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2013-09-25a Feature:

Stabile Faktoren im Koblenzer Kulturleben

Kulturfabrik (Kufa) und Jugendtheater dampfen munter durch ruhiges Fahrwasser

 
ape. Koblenz. Seit 22 Jahren ist das „Koblenzer Jugendtheater“ eine fester, solider, allseits anerkannter Faktor im Kulturleben der Rhein-Mosel-Stadt. 53 Theaterproduktionen sind während dieser Zeit auf die Beine  gestellt worden, wurden jeweils 20 mal oder öfter gespielt. Macht bei einer durchschnittlich 70- bis 80-prozentigen Auslastung der 250 Sitzplätze im Saal der Koblenzer Kulturfabrik (Kufa) in summa mehr als 200 000 Besucher – grob gerechnet und die gelegentlichen Aufführungen im Stadttheater oder zuletzt auf Fort Konstantin nicht eigens ausgezählt. Die älteste mir erinnerliche Produktion war die Lokalrevue „Schängmarie“. Die jüngste erlebte bei unserem Ortstermin in der Kufa gerade ihre 20. Vorstellung. Zwei sollten noch folgen. Damit wäre dann auch das Rockmusical „Frühlings Erwachen“ nach Frank Wedekinds gleichnamigen Schauspiel erfolgreich abgespielt.



76, 64, 35, 24: So alt oder jung sind die vier Gesprächspartner, mit denen wir darüber plaudern, wie es denn dem Jugendtheater und der Kufa dieser Tage so geht. Ein Mehrgenerationen-Quartett im Mehrgenerationen-Kulturhaus an der Koblenzer Mayer-Alberti-Straße. 76 Jahre hat Dieter Servatius auf dem Buckel, der Gründervater des Jugendtheaters und amtierende Geschäftsführer der Kufa GmbH. 64 sind es bei Hans-Werner Schaab, der 2010 von Servatius den Vorstandsvorsitz beim gemeinnützigen Verein Koblenzer Jugendtheater übernommen hat. Mit 35 gehört Christian Altmeier schon einer anderen Generation an: Er war 2001 als Mitspieler zum Jugendtheater gekommen, ist ihm nach seiner bühnenaktiven Zeit dort treu geblieben und heute Schaabs Stellvertreter. Anders als die drei ehrenamtlichen Herren ist die 24-jährige Sabine Stein eine von zwei festangestellten Kräften in der Kufa. Sie kümmert sich um Buchhaltung, Finanzen, Organisation, ihre Kollegin Christin Zirngibel um Veranstaltungsprogramm und Soziokulturprojekte.

Allerdings sind die beiden Frauen nicht für den Jugendtheater-Verein zuständig, sondern als Angestellte der Kufa GmbH auf die Belange der Institution Kulturfabrik verpflichtet. Für Außenstehende ist diese Konstruktion auch nach zwei Jahrzehnten bewährter Arbeit noch immer etwas rätselhaft. Servatius klabüstert die Sache auseinander und wir verstehen dies: Um das Haus als soziokulturelles Zentrum zu erhalten sowie dem Jugendtheater eine Domizil mit Spielstätte zu garantieren, hatten sich Anfang der 1990er 19 Koblenzer Bürger zur GmbH zusammengefunden – und dem letzten der 1980er Kufa-Gründer seine Anteile abgekauft. Seither ist die GmbH Hauptmieter der drei zur Kufa gehörenden Etagen der in Privatbesitz befindlichen alten Fabrik-Immobilie.

Der dritte Stock ist heute fast vollständig an den Jugendtheater-Verein untervermietet, der dort Proberäume, Werkstätten, Fundus unterhält. Im zweiten haben sich diverse kleine Firmen eingemietet. Und im ersten Stock betreibt die GmbH, was man gemeinhin unter Kufa versteht: die Kulturlocation aus Theatersaal, Kleinkunstbühne, Gastronomie – teils mit Veranstaltungsprogramm in eigener Regie, teils als Vermieter der Veranstaltungsräume etwa an das Jugendtheater oder Dirk Zimmers „Schängel“-Theater.

