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2013-10-05a Musikwelt / Reihe "Nach Dienst":


Wenn der Flötist die Maschinen rockt


Wolfgang Jablonski spielt seit 1980 Querflöte bei der Rheinischen – Nach Dienst zieht es ihn aufs Motorrad


ape. Koblenz.   Die Artikelreihe „Nach Dienst“ ist den nicht immer alltäglichen Hobbys und Passionen von Mitgliedern des Staatsorchesters Rheinischen Philharmonie Koblenz gewidmet. Die vergangene Folge berichtete über Michael Engl – den Mann mit der Tuba, der in seiner Freizeit türkische Volksmusik und Alpenjazz spielt. Diesmal sprachen wir mit Wolfgang Jablonski über eine Leidenschaft, die ihn noch vor der Liebe zu seinem Instrument, der Querflöte, erfasst hatte: Motorräder.                                        



Man sollte sich eben nie von äußeren Eindrücken zu weiterführenden Schlüssen verleiten lassen. Da spielt der Mann seit 33 Jahren beim Staatsorchester Rheinische Philharmonie versiert und mit zartfühlender Eleganz ein der Form nach kleines, leichtgewichtiges Instrument: die Querflöte. Daheim jedoch, in seiner Freizeit, geht er mit Verve einem Hobby nach, dass man, wenn überhaupt bei klassischen Musikern, eher bei Schlagwerkern, Posaunisten oder Kontrabassisten vermuten würde: Wolfgang Jablonski, der Flötist, wappnet sich mit Lederkluft, zieht Stiefel, Handschuhe, Helm über, bugsiert eine seiner drei ausgewachsenen Motorradklassiker aus der Garage – und begibt sich mit röhrendem Motor „on the road“.

Wie sich das gehört für einen Biker, der mit Leib und Seele bei der Sache ist: Fährt er mal nicht, dann schraubt er an seinen „Mühlen“ herum. Rüstet um, rüstet auf, verändert, verschönert nach eigenem Gefallen. Stundenlang, über Wochen, und selbstredend immer TÜV-verträglich. Denn er will schließlich auf die Straße mit den Maschinen, mal zu kurzen Touren durch den heimischen Westerwald nebst mittelrheinischer Umgebung, mal zu langen Touren, die früher gelegentlich bis nach Skandinavien führen konnten. Von dort stammt auch die Inspiration für das Haus, das Jablonski und Ehefrau sich 2006 am Rande eines Dorfes im Unterwesterwald als Heimstatt gebaut haben. Ganz aus Holz, in typischem Norweger-Rot angestrichen, klebt es beschaulich am Hang, umgeben von kleinen und kleinsten Nebengebäuden – Sommerhäuschen, Saunahütte, Brennholzstadel nebst Hühnerstall und ein selbstgebauter Backes, in dem tatsächlich das eigene Brot gebacken wird.

Dort lebt das Ehepaar Jablonski. Zur Gemeinschaft gehören obendrein zwei Hunde, zwei Hühner und vier Katzen. Im Winter wird der Kachelofen des Haupthauses und der Bollerofen des dann zur Motorradwerkstatt umfunktionierten Sommerhäuschen mit Holz gestocht, das der Musiker eigenhändig aus dem Wald herbeigeschafft, brennfertig zubereitet und aufgestapelt hat. Ein ländliches Idyll, mit dem sich jemand sichtlich einen Traum erfüllt – wie mit den drei Motorrädern auch. Das kleinste davon ist eine sportive 250er Yamaha XT, Baujahr 1981. Ein Typ, der dem Vernehmen nach unter Zweiradfans Kultstatus genießt. Jablonski hat sein Exemplar im vergangenen Winter rundum restauriert. Nun blinkt und blitzt das Maschinchen, wartet zugelassen und fahrbereit auf die nächste Tour.

Daneben steht eine Yamaha XS 400, ebenfalls aus den 1980ern. Die hat sich der Flötist für den nächsten Winter vorgenommen. Dann will er sie zu einem so genannten „Cafe Racer“ umbauen. Meint: Die Maschine soll sich ästhetisch dem Stil jener Motorräder annähern, die in den 1960ern Ausdruck des Nonkonformismus großstädtischer Rockerkultur waren. „Da kommt alles weg, was nicht zum damaligen Stil passt, stattdessen Stummellenker, Einmann-Höckersitzbank und etliches andere dran.“ Ein bequemes Fahren wird das wohl kaum, verlangt die angestrebte Form doch, dass der Fahrer sozusagen im Rennstyle bäuchlings auf seiner Mühle kauert. Aber wer wollte mit solch profanen Einwänden einer echten Liebhaberei zu Leibe rücken. Zumal Jablonski seine Maschinen nicht als Alltagsfahrzeuge begreift: „Damit nach Koblenz zur Arbeit zu fahren, wäre keine gute Idee. Strapazierte Finger und vom Fahrtwind spröde Lippen machen sich nicht gut bei einem Flötisten.“ 

