Thema Politik / Gesellschaft
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2013-10-18 Essay:

Diskussion um Bischof Tebartz-van Elst wirft alte Fragen verschärft wieder auf
 

Deutsches Manko: nur halbherzige Trennung von Kirche und Staat
 
ape. Der Papst erklärt mitten im Kalten Krieg, die katholische Kirche werde ihr gesamtes Vermögen im Dienste des Weltfriedens für die Bekämpfung der Armut hergeben. Diese Szene beschließt den 1968 entstandenen Spielfilm „In den Schuhen des Fischers“ mit Anthony Quinn in der Rolle des Nachfolgers Petri.

Natürlich ist das eine ideell überhöhte Fiktion. Doch sie berührt, weil darin das Sehnen der Zuseher nach einer Besinnung der Kirche auf den humanen Urkern des Christentums zum Ausdruck kommt. Vor fünf Jahrhunderten gebar solches Sehnen die Reformation. Dieser Tage speisen sich daraus die großen Hoffnungen auf den Bescheidenheitspapst Franziskus – und zugleich die Empörung über den Verschwendungsbischof zu Limburg.

Während im Vatikan noch das Schicksal des Franz-Peter Tebartz-van Elst erörtert wird, hat die Diskussion in Deutschland eine Dynamik entwickelt, die weit über den Limburger Fall hinausweist. Streng genommen finden zwei Diskussionen statt. Da ist, erstens, die Debatte um das innerkatholische Verhältnis zwischen Glaube, Gläubigen, kirchlicher Gemeinde und Kirchenapparat. Man könnte die ganze Problematik den Katholiken überlassen nach der Devise: Im säkularen Staat ist Religion Privatsache und muss jede Religionsgemeinschaft ihre internen Angelegenheiten selbst regeln.

Ob sie dabei ihr Ansehen eher fördert oder schädigt, ist ebenfalls der Katholiken eigene Sache –  wird im Falle der größten Glaubensgemeinschaft in Deutschland von der Allgemeinheit freilich mit gesteigertem Interesse verfolgt. Quasi geheime Kassen, schier feudale Hierarchien und entsprechendes Gebaren einiger Kirchenoberen, undurchschaubare Strukturen und machtlose oder willfährige Kontrollgremien: Limburg zeigt, dass im 2000 Jahre gewachsenen Apparat noch immer Mechanismen und Selbstverständnisse existieren, die Schatten werfen auf die römisch-katholische Gemeinde Christi. Doch sind das Anachronismen, die nur die Gemeinde selbst beseitigen kann. 

Nun ist da eine zweite Diskussion aufgebrochen, die auch den nichtkatholischen Teil der Bürgerschaft angeht: der neuerliche Disput um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Im deutschen Verfassungsgrundsatz gilt die Trennung von Staat und Kirche. In der Realität jedoch sind beide vielfältig miteinander verwoben. Es gibt eine Fülle von in der Öffentlichkeit mehr, minder oder gar nicht bekannten Querverbindungen.

Dass hierzulande die Bischöfe vom Staat aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt werden, sorgte in den vergangenen Tagen beim Publikum für großes Erstaunen. Man wusste weithin einfach nichts von der auf den Reichsdeputationshauptschluss 1803 zurückgehenden Regelung, die fast stillschweigend noch heute beibehalten wird und die Staatskasse jährlich mit hunderten Millionen Euro belastet. Die Diskussion um den Limburger Prunkbau bringt nun zuhauf Zahlen und Zusammenhänge wieder ins Bewusstsein, die vor allem jüngere Bürger überraschen. Denn sie haben die Auseinandersetzungen der 60er- und 70er-Jahre um Quersubventionen der Kirchen durch den bundesrepublikanischen Staat nicht miterlebt.