Und wie läuft's so heute, nach 22 Jahren? 76, 64, 35, 24 meinen: prima. Eigener Augenschein: Der große Veranstaltungs- und Vermietungskalender im Kufa-Büro ist ziemlich voll. Neben zahllosen Terminreservierungen für die Stammgäste Jugendtheater und Schängel-Theater sind eine beträchtliche Menge Gastpiele notiert von anderen Theaterensembles, Kabarettisten, Musikgruppen diverser Stilrichtungen, mal aus der Region, mal von weit her kommend. Dazu öffentliche wie von Firmen oder sozialen Institutionen veranstaltete Workshops und Tagungen. Dazu Familienfrühstück, Poetry Slam, schwul-lesbischer Karneval …

Im Haus herrscht an diesem Spätnachmittag reges Treiben. Oben proben bald zwei Dutzend Akteure im Alter von 6 bis 14 Jahren eine Tanzformation für „Schattengreifer“, die nächste Kinderproduktionen des Koblenzer Jugendtheaters. Das Stück nach der Romantrilogie von Stefan Gemmel hat am 18. Oktober Premiere. Zeitgleich trudeln unten die 16- bis 27-jährigen Protagonisten von „Frühlings Erwachen“ ein, um sich für die Abendaufführung herzurichten, einzusingen, warmzutanzen. Nachher treten sie vor dicht besetzen Stuhlreihen auf. Und wieder packt den Zuseher der ganz eigene Reiz des jugendlichen Spiels: Frisch, engagiert, dynamisch ist es noch bei der 20. Vorstellung; was an theatralischem Handwerk fehlt, wird durch Spielfreude ausgeglichen. Gerade mit dem Wedekind-Stoff sind die jungen Leute so sehr bei sich, dass selbst die musical-typische Neigung zum künstlichen Posing ihren Zug zu natürlicher Wahrhaftigkeit nicht beschädigen kann.

Viele wollen immer wieder mitmachen. Doch für jede neue Produktion muss jeder erneut durchs Casting. Weshalb meist aus Neulingen und Wiederholungstätern gemischte Projektensembles entstehen. Was für den einen spannende, lustvolle Jugenderfahrung ist, an der er wächst, wird für den andern zum Einstieg in eine Theaterlaufbahn. Die Comedians Knacki Deuser oder Willi & Ernst, die Schauspieler Tristan Seith und André Wittlich, die Regisseurinnen Cynthia Thurat, Maike Krause und Christina Gassen, die von „Theater heute“ 2011 und 2012 als Kostümbildnerin des Jahres ausgezeichnete Victoria Behr: Sie und etliche andere sind heute Profis der darstellenden Zunft – alle hatten sie erste Erfahrungen beim Koblenzer Jugendtheater gesammelt.

Frage an 76, 64, 35, 24: Wie sehen die Pläne aus für die nähere Zukunft? Beim Jugendtheater steht 2014 eine 90er-Jahre-Revue auf dem Programm, werden in Kooperation mit dem Stadttheater „Oliver Twist“ produziert und
 die Oper „Don Giovanni“. Die Kufa will ihrerseits u.a. in der allgemeinen Comedy-Flut künftig stärker die Fahne des Kabaretts hochhalten; und mit ihren aushäusigen Open-air-Sommernächten zieht sie vom Florinsgarten ins Fort Konstantin um. Obendrein hat man jetzt die Initiative ergriffen für eine engere soziokulturelle Zusammenarbeit mit den Schulen im Stadtteil-Umfeld der Kulturfabrik. Für dies und alles andere sie „Glück auf!“ gewünscht.
                                                                          Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 39/40 im September 2013)

                                               ***

Frühere Artikel aus dem Umfeld Kufa/Jugendtheater Koblenz:

∇ 2006-08-30 Reportage:
Jugendtheater Koblenz probt für "Figaro" im Stadttheater


∇ 2006-06-06 Begegnungen:
Dieter Servatius, das Koblenzer Jugendtheater und die Kufa


∇2005-07-15: Feature
25 Jahre Kulturfabrik Koblenz


∇ 2005-02-21 Musiktheater:
Bühnenkunst contra Possenspiel - "Die Neuberin"


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