Also bleibt auch das Prachtstück in seinem Zweirad-Trio Gegenstand purer Freizeitpassion: eine in Rot und Chrom funkelnde Harley-Davidson sportster custom, 900 cm³/53 PS luftgekühlt – von Jablonski mit vorverlegten Fußrasten, verbreitertem Lenker, Hypercarger, Bear Bone Seat, Motherwell-Gepäckträger etc. umgerüstet. Derweil der Biker vor Begeisterung strahlend immer neue Einzelheiten ausbreitet, versteht der Laie bald nur noch Bahnhof. Doch muss auch Letzterer bekennen: Das Ding sieht einfach geil aus, fühlt und hört sich auch so an. Harley-Davidson eben, unverwechselbar selbst für jemanden, der gar nichts von Motorrädern versteht.

Für Jablonski ist die Harley „die beste Mühle der Welt; schon beim Anziehen der Klamotten schießt dir das Adrenalin ein“. Und Klamotten meint bei ihm nicht einfach eine x-beliebigen Biker-Lederkluft. Im Schrank hängen mehrere ganz spezielle Jacken: Schimanski-Stil, Western-Stil und natürlich Harley-Stil mit allerlei Aufnähern und Jahresabzeichen aus dem Insider-Umfeld der Kultmarke. Wenn schon Traditionsbiker, dann stilecht mit allem Drum und Dran.

Die bisherige Lebensgeschichte des 1959 im irischen Dublin geborenen Wolfgang Jablonski ließe sich durchaus entlang all der Motorräder erzählen, die er unterm Hintern hatte. Schon als Bub stürzte er sich in Berlin, wo er aufgewachsen ist, beim Kinderkarussell nicht in die Autos, sondern auf die Spielmotorräder. Im familiären Österreich-Urlaub machte der Knabe erste Erfahrungen mit einem echten Vespa-Roller. Es folgte der Motorradführerschein, heimlich, weil der Vater dagegen war. In den Jahrzehnten seither fuhr er eine hier nur unvollständig wiederzugebende Serie von Maschinen: kleine Suzuki, Honda Dax, 250er Honda, 750er-Yamaha Chopper, Suzuki LS 650, anno 2002 die erste Harley und hernach Zug um Zug das jetzige Trio.

Dagegen nimmt sich die musikalische Vita des Querflötisten fast einförmig aus. Die Mutter Bratscherin, der Vater Kontrabassist und Gründungsmitglied der Deutschen Oper Berlin; Sohn Wolfgang bekam mit sechs Jahren Klavierunterricht. Dem 12-Jährigen drückte ein bei den Berliner Philharmonikern spielender Nachbar testweise eine Querflöte in die Hand. Das Talent für dies Instrument wurde sofort hörbar, mit dem Unterricht sogleich begonnen. 1977 kam Jablonski von Berlin nach Köln auf die Musikhochschule, bestand schon drei Jahre vor seinem dortigen Examen ein Probespiel beim Koblenzer Orchester mit Bravour. Das war 1980, seither ist er in der Rheinischen als Soloflötist eine feste Größe und seit 2001 zusammen mit Nico Mahler vor allem durch das Programm „Musikalisches Klassenzimmer“ auch eine wesentliche Stütze der Kinder- und Jugendaktivitäten des Staatsorchesters.

Was nur ist es, das diesen friedfertigen, kunstsinnigen Flötisten ausgerechnet an Motorrädern fasziniert? Mit augenzwinkernder Selbstironie frotzelt er: „Wenn ich im Beruf schon so ein mädchenhaftes Instrument spiele, muss ich privat eben manchmal den Gaucho machen.“                                                Andreas Pecht



(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
Woche 40 im Oktober 2013)

                                                 ***

Bisher erschienene Folgen der Reihe "Nach Dienst":

2013-03-09b:
Michael Engl, Tubist der Rheinischen, macht "Mucken" in Volksmusik und Jazz


2012-10-04a:
Sport, Spiel, Spaß - Orchesterfußball bei der Rheinischen Philharmonie


2012-03-13c:
Klarinettist Paul Schmitt betreibt "nach Dienst" seit 20 jahren einen Verlag


2011-10-11:
Fagottist Michael Rohland wird "nach Dienst" zum Denkmalpfleger


2011-02-10b:
"Cello-Mieze" Marlies Köhn kümmert sich "nach Dienst" um Musiker-Cafeteri
a

2010-10-05b:
Ursual Blobel zwischen Kontrafagott und Klangschalen-Massage


2010-04-01a:
Der Orchestertrompeter Andreas Schaaf als Fußballtrainer


2009-10-12 Musikwelt:
Fagottist Niko Maler macht "nach Dienst" aus der Not eine Tugend





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