Was sich verändert hat, sind die hiesige Einschätzung der ökonomischen Nützlichkeit der Seilbahn, die Sehgewohnheiten vieler Koblenzer sowie ihre emotionale Bindung an die Seilbahn als augenfälligstes Nachwirkungssymbol für ein wunderbares BUGA-Jahr. 

Das ändert allerdings nichts daran, dass das Ansinnen u.a. von Icomos, die Seilbahn jetzt abzubauen, erstmal nur ein Bestehen ist  auf Einhaltung von  ursprünglich in gegenseitigem Einvernehmen geschlossener Verträge. Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten), heißt ein ehernes Rechtsprinzip, das fast so alt ist wie die Zivilisation selbst.  Wenn Rheinland-Pfalz/Koblenz, aus welchen Gründen auch immer, aus seinen vertraglichen Verpflichtungen jetzt raus will, ist das zuförderst ein hiesiger Gesinnungswandel, aber doch nicht Ergebnis einer böswilligen Missetat der Unesco.

2.)
Noch einmal: Der Welterbestatus wurde dem Mittelrhein von der Unesco 2002 nicht aufgezwungen, sondern vom Mittelrhein bei der Unesco beantragt. Er wurde von der Weltorganisation gewährt,  weil das Tal seinerzeit die Kritierien und Bedingungen, die an diesen Titel geknüpft sind, erfüllte. Obendrein hatten sich die rheinland-pfälzischen Verantwortlichen darauf verpflichtet, eben diese Kriterien und Bedingungen auch bei der künftigen Entwicklung des Tales einzuhalten. Formal ist die Sache  eigentlich ganz einfach: Wenn man nun 11 jahre später am Mittelrhein von dieser Selbstverpflichtung nichts mehr wissen will, dann muss man eben auf den Welterbetitel verzichten. Ob Seilbahn in Koblenz oder Sommerrodel, neue Hotels und neue Brücke an der Loreley oder welch andere Bebauungswünsche in den nächsten Jahren noch: Über ihre Vereinbarkeit mit dem Welterbestatus zu entscheiden obliegt nun mal selbstverständlich der Organisation, die diesen Titel vergibt.

Man stelle sich einen zertifizierten Biobauern vor, der plötzlich  mit Kunstdünger und Pestiziden arbeitet. Die Bio-Verbände, die ihn ursprünglich zertifizierten, werden/müssen ihm dann mit Fug und Recht das Bio-Zertifikat entziehen - auch wenn der Bauer selbst fest davon überzeugt sein sollte, dass Kunstdünger und Spritzmittel die Qualität seiner Produkte eher verbessern als verschlechtern. Es ist dem Bauern völlig unbenommen seine Produktion auf konventionell umzustellen, allerdingsdarf er dann eben das Bio-Siegel nicht mehr auf seine Produkte pappen. Beides zusammen kann er nunmal nicht haben.

Es ist auch Rheinland-Pfalz völlig unbenommen, sämtliche Vereinbarungen mit der Unesco aufzukündigen - um freie Bahn zu bekommen für eine ungehinderte Regionalentwicklung nach ganz eigenem Gusto. Man kann das so machen, wenn man will, sollte dann allerdings nicht über die sich daraus ergebenden Folgen lamentieren. Wie gesagt, man kann in Sachen "Seilbahn vs. Welterbestatus" zu dieser oder jener Meinung und Konsequenz gelangen. Aber es ist einfach unlauter, die Unesco als Verein depperter Ignoranten oder autokratischer Bevormunder zu beschimpfen, nur weil einem die Unesco-Bedingungen für den Welterbestatus, die man vor ein paar Jahren selbst feierlich unterschrieben hat, plötzlich nicht mehr in den Kram passen.                                                                                                Andreas Pecht

Noch mehr dazu:  2013-06-07 Anmerkungen I. :
Seilbahn oder Welterbestatus? Icomos meint: Der Mittelrhein kann nur eines von beiden behalten



Nachtrag:

Im Verlauf der großen Empörungswelle gegen Icomos und Unesco, wurde und wird immer wieder der Vorwurf erhoben, die Herrschaften der beiden internationalen Organisationen hätten von den örtlichen Gegebenheiten am Mittelrhein nicht die geringste Ahnung. Wer den heute von rz-online öffentlich zugänglich gemachten jüngsten Untersuchungsbericht von Icomos zur Lage im Welterbe Oberes Mittelrheintal mal näher betrachtet, wird bei unvoreingenommener Betrachtung allerdings unschwer erkennen: Eine sachlichere, kenntnisreichere, detailliertere, das Für und Wider begründende Fakten sorgfältiger abwägende Darstellung ist bislang vom Mittelrhein nicht bekannt - wirtschaftliche Sorgen und Hoffnungen der Anlieger inklusive. Wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, sollte sich unbedingt mal die Zeit nehmen, in das Icomos-Dokument hineinzuschauen. Man kann da sogar noch einiges lernen über die eigene Heimat.

>>Der Icomos-Bericht im Wortlaut (hier)
    


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