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2014-05-04 Ausstellungskritik:


Max Slevogt zwischen
Idylle und Weltkrieg

Drei starke Ausstellungen im Landesmuseum Mainz und in der Villa Ludwigshöhe Edenkoben

 
ape. Je zeitloser die Porträts, je feiner der Pinselstrich, je dunkler die Werke – umso früher hat Max Slevogt (1868 – 1932) sie gemalt. Die Faustregel mag vereinfachen, doch sie erfasst Wesensmerkmale von Slevogts Oeuvre, wie sie jetzt eine opulente Sonderausstellung in Mainz ausbreitet. Unter dem Titel „Max Slevogt – Neue Wege des Impressionismus” zeigt das  Landesmuseum 85 Gemälde sowie 140 selten oder nie gesehene Skizzen und Zeichnungen des Wahlpfälzers dazu. Zugleich öffnen zwei Sonderschauen in der Villa Ludwigshöhe Edenkoben den Blick für das Schaffen seiner deutschen Impressionisten-Kollegen sowie für Ausflüsse seines Einsatzes als Kriegsmaler 1914.



Manche Bilder ziehen die Aufmerksamkeit fast vorwitzig an, während andere geduldig warten, dass der Besucher sich für ihre leiseren Feinheiten interessiert. Das prominentes Werk der in Mainz auf drei Säle verteilten Schau ist gewiss „Das Champagnerlied/Der weiße d'Andrade”, mit dem Slevogt 1902 seinen Durchbruch als einer der wichtigsten deutschen Impressionisten neben Max Liebermann und Lovis Corinth erlebte. Das berühmte Bild einer Opernszene zeigt den in lichtem Rüschenkostüm posierenden Don Giovanni in einem vor Lebensfreude schäumenden Stimmungsmoment.

Daneben sind es etwa Slevogts Tänzerinnen, die mit kokettem bis inbrünstigem Gesichts- und Körperausdruck das Auge bannen. In den zwischen 1895 und 1909 entstandenen Gemälden wirkt keine schwüle Erotik, sondern sind konkrete Augenblicke jener vom Formalismus befreiten Bewegungskunst festgehalten, wie sie dem seinerzeit modernen Ausdruckstanz einer Isodora Duncan oder Mary Wigman eigen waren. 

 Wie der Tanz sich vom Klassikkorsett löst, so Slevogt im Laufe seiner Münchner Zeit (1884 bis 1901) vom vorherrschenden Akademie-Reglement in der Malerei. Die Mainzer Schau räumt dem Frühwerk und den Übergängen zum impressionistischen Stil breiten Raum ein. Neben diversen Leihgaben konnte sie dafür  auf den reichen Bestand des Landes Rheinland-Pfalz an Slevogt-Werken zurückgreifen und erstmals einen zeichnerischen Nachlass auswerten, über dessen Ankauf das Land gerade mit den Erben verhandelt.

Eindrücklich lässt sich Slevogts Entwicklung an Selbstbildnissen und Porträts verfolgen. Anfangs waren das noch am altmeisterlichen Stil Tizians oder Rembrandts orientierte Bildnisse mit aus der Dunkelheit in Brauntönen aufscheinenden Gesichtstypen. Nachher wurden die Porträts heller, lichter und getränkt von individuellen Wesenszügen der Porträtierten sowie deren Stimmung im Moment des Gemaltwerdens. Statt denkmalartige Repräsentativmasken sehen wir nun echte Menschen mit Launen. 

Ähnlich die Entwicklung in allen Bereichen der Slevogt'schen Malerei, vom Stilleben über die Familienbilder bis zu den Landschaften. Angeregt durch die französischen Impressionisten wendet der Künstler sich ab von der Ateliermalerei mit mythologischen, religiösen oder historischen Themen. Es zieht ihn hinaus in die reale Welt, hinein ins wechselnde Licht- und Farbspiel der Natur. Slevogts Gemälde werden zu Momentaufnahmen – wie in „Sommermorgen” die auf einer Wiese dösende Schöne oder wie die pfälzische Landschaft mal zur Weinlese, mal nach einem Gewitter, mal im Winter. Aus der Nähe betrachtet, lösen sich die Motive auf in wild, ruppig, schnell geführte Pinselstriche mit dickem Farbauftrag. Erst mit etwas Abstand setzt sich im Auge des Betrachters das Bildganze zusammen zur naturnahen Lichtkomposition, die in sich Augenblicksskizze und durchdachtes Kunstwerk vereint.

Slevogt schloss sich in München, dann in Berlin den Secessionisten an. Jene Vereinigungen von gegen die Traditionsdominanz der Akademien opponierenden Künstlern hatten sich seinerzeit vor allem dem Impressionismus verschrieben. Dieses Umfeld beleuchtet die Slevogt-Galerie des Landesmuseums in der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben mit einer Schau über die Berliner Secession, zu der auch das Trio Liebermann, Corinth, Slevogt gehörte. Die Gemälde aus den Beständen der Nationalgalerie Berlin verdeutlichen die Vorliebe einer ganzen Künstlergeneration für das Malen unter freien Himmel, für das Einfangen von Lichtwirkung, für die (schön gestaltete) Natur, für die (bürgerliche) Idylle. Kritischer Sozialrealismus war nicht Sache dieser Strömung; das Interesse galt dem Schönen in der Welt.

Vielleicht rührt daher, dass auch unter Künstlern 1914 nationalpathetische Kriegsbegeisterung weit verbreitet war.  Diesen heute so irritierenden Umstand dokumentiert eine zweite Parallelausstellung in der Villa Ludwigshöhe unter dem Titel „Im Banne der Verwüstung – Slevogt und der Erste Weltkrieg”. Slevogt selbst gierte förmlich nach dem Einsatz als Kriegsmaler. Doch seine Frontzeichnungen lassen einen nur widerwilligen Blick auf Zerstörung, Verwundung, Tod erkennen. Nach kaum drei Wochen entflieht der Künstler entsetzt dem Schlachtfeld und zieht sich tief verunsichert in sein persönliches Idyll zurück: das Hofgut Neukastel, heute Slevogthof genannt, über dem pfälzischen Dorf Leinsweiler. Erst Ende 1915 nimmt er das Kriegsthema wieder auf – mit bitter-satirischen Graphiken gegen das Völkerschlachten.
                                                                                      Andreas Pecht



Landesmuseum Mainz:
> Max Slevogt – Neue Wege des Impressionismus, bis 12. Oktober.
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr

Villa Ludwigshöhe Edenkoben:
> Berliner Impressionisten – Werke der Berliner Secession, bis 17. August.
> Max Slevogt und der Erste Weltkrieg, bis 13. Juli
Dienstag bis Sonntag 9 – 18 Uhr
Info: >>www.landesmuseum-mainz.de


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einer leicht gekürzten Fassung außerhalb dieser website am 5. Mai 2014)

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