Je nach Rechnungsart kommen da jetzt zwischen 50 und 100 Milliarden Euro (*siehe Nachtrag) zusammen, die den Kirchen aus dem allgemeinen Steuertopf, über die Kirchensteuer hinaus, zufließen. Nicht alles ist dabei so strittig wie die staatliche Finanzierung von Bischofsgehältern und -pensionen oder  konfessionellem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Dass die weltliche Gemeinschaft sich am Erhalt kirchlicher Denkmäler und Kunstwerke beteiligt, ist im Grundsatz nicht zu beanstanden; es handelt sich um unser aller Kulturerbe. Dass die Allgemeinheit christliche Kindergärten, Jugendpflege- und Fürsorgeeinrichtungen, Altersheime, Krankenhäuser mit Abermilliarden subventioniert, hat seine Ordnung; sie kommen schließlich allen zugute.
        
Aber deutlich werden sollte schon: Wo Kirche draufsteht, steckt teils sehr viel Staatsgeld drin. Weshalb seit Bestehen der Bundesrepublik auch immer wieder die Frage nach der Berechtigung des Tendenzschutzprivilegs für kirchliche Betriebe aufkommt. Darf die Kirche ihre nichtklerikalen Mitarbeiter religiösen Maximen unterwerfen? Darf sie Geschiedene entlassen? Darf sie Angehörigen anderer Konfessionen oder Religionslosen die Anstellung verweigern? Darf sie gewerkschaftliches Engagement in ihren Mauern unterbinden?

Die Praktiken sind in den meisten Einrichtungen liberaler geworden, aber zu den Standards des weltlichen Deutschlands ist es noch weit. Das gilt, wie von Tag zu Tag deutlicher wird, erst recht für Eigentumsverhältnisse und Wirtschaftsführung der katholischen Kirche. Es liegt nun an ihren Mitgliedern, Transparenz, Rechenschaftslegung und verantwortlichen Umgang im Interesse ihres Glaubens und ihrer Gemeinschaft einzufordern. Zugleich ist der Politik aufgegeben, ihr Verständnis vom Prinzip der Trennung zwischen Staat und Kirche neu zu überdenken. Manches alte Kirchenprivileg müsste dringend auf den Prüfstand.
                                                                                     Andreas Pecht               

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 18. Oktober 2013)

* Nachtrag am 19. Oktober:
Es sind derzeit sehr unterschiedliche Angaben über die Höhe staatlicher Zuwendungen an die Kirchen in Umlauf. Auch mir erschienen Beträge in Dimensionen zwischen 50 und 100 MILLIARDEN Euro (angesichts eines Gesamtbundeshaushaltes um 300 Milliarden) zuerst als irrwitzig. Ein neuerlicher Rundblick über diesbezüglich aktuelle Veröffentlichungen in seriösen Medien bestätigt indes folgenden kleinsten gemeinsamen Nenner:  Über viele Kanäle gehen unter vielen Titeln aus vielen Kassen der Öffentlichen Hand auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene 19 Milliarden Euro jährlich an die großen Kirchen für Kindergärten, Schulen, theologische Fakultäten, Entwicklungshilfeprojekte etc. ; zudem fließen rund 45 Milliarden an Diakonie und Caritas; eine halbe Milliarde erhalten die Bistümer (wovon u.a. Gehälter und Pensionen der Bischöfe bezahlt werden).

Ergibt bis hierher 64,5 Milliarden Euro. Noch nicht eingerechnet sind die Öffentlichen Zuschüsse (teils bis 100 Prozent) an kirchliche Krankenhäuser. Nicht eingerechnet sind auch Beträge, die dem Staat wegen diverser Steuerbefreiungen kirchlicher Unternehmungen entgehen sowie der geldwerte Vorteil (laut Cartesen Frerk 1,8 Milliarden), den die Kirchen aus dem international nahezu einmaligen Umstand beziehen, dass in Deutschland der Staat stellvertretend für die Kirchen die Kirchensteuer (rund 10 Milliarden) einzieht, um sie hernach an die Kirchen zu transferieren.    


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