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2013-09-16 Ballettkritik:

"American Express": Neue Choreographie von
Steffen Fuchs am Theater Koblenz

Ballettcompagnie trifft Jazz-Orchester


 
ape. Koblenz. Es ist nur ein kleiner, leicht zu übersehender Aspekt. Doch gleich zu Beginn von Steffen Fuchs' neuem Ballett „American Express“ am Theater Koblenz erwärmt er das Herz und fokussiert fortan den Blick auf Details: das Spiel der unsicher und vorsichtig aber neugierig den Boden ertastenden, erfühlenden, ihn schließlich sanft annehmenden nackten Füße von Tänzerin Nina Monteiro. So betritt die Mondprinzessin die Erde, wird dort Zeugin eines Aufeinandertreffens von Sagengestalten aus etlichen Kulturkreisen.
 

Die erste Tanzproduktion der neuen Spielzeit ist ein Experiment. Erstmals arbeiten Ballettcompagnie und das Rhine Phillis Orchestra zusammen. Das geht, das passt, aber einfach ist es nicht. Räumlich schlüssig: Die Jazzformation der Rheinischen Philharmonie besetzt die Hinterbühne wie dereinst Jazz- und Swing-Bands die Tanzpaläste. Die Musik des ersten der beiden Abendteile ist Duke Ellingtons „The River“. 1970 eigens für den großen US-Choreografen Alvin Ailey komponiert, tut sich der Koblenzer Tanz mit dem verzweigten Jazz-Großwerk schwerer als nachher mit drei geradlinig groovenden Stücken von Bob Brookmeyer.

Da zieht sich in „The River“ etwa das Solo eines „namenlosen Gottes“ in die Länge oder könnte nicht nur die Herrenformation der „Jäger“ mehr Figurendichte und Dynamik vertragen. Doch summieren sich zwischen  Ensemblebildern vom ewig wellenden  Strömen des Wassers Impressionen aus finnischer, japanischer, indianischer, antiker Mythologie zu einem poetischen Kaleidoskop. Hirsch, Bär, Ente, Riesin, Jungfrauen, dazu zwei Königskinder in Gummistiefeln: Die stilistische Vielfalt ist ebenso reizvoll wie die Vielzahl trefflicher bis eigenwilliger „kleiner“ Ausdrucksmomente in der Umsetzung.

Höhepunkt dieses Teils ist die Begegnung zwischen Mondprinzessin und Tod: Hier die zarte, leichte, besinnliche Bewegungsstruktur von Nina Monteiro, dort der lakonisch gebrochene Drohausdruck von Rory Stead. Befriedendes Element ist schließlich ein mehrminütiges  Schwebesolo auf Spitze von Irina Golovatskaia als „gefallener Stern“. Eigentlich hätten es mehrere  Sterne sein sollen, aber Verletzungspech von drei Tänzerinnen kurz vor der Premiere reißt der kleinen Compagnie doch spürbare Lücken.

Die eigentlichen Höhepunkt des Abends finden sich im zweiten Teil. Der klopft schwungvoll, peppig, keck sowie hintersinnig Aspekte des American way of life ab – und wirft im „Happy Song“ gleich mal absichtsvoll eine kräftige Dissonanz auf die Bühne. Drei Paare in Stars-and-Strips-Outfit (Ausstattung: Konstanze Grotkopp) mimen Squaredance, der zu Brookmeyers Jazz nicht recht passen will. Derart setzt Fuchs ein dickes Fragezeichen hinter patriotisch überdrehte US-Folklore.

Nachdenklichkeit provoziert auch „Silver Lining“. Darin wickelt Irina Golovatskaia in hinreißender Showtanzmanier als wasserstoffblonder Mix aus Revue-Vamp,  Monroe-Diva und Freiheitsstatue das jetzt hochdynamisch agierende Männerensemble um den Finger. Um was zu tun? Um die wehrtüchtigen Söhne Amerikas zu killen. Mit der titelgebenden Schlussnummer „American Express“ landet der Abend dann bei jugendlichen Ambitionen auf den Aufstieg von der Straße in eine Chorusline und von dort weiter Richtung Broadway-Glanz. Fuchs und Compagnie demonstrieren in einnehmend konzentrierter Lockerheit: So viel Hoffnung, so viel Talent, so viel Tanzfreude und auch Mühe – auf dem verlogenen Highway vom Tellerwäscher zum Millionär.                                                              Andreas Pecht


Infos: >> www.theater-koblenz.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 16. September 2013)


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