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2013-09-28 Ausstellungsbesprechung:

Tara Donovan überrascht im Arp Museum Rolandseck

Profane Massenproduktion
wird hohe Kunst


 
ape. Remagen-Rolandseck. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Dieser auf Aristoteles zurückgehende Lehrsatz ist jetzt im Arp Museum Rolandseck auf vielfältig überraschende Weise sinnlich erlebbar. Von diesem Sonntag an (bis 9.3.2014)  werden dort erstmals in Europa 21 Skulpturen und Wandarbeiten der Us-amerikanischen Künstlerin Tara Donovan gezeigt. Und alle sind sie auf den zweiten oder dritten Blick etwas ganz anderes, als sie auf den ersten zu sein scheinen.



Riesenhaft füllt ein „Haze“ betiteltes Wandrelief die gesamte Südwand des Meier-Baus. Der Saal davor ist fast leer; lässt dem Werk Luft und Raum, ermöglicht dem Betrachter ungestörte Blicke aus unterschiedlichen Distanzen und Winkeln. Von ferne sieht er ein Wolkenbild oder eine von Nebeln verschluckte Hügellandschaft oder ein Gletschergebilde in tausenderlei Nuancen von Weiß. Wattig, wollig, schneeig wirkt das „Bild“. Doch ganz nahe herangetreten, erkennt man staunend: Die bucklige Fläche besteht aus Hunderttausenden über- und nebeneinander gepackten simplen weißen Trinkhalmen.

Dieses Konstruktionsprinzip findet sich in den übrigen Exponaten der in USA sehr erfolgreichen, in Europa noch zu entdeckenden Künstlerin wieder. Was aus wenigen Schritten Abstand wie eine wunderschöne, zwischen Weiß und Rosa changierende Koralle ausschaut, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Skulptur aus unzähligen, profanen Knöpfen der genau gleichen Art und Größe. Was auf den ersten Blick Knäuel aus Zuckerwatte zu sein scheinen, auf den zweiten große Wucherungen von Eiskristallen, enthüllt sich auf den dritten als: tausende zusammengeklebte farblos-transparente Plastikstäbe.

Polyesterfolie, Pappteller, Zahnstocher, Stecknadeln, Tesaband, Trinkhalme, Knöpfe: Industriell gefertigte Produkte der alltäglichen Warenwelt kommen in Massen zusammen – und aus ihrer Summe wird durch kreativen Gestaltungsprozess etwas ihnen völlig Fremdes: Fantasie anregende Kunst von ätherischer Schönheit. Einige von Tara Donovans Arbeiten wirken wie mineralische oder biologische Kleinstrukturen durchs Mikroskop betrachtet: nach dem geheimnisvollen Reglement der Natur gewachsen, ja scheinbar noch immer wachsend, aufquellend, sich vervielfältigend.

Etwa die gewaltige und doch filigrane Skulptur „Mylar“. Zusammengesetzt aus Gruppen unterschiedlich großer Kugeln, die immer neue, kleinere Kugeln hervorzubringen scheinen. Die Kugeln ihrerseits sind geformt aus zahllosen gedrehten, gefalteten, verklebten Rundkegeln von Polyesterfolie. Die Arbeit ist ein raumfüllender Lichtfänger, Lichtbrecher, Lichtspiegel, ist Chaos und höchste Ordnung gleichermaßen. Und die Künstlerin selbst strahlt vor Freude, weil das Arp-Museum mit seinen großen beidseitigen Fensterfronten ihren Werken sich ständig verändernde Wirkungen entlockt.

Nach Bezügen zwischen Tara Donovan und Hauspatron Hans Arp muss man nicht mühsam suchen. Die Gestaltungsprinzipien beider treffen sich im Begriff „biomorph“: Ihre Arbeiten greifen auf natürliche Formen und Strukturen zurück, bilden sie jedoch nicht einfach ab, sondern machen daraus etwas Eigenes. Für die in New York lebende Gegenwartskünstlerin steht dabei und dafür das Experimentieren mit Materialien im Zentrum, die heute allüberall in Gebrauch sind. So findet das Themenjahr „Künstler-Ich“ im Arp Museum mit dieser Ausstellung seinen Höhepunkt in einer faszinierenden Dialektik: künstliches Material der modernen Warenwelt verwandelt in Formen, die Natur entlehnt sind.                                                                                                    Andreas Pecht

Info: >>www.arpmuseum.org

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Louisiana Museum of Modern Art Dänemark


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 18. September 2013)

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