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2014-03-10a Schauspielkritik:

"Bernarda Albas Haus" am Theater Koblenz. Kluge, eindringlichen Inszenierung von Harald Fuhrmann

Wenn Frau nicht Mensch sein darf

 
ape. Mainz. Bemerkenswertes Zusammentreffen: Als an Samstag, dem Weltfrauentag, im Theater Koblenz „Bernarda Albas Haus” zur Premiere kam, demonstrierten in Spanien gerade zehntausende Frauen gegen einen Regierungsplan, das Abtreibungsrecht auf den Status der Franco-Zeit zurückzudrehen. Aus eben jener Zeit stammt Federico Garcia Lorcas Stück, das als „Frauentragödie in spanischen Dörfern” untertitelt ist. Zornig blickt es auf eine Tyrannei aus frauenfeindlicher Tradition, Moral, Bigotterie. Eine Tyrannei, die der Gesellschaft so sehr in Fleisch und Blut steckt, dass sogar Frauen sie über Frauen ausüben.
 


Der 95-minütige Abend hebt an mit Trauergesängen. Der Hausherr ist verstorben. Nun führt Witwe Bernarda (trefflich auf den Punkt gespielt von Kathrin Becker) ein stahlhartes Regiment über fünf erwachsene Töchter, eine verwirrte Großmutter (Marie Anne Fliegel) und zwei Mägde. Ihr erstes Edikt: Acht Jahre lang soll der Haushalt in Trauer verharren, abgeschieden von der Welt, insbesondere von den „geilen Männern”. Nur Angustias, der ältesten und erbberichtigen Tochter wird die Anbahnung einer „standesgemäßen” Ehe mit einem jungen Mann erlaubt.

Dieser Pepe erscheint nie auf der Bühne, beherrscht aber bald alle Sinne der weggesperrten Jungfrauen. Um den Druck, der sich da unter der widernatürlichen Despotie  Bernardas aufbaut, geht es der klug abstrahierenden und eindringlichen Inszenierung von Harald Fuhrmann vor allem. Ausstatter Timo Dentler und Okarina Peter haben eine bühnenhohe Stellage aus kleinen Kammern gebaut: Sinnbild für ein System, in dem jede der Frauen für sich an ungestillten Bedürfnissen leidet, zugleich mit allen andern in eine Burg aus Kontrolle, Eifersucht und nie hinterfragten Benimmregeln eingemauert ist.

Die Konstruktion stellt hohe Anforderungen an die Darstellerinnen, denn sie spielen nur indirekt miteinander. Die Lichtregie zeigt, welche von ihren jeweiligen Kämmerchen aus gerade interagieren. Im gelungenen Ergebnis wird so jede Aktion zum individuellen Seelenausdruck. Der Körpersprache kommt große Bedeutung zu, weil es im rigiden Traditionsumfeld kaum Worte gibt, die Qualen des Zwiespalts zwischen Moralanspruch und Verlangen auszudrücken.

Raphaela Crossey färbt ihre Angustias hysterisch ein. Denn als einzige Heiratsaspiranten sollte sie glücklich sein, fürchtet aber die Schwesternkonkurrenz um Pepe. Kara Schröder lässt die aussichtslose Martirio wie eine enttäuschte Göttin von Hass sprühen. In sich gekehrt die Magdalena von Jana Gwosdek; dampfend fast mehr vor Neugierde als Begierde Katha Thieles Amelia. Schließlich Adela, die sich Angustias Verlobtem insgeheim hingibt: Wie schon als Gretchen im „Faust” entwickelt Magdalena Pircher deren Aufstand gegen die normative Unterdrückung aus dem Drang jugendlicher Natürlichkeit.

Adela erhängt sich, als Bernarda den Pepe vermeintlich erschießt. Abschließendes Edikt der Hausherrin und Tugendwächterin: Die Tochter soll als Jungfrau beerdigt werden. Den Schein zu wahren, ist das wichtigste. Eine hat das Elend von Anfang an kommen sehen: Die Magd La Poncia, von Tatjana Hölbing knarzig als Kassandra aus dem Volk gespielt – die weiß, dass Glück nie sein kann, wenn Frau nicht selbstbestimmter Mensch sein darf.                                      Andreas Pecht   

Infos: >>www.theater-koblenz.de/


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 10. März 2014)